Sardinien

Was für eine Weisheit: Aufhören, wenn es am schönsten sei. Also ich kann mich damit nicht anfreunden. Nun geht es tatsächlich aufwärts mit dem Kletterkönnen, denn nichts übt so sehr, wie das Klettern selbst. Jetzt müsste man erst so richtig anfangen mit dem Schwerklettern, anstatt aufzuhören. Doch Jammern hilft nicht. Höchstens schnell wieder kommen.

Das Klettergebiet rund um das Örtchen Jerzu mit seinen drei großen Sektoren zählt zu den größten der ganzen Insel. Herzu war unser erstes Ziel im Ostteil Sardiniens.

Das Klettergebiet rund um das Örtchen Jerzu mit seinen drei bedeutenden Sektoren zählt zu den größten der ganzen Insel. Jerzu war unser erstes Ziel im Ostteil Sardiniens.

Das Fazit der vergangenen 12 Tage lässt keine Wünsche offen. Wir haben viel gesehen und sind buchstäblich von Sonnenaufgang bis zum Dunkelwerden geklettert, zumindest wenn das Wetter es zuließ. Die Südwestküste hat mir am besten gefallen. Große Wände direkt über dem Meer, tolle Routen und weit ab vom Kletterrummel in den angesagten Gebieten rund um Cala Gonone.

Der Pan di Zucchero und die „Megaminimondo“ an der Porto Flavia waren hier die Höhepunkte. Fast durchgehend perfekter Fels und nicht ein abgespeckter Griff, dafür allerdings auch nicht ein vernünftiges Restaurant. Aber vielleicht haben wir uns nur nicht genug Zeit zum Suchen genommen. Wir mussten schließlich klettern. Und so gab es eben jeden Tag Nudeln in unserer sehr spartanischen Unterkunft.

Der Sektor Isola del Tesoro, hier im Bild hat 63 Route und wird vom Autor des Kletterführers, Maurizio Oviglia doch tatsächlich als schönste Wand der Welt bezeichnet. Logisch, dass wir uns das ansehen mussten!

Der Sektor Isola del Tesoro in Jerzu, hier der linke Wandteil im Bild, hat 63 Routen und wird vom Autor des Kletterführers, Maurizio Oviglia, doch tatsächlich als schönste Wand der Welt bezeichnet. Logisch, dass wir uns das ansehen mussten! Und tatsächlich gibt es hier schöne Wege in bestem Fels, die aber alle leider nach spätestens 30 m enden. Wieso nur?

Den zweiten Teil unseres Aufenthaltes auf Sardinien, wollten wir uns dann aber doch die Gegend rund um Cala Gonone an der Ostküste ansehen. Hier spielt die Musik. Fast die Hälfte der Klettergebiete der Insel gruppiert sich um dieses malerische Küstenörtchen, in dem allein es sicher mehr gute Kneipen gibt als an der gesamten Südwestküste. Und in einer dieser Kneipen an der Strandpromenade, so hatte ich das Gefühl, sitzen nach Sonnenuntergang mehr Kletterer als im Rest der Insel.

Der zentrale Teil des Sektors "La Poltrona" mit dem Deutschen Wall. Die dritte Seillänge ist 45 m lang und tatsächlich anhaltend schwer. Doch keine Angst. Alle fünf Meter gibt es einen bombensicheren Haken.

Der zentrale Teil des Sektors „La Poltrona“ mit dem Deutschen Wall. Die dritte Seillänge ist 45 m lang und tatsächlich anhaltend schwer. Doch keine Angst. Alle fünf Meter findet sich ein bombensicherer Haken.

Deutsch Wall

Janina Graeber im Nachstieg in der dritten Seillänge. An dieser Stelle nimmt endlich die Steilheit ein wenig ab, und es wird besser. Im Hintergrund das nahe Cala Gonone.

Hier im Osten gibt es drei Gebiete, die uns wegen der geradezu euphorischen Lobeshymnen im Kletterführer besonders ans Herz gelegt wurden und die wir natürlich unbedingt sehen wollten. Das erste war das oben schon erwähnte Jerzu. Nummer zwei ist „La Poltrona“, (Ohrensessel) benannt nach der eigenartigen Form dieser gewaltigen Plattenflucht. Wir hatten in dem hervorragenden Kletterführer „Pietra di Luna“ von Maurizio Oviglia von einer Route gelesen, die ich nach der Lektüre unbedingt klettern wollte:

„Der Deutsch Wall (von Heinz Mariacher im Jahr 1985, Anm. von mir) ist eine extrem schwierige Plattentour mit kühner Absicherung. Mehr als ein Wiederholungsversuch scheiterte am Beginn der dritten Seillänge, wo die gefragte Technik und die notwendige große Konzentration beim Klinken mehr als einem die Nerven durchgehen ließen. Flüge von zehn Metern sind hier keine Seltenheit.“

Na wenn diese Routenbeschreibung einen nicht neugierig macht, zumal die Schwierigkeit dieser legendären 3. Seillänge nur mit 8- angegeben ist! Das musste gehen. Und wie kühne Absicherung aussieht, wissen die Leute hier womöglich gar nicht.

Also haben wir uns getraut, und ich gebe zu, dass man schon gute Nerven und sehr enge Kletterschuhe braucht, um dort hoch zu kommen. Aber sterben wird man in dieser Route eben nicht! Also trotz der schauerlichen Vorschusslorbeeren im Kletterführer, kann man diesen exzellenten Klassiker schon machen.

Die beeindruckendste und sehr steile Nordwand an der Aguglia wird auf der sehr abwechslungsreichen "Sole incantatore" fast in Falllinie durchstiegen

Die beeindruckende, 140 m hohe und vor allem sehr steile Nordwand an der Aguglia wird auf der abwechslungsreichen Route „Sole Incantatore“ fast in Falllinie durchstiegen. Zwischen oberen und mittleren Drittel der Wand befindet sich gerade eine Seilschaft beim Abseilen über unsere Route.

Die dritte Empfehlung unseres Autors schießt nun ganz und gar den Vogel ab. Ich muss noch mal aus dem Kletterführer zitieren:

„Wenn man jemanden trifft, der noch nicht an der Cala Goloritze gewesen ist, dann reibt man sich verwundert die Augen und empfiehlt hinzugehen, koste es was es wolle.

Oder an anderer Stelle: „Spricht man von der Cala Goloritze, überschlagen sich die Superlative: Sie sei die schönste Bucht des Mittelmeeres, zumindest, was das Klettern im Kontakt mit der Natur und dem Meer angeht. Was mich anbetrifft, so ist das wahr. Ich kenne keinen anderen Ort, der so wild und schön ist, wo der rundum perfekte Fels so unglaublich mit dem Türkisblau des Meeres kontrastiert.“

Denn hier steht die 140 m aufragende Aguglia, die „einer der schönsten Obelisken ganz Italiens“ sei. Ein richtiger Gipfel also, auf den tatsächlich auch bis zum Gipfel geklettert wird. Na das wir da hin mussten, versteht sich natürlich von selbst.

Ich konnte es kaum fassen: Ein Gipfel, auf den kaum zwei Leute passten und dann auch noch ein Gipfelbuch! (Foto: Janina Graeber)

Ich konnte es kaum fassen: Ein Gipfel, auf den knapp zwei Leute passen und dann auch noch ein Gipfelbuch! (Foto: Janina Graeber)

Dieser Tag unseres Versuchs allerdings war der erste, wo man das Wetter als eher durchwachsen bis schlecht bezeichnen konnte. Es wehte ein stürmischer Ostwind, und es war kalt. Wir nahmen sogar unsere Daunenjacken mit. Wir hatten uns die „Sole Incantatore“ an der Nordseite der Aguglia ausgesucht, eine anspruchsvolle Route von vier 35-m-Seillängen, in welcher beinahe vom ersten bis zum letzten Zug im siebenten und unteren achten Grad (6b, 6b+.6b+, 6c) geklettert werden muss. Und das bei stürmischen Wind von der Seite. Eine solch anhaltend schwere Route unter diesen Bedingungen brachte mich dann auch an die Grenze meiner Möglichkeiten.

Die Cala Kolorite mit der über ihr aufragenden Aguglia ist wirklich einen Besuch wert. Man kann hier auch ganz wunderbar Baden. Nur eben leider nicht an diesem stürmischen Tag.

Die Cala Goloritze mit der direkt über ihr aufragenden Aguglia ist wirklich einen Besuch wert. Man kann hier auch ganz wunderbar Baden. Nur eben leider nicht an diesem stürmischen Tag.

Die „Sole Incantatore“ war sicher die forderndste Tour, die wir hier gemacht haben und die schönste. Leider wissen das auch andere, deshalb war das die erste Route überhaupt, die schon ganz schön abgespeckt war, was sie nicht gerade leichter gemacht hat.

Die hier erwähnten Touren waren bei weiten nicht alles, was wir in diesen 12 sehr intensiven Tagen geklettert sind. Insgesamt kommen 50 Seillängen zusammen, eine schöner als die andere und ausnahmslos in perfektem Fels. Und es wären noch einige mehr geworden, wenn wir die drei letzten Tage nicht zum Teil zur Untätigkeit verurteilt gewesen wären. Am vergangenen Samstag hat es sogar durchgeregnet.

Um zur Aguglia zu gelangen, muss man von der letzten Parkmöglichkeit eine reichliche Stunde in einem wunderschönem Tal bis an den Strand absteigen. Und auf diesem Weg haben mich riesige uralte Eichen sehr fasziniert.

Um zur Aguglia zu gelangen, muss man von der letzten Parkmöglichkeit eine reichliche Stunde in einem wunderschönen Tal einige hundert Höhenmeter bis an den Strand absteigen. Und auf diesem Weg haben mich riesige, uralte Eichen sehr fasziniert.

Wie man vielleicht schon ahnt, werde ich wiederkommen. Sardinien hat mir wirklich ausnehmend gut gefallen und dabei ganz besonders die schier unendlichen Möglichkeiten, Mehrseillängenrouten in jeder Schwierigkeit und Absicherungsqualität zu klettern. Der nagelneue Multipitches-Kletterführer von Maurizio Oviglia vom Dezember 2014 hat 454 Seiten!! Seit gestern befindet er sich in meinem Besitz!

Und es gibt auch schon ein Ziel für die Rückkehr nach Sardinien: Die Punta Giragili. Die wohl höchste und auch eine der unzweifelhaft schönsten Wände Sardiniens. Um die 400 Klettermeter in derzeit 14 Routen. Eine davon ist dem großen Wolfgang Güllich gewidmet. Die wird nun anvisiert. Aber für sie muss ich noch ein bisschen trainieren...

Und es gibt auch schon ein Ziel für die Rückkehr nach Sardinien: Die Punta Giragili. Die wohl höchste und auch eine der unzweifelhaft schönsten Wände Sardiniens. Um die 400 Klettermeter in derzeit 14 Routen. Eine davon ist dem großen Wolfgang Güllich gewidmet. Die wird nun anvisiert. 13 Seillängen, alle zwischen 7. und 8. Grad UIAA. Das also heisst, für sie muss ich noch ein bisschen trainieren…

Zum Schluss muss ich mich noch bei meiner zuverlässigen Sicherungsfrau bedanken. Wie wichtig jemand dort unten ist, auf den man sich verlassen kann und der spürt, wie es einem dort oben gerade geht, weil er jede noch so kleine Nuance im Verhalten bzw. den Ansagen richtig deuten kann, weiss nur jemand, der es auch schon genau anders erlebt hat.

Janina Graeber am dritten Stand in der "Sole Incantatore" an der Aguglia.

Janina Graeber am dritten Stand in der „Sole Incantatore“ an der Aguglia.

 

 

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2 Antworten

  1. Steffi sagt:

    Hey Olaf,
    ein sehr gelungener Erfahrungsbericht über eure Klettererfahrungen in Sardinien, den Du da geschrieben hast. Ich werde diesen auf jeden Fall mit unseren Fans auf Facebook teilen. Da sind ein paar begeisterte Kletterer dabei.
    Liebe Grüße
    Steffi

  2. Veronica sagt:

    Ein toller Bericht mit – natürlich – supertollen Fotos!

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