Meteora Teil 3 – Himmelsleitern

Wer in Meteora klettern möchte und nach besonders lohnenden Kletterwegen Ausschau hält, wird nicht lange brauchen, bis er auf die klingenden Namen der Superklassiker Meteoras stößt: „Weg des Wassers“, „Traumpfeiler, „Linie des fallenden Tropfens“ oder Wahnsinnsverschneidung“.

Als ich dann die berühmten Kletterführer der beiden Sachsen, Dietrich Hasse und Lothar Stutte in den Händen hielt und Bilder von diesen Anstiegen im Netz sah, habe ich mich sofort gefragt, wieso ich eigentlich noch nie dort gewesen bin. Und nachdem dann endlich in Kastraki die Riesenfelsen leibhaftig vor mir aufragten, kam sogar einiger Unmut über meine Ignoranz Meteora gegenüber auf.

Die Riesenwand am Sourloti, durch welche die spektakuläre „Linie des fallenden Tropfens“ führt, ist mehr als 300 m hoch. Der Tiefblick die fast senkrechte Wand hinunter lässt den Adrenalinspiegel selbst des abgebrühtesten Kletterers ansteigen.

Ein ganzer Wald von Felsen ragt hier in den Himmel mit Dutzenden absoluter Traumlinien, hunderte von Metern lang, und das auch noch auf engstem Raum. Von der Fläche her wie eine Miniaturausgabe unseres Elbsandsteingebirges, von der Mächtigkeit der Felsen wie eine Sächsische Schweiz für Riesen. Sofort hat der Neuankömmling das Luxusproblem, dass er nicht weiß, wohin er sich zu erst wenden sollte.

Christian mit seiner Partnerin Karin rechts und Janina und ich waren das Meteora Team. Hier auf dem Gipfel des Heiligengeistturmes.

Doch wir hatten einmal mehr das Glück, unseren Christian dabei zu haben. Er ist schon oft in meinen Blogs aufgetaucht als wandelndes alpingeographisches Lexikon. Und natürlich war er, anders als wir, schon zwei Mal hier, kannte jeden Felsen und die wichtigen Routen sowieso. Wir begaben uns also in seine kompetente Obhut.

Christian links im Nachstieg am „Traumpfeiler“ und rechts im Vorstieg am Kelch in dem Weg „Eiertanz“.

Das erste Ziel, welches er empfahl, war der Doupiani, keine 300 m Luftlinie von unserer Unterkunft entfernt. Das war aber nur Zufall. Am Doupiani gibt es die mit Abstand meisten Routen, aller Schwierigkeitsstufen und Absicherungsqualitäten. Wir kletterten gleich am ersten Tag seine zahme „Ostkante“ (VI, 4 SL) und die weitaus weniger zahme Route „Oben ohne“ (VII-, 2 SL).

Der Doupiani ist eher einer von den kleineren Gipfeln. Hier klettert gerade eine Seilschaft die „Ostkante“, unseren ersten Weg in Meteora.

Nach diesen sechs Seillängen (SL) wusste ich, was es heißt, in Meteora zu klettern. Das A und O ist hier, den meteorischen Kieseln zu vertrauen, also ihrer Verankerung im Sandstein. Ich wurde in den letzten Tagen auf insgesamt 64 SL in 14 verschiedenen Kletterwegen ein Experte dafür, welchen Kieseln man trauen darf und welchen besser nicht. Wie weit steht er aus dem Sandstein? Ist er gut unterfüttert? Hat er Risse? Ist er womöglich schon locker?

Die Mulden und Löcher, in denen irgendwann einmal Kiesel gesteckt haben, sind allgegenwärtig und erinnern einen ständig daran, dass die Dinger, so fest sie einem auch erscheinen mögen, rausbrechen können. Bei der häufig sehr sächsischen Absicherung ein permanenter Quell von Verängstigung. 

Ich klettere den „Weg des Wassers„. An dem Bild kann man sehr schön sehen, dass die Verteilung der Kiesel mal üppig und dann plötzlich ganz und gar nicht mehr so üppig ist. Foto: Karin Mehlhase

Aber, und das muss hier schon ganz deutlich gesagt werden, kein einziger der Abertausend Kiesel auf denen ich in diesen 64 SL stand, brach dann tatsächlich aus. Es ist erstaunlich, wie fest diese Steinchen, die auch mal Kühlschrankgröße haben können, im Sandstein verankert sind.

Am zweiten Tag wurde es dann schon etwas ernster. Ein Klassiker stand auf dem Programm , der auch noch so abgesichert war. Die „Südwestkante“ (VI-, 6 SL) am Heiligergeistwächter. Eine tolle Linie allerdings auf den ersten 35 Klettermetern mit nur einem einzigen Ring ausgestattet. Da war ich noch nicht so gefestigt in meinem Vertrauen den Kieseln gegenüber.

Im linken Bild klettert eine Seilschaft in der „Südwestkante“ am Heiligergeistwächter. Rechts: Mit seinen 180 m Höhe ist der Heiligergeistwächter gegen seinen fast doppelt so großen Bruder regelrecht klein.

Das verbesserte sich erst am gewaltigen Sourloti. Der erste von den Superwegen sollte an die Reihe kommen. Von der „Linie des fallenden Tropfens“ ( VI, 6 SL) hatte ich schon gehört, da ahnte ich noch nicht, dass ich einmal selbst nach Meteora fahren werde. Zu diesem Weg ist nicht viel zu sagen. Sicher eine der schönsten und genussvollsten Wandklettereien, die ich je unternommen habe.

Der Sourloti (links) ist einer der gewaltigsten Gipfel in Meteora. Durch seine Südwestwand zieht die „Linie des fallenden Tropfens“. In Bildmitte die Spindel, welche, so klein sie auch ist, alle Blicke auf sich zieht.

Wir hatten an diesem Tag noch nicht genug und sind dann noch einmal zum Doupiani an das „Dicke Ende“ (VII-, 5 SL) gegangen. Ein Weg, der seinem Namen alle Ehre macht. Und in diesem dicken Ende, einer Art Rissverschneidung, sind größere Keile und mittlere Friends unverzichtbar. Ich erinnere mich an höchstens zwei Haken in der gesamten letzten Schlüsselseillänge.

Am vierten Klettertag stand dann ein zweiter Höhepunkt auf dem Programm. Der „Traumpfeiler“  (9 SL) an der Nordostseite des Heiligergeistturmes gilt als einer der schönsten Kletterwege der Welt in seinem Schwierigkeitsgrad. Diese perfekte Linie ist übrigens nicht schwerer als eine V, also eine auf den ersten Blick lösbare Aufgabe. Aber eben von Ur-Sachsen abgesichert. Hier muss man seiner Sache schon sehr sicher sein, vor allem an der Schlüsselstelle, dem überhängenden Einstieg der Schulterrissseillänge. Einmal verbrachte dort eine Seilschaft mehrere Stunden, ohne auch nur einen Millimeter voran zu kommen.

Der „Traumpfeiler“ am Heiligergeistturm mit gleich mehreren Seilschaften. Man erkennt dadurch genau, wo die Route entlang führt. Foto: Karin Mehlhase

Und auch an diesem Tag waren wir so sehr mit Auftrieb gesegnet, dass wir gleich noch einen zweiten Klassiker hinten drangehängt haben. Den „Weg des Wassers“ (VII+, 5 SL), welcher, wie der Traumpfeiler, auch am Heiligergeistturm zu finden ist. Eine tief eingefressende Wasserrinne, die man mal als Wand, mal als Spreizkamin, mal als Verschneidung klettern muss. Stützen, Schieben, Stemmen und ganz unten an der Schlüsselstelle auch mal richtig festhalten, ist in diesem Weg gefordert.

Dann wurde es nass in Meteora. Ich dachte ja, in Griechenland ist immer schönes Wetter. Aber weit gefehlt. Es regnete teilweise wie aus Kannen. Wir haben kleinere Brötchen gebacken, kürzere Wege geklettert wie am Kelch die „Dresdner Eierschecke“ (VII-, 3 SL), an der Glocke den „Alemannischen Schelledanz“ (VII-, 4 SL) oder am Ypsilonterafels die Danae (VII-, 4 SL), den wir aber wegen sturzflutartigem Regen nicht zu Ende klettern konnten.

Das Bild von Karin zeigt Janina und mich vor der Ausstiegsseillänge vom „Allemannischen Schelledanz“ an der Glocke. Eine zweite Seilschaft ist noch weiter unten zu sehen.

Dann war mal wieder ein Vormittag ohne Regen prognostiziert. Also durften wir uns womöglich etwas größeres vornehmen. In Meteora gibt es, wie an der Elbe auch, einen Teufelsturm, der genauso beeindruckend und abweisend aussieht aber drei Mal so mächtig ist, wie sein kleiner Bruder im Sandstein.

Wir kombinierten die Talkante mit der ersten Seillänge der Route „Dr. Faust“. In dieser Kombination die längste und vor allem schönste Linie an diesem beeindruckenden Gipfel ( VII-, 5 SL). Allerdings ist diese Route, weil auf der Nordwestseite des Turmes gelegen, leider ein wenig vermoost.

Der Teufelsturm ist im linken Bild der schlanke Turm im linken Bilddrittel oben. Das rechte Bild hat Karin vom Ypsilonterafels aufgenommen. Es zeigt mich im Vorstieg an der „Talkante“, die unsere Mädchen wohl an irgendetwas erinnert hätte.

Der dritte Höhepunkt war für mich die Spindel. Ein Winzling zwischen den ganzen Riesen hier mit ihren gerade mal 45 Metern. Aber für uns einer der begehrenswertesten Gipfel in ganz Meteora. Allerdings mussten wir an der kleinen Felsnadel mächtig die Hände aus den Taschen nehmen, bevor wir uns ins Gipfelbuch eintragen konnten.

Am leichtesten zu haben ist hier der „Gordische Knoten“ (VII-, 2 SL). Allerdings fand ich diese VII- deutlich anspruchsvoller als die ganze Reihe der anderen Routen in diesem Schwierigkeitsgrad, die wir schon geklettert waren. Mein Nachsteiger, Christian, fand das wohl auch 🙂

Links klettere ich im „Kieselroulette“ fotografiert von Janina, rechts im „Gordischen Knoten“, aufgenommen von Christian. Im Hintergrund auf beiden Bildern die Südwestwand des Sourloti, durch welche die „Linie des fallenden Tropfens“ zieht.

Richtig zur Sache, jedenfalls für mich, ging es an der Spindel beim „Kieselroulette“ (VII+. 2 SL). Überhängendes Gelände, runde Kiesel. Dafür war es vielleicht doch noch etwas früh im Jahr und Nepal nicht lang genug her. Aber ich bin hochgekommen und noch nicht einmal abgefallen. Allerdings muss man davor an der Spindel keine Angst haben, denn sämtliche Wege hier sind fast schon übersichert.

Da das Wetter auch am Nachmittag noch gut aussah, sind wir anschließend zum Bantowafels marschiert, um hier noch einen der bekannten Klassiker zu klettern, nämlich den „Schweizerkas“ (VII-, 6 SL). Ein wunderschöner, abwechslungsreicher Weg, der, wie die meisten anderen auch, eine Empfehlung von Christian war!

Herrliche Kletterei mitten durch die Löcher des „Schweizerkas“ an der Westwand des Bantowafels. Auf dem Bild noch in der ersten SL. Foto: Karin Mehlhase

Am letzten Tag kehrten wir noch einmal zur „Danae“ am Ypsilonterafels zurück, um unseren Regensack abzuholen, also den Weg fertig zu klettern, den wir im Sturzregen abbrechen mussten. Ich bin nämlich diesbezüglich vielleicht etwas eigen. Wege nicht fertig zu klettern, kann ich überhaupt nicht leiden.

14 verschiedene Routen, 64 Seillängen, fast 1000 Fotos und ein guter Vorsatz sind das Ergebnis der vergangenen Tage hier in Meteora. Ich habe mir ja vorgenommen, jedes Jahr ein neues Klettergebiet zu besuchen und zu erkunden. Das ist eine prima Idee, die ich unbedingt, wie auch schon in den vergangenen Jahren, weiterhin umsetzen sollte. Aber nach Meteora muss ich schnellstens zurück. Die „Wahnsinnsverschneidung“ wartet auf mich und mit ihr noch mindestens ein halbes Dutzend andere phantastische Himmelsleitern.

Ach, und ich gebe es ja gerne zu. Die zahllosen gemütlichen Tavernen mit Felsblick, das extrem leckere Essen, der großartige griechische Wein und die immer entspannten und sehr freundlichen Griechen werden mir auch ganz schnell fehlen…

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6 Antworten

  1. Alex sagt:

    Ich glaube, ich muss da auch mal hin. Sehr beeindruckend. Danke für den tollen Reisebericht!

  2. Gustav sagt:

    Ja sehr schön die Routen Heiliggeistpfeiler, Spindel, weg des fallenden Tropfen wo mir im Quergang ein Kiesel ausbrach und ich einen Pendelsturz machte. Kelch, Wahnsinnsverschneidung sehr eindrucksvoll habe ich leider nicht gemacht… doch 10x Metheora war immer super auch der Campingplatz beim Vrachos in Kastraki mit Pool Grüße nach Griechenland Gustav

  3. Thomas Schmidt sagt:

    So viele Fotos gab’s glaube noch nie in einem Blogbeitrag von Olaf:
    Das allein schon spricht für sich !!
    Eben 2x Shivling-Vortrag gebucht, Thomas 🙂

    • Olaf Rieck sagt:

      Da kann man mal sehen, wie aufmerksam Du meine Blogbeiträge liest. Es gab tatsächlich noch nie so viele Bilder. Aber nun, so hoffe ich, hat der Leser ein Gefühl dafür, was ihn in Meteora erwartet. Das ist der Zweck des ganzen. Und die Karten liegen für Dich breit. Ich freue mich, dass Du am 26. Oktober in die Stadtbibliothek nach Leipzig zum Shivling-Vortrag kommen wirst 🙂

  4. Veronica sagt:

    Tolle Bilder und eine superinteressante News dazu!

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