Schlechte Nachrichten

Diesmal liegt es nicht an der dünnen Luft, die ja sonst meist der Übeltäter ist, wenn es jemandem nicht gut geht. Diesmal ist es Pech oder Schicksal oder kein Glück oder wahrscheinlich alles zusammen. Steffen muss wegen Knieschmerzen seine Ambitionen am Nirekha Peak aufgeben und Kai hat ziemlich massive Herzprobleme bekommen und musste leider die Heimreise antreten.Das ist natürlich bitter vor allem für Kai, der sich riesig auf diese Reise gefreut und sie sich selber zu seinem 50. Geburtstag geschenkt hat. Aber die Berge laufen nicht weg, und er wird wiederkommen, da bin ich mir ganz sicher.

Kai verabschiedet sich von meinem Co-Guide Te Kumar Rai auf dem Helikopter-Landeplatz in Namche Bazar.

Wenn man der ganzen Sache etwas positives abgewinnen will, und das sollte man zumindest versuchen, dann, dass Kai keine zwei Tage gebraucht hat, um es mitten aus dem Herzen des Himalayas nach Hause in die Praxis eines Spezialisten zu schaffen. Ein Grund übrigens, warum ich mit meinen Gästen hier unterwegs bin.

Der Hauptort im Sherpaland, sozusagen das Chamonix des Himalayas, Namche Bazar. Im Hintergrund der 6000er Kusum Kanguru.

Jedenfalls sind wir alle ein bisschen traurig, denn so sollte eine Tour ja nun wirklich nicht anfangen. Aber Jammern hilft nicht und wäre ganz sicher auch nicht in Kais Sinne, obwohl wir ihn jetzt schon sehr vermissen, ganz besonders ich. Er war und ist bestimmt bald wieder ein besonders angenehmer und pflegeleichter Gast.

Meine Gruppe vor der Bergkulisse oberhalb von Namche Bazar. Der erste Blick auf den Everest und seine Trabanten ist immer ein ganz besonderer Augenblick auf unserer Tour!

Und wir anderen müssen uns jetzt trotzdem weiter akklimatisieren. Die Luft wird dünner. Daran können wir derzeit nichts ändern. Woran wir aber sehr wohl etwas ändern können, ist unsere Anpassung an den sich ständig vermindernden Sauerstoffpartialdruck. Doch das ist Arbeit. Nicht unbedingt für uns, wohl aber für unseren Körper. Ein seltsamer Widerspruch? Nein.

Kehrt man von Khunde nach Namche zurück, dann überquert man einen kleinen Pass. Dort hängen die Sherpas immer ihre Katas auf, damit Lukna, das Windpferd, die guten Wünsche in die Welt hinaus tragen kann. (Katas sind Seidentücher, welche die Sherpas sich gegenseitig zum Abschied verbunden mit vielen guten Wünschen überreichen. Unter anderen wünschen sie, dass der Verabschiedete zurückkehrt.)

Wir brauchen Ruhe und Zeit, unser Körper schuftet: Jede einzelne Zelle muss sich an den Sauerstoffmangel anpassen. Das ist anstrengend und deshalb müssen wir ihn in Ruhe lassen und höchstens Wanderungen mit dem Charakter von entspannten Spaziergängen unternehmen.

Guru Rimpoche im Kloster von Khumjung. Er lebte im 8. Jahrhundert n. Chr. und gilt als Begründer des Buddhismus in Tibet. Das berühmte Mantra „Om Mani Padme Hum“ (Oh, Du im Lotus wohnender Gott des himmlischen Juwels) preist ihn. Übrigens eine von unzähligen Übersetzungen.

Genau das haben wir in den letzten drei Tagen gemacht, nachdem wir am vergangenen Samstag (7. März) in Namche (3400 m) eingetroffen sind. Am Sonntag sind wir ganz geruhsam eine Runde von Namche nach Khumjung (3800 m) zum Yetiskalp, dann nach Khunde (auch 3800 m) zum Hillary Hospital und schließlich wieder zurück nach Namche in die Bäckerei geschlendert.

Eine prächtige Gebetsmühle beim Kloster in Khumjung. Im Hintergrund der Kang Tenga links und der Thamserku. Beides Sechstausender.

Anschließend waren wir auf einem zweitägigen Ausflug in Thame (3800 m) und haben meine tibetischen Nonnen in Thamo besucht, um mit ihnen die obligatorische Puja zu feiern. Schließlich sollen die Berggötter in den kommenden Wochen möglichst wohlwollend unsere Vorhaben unterstützen und uns keine Steine, Neuschneemassen oder gar Lawinen in den Weg legen.

In den Klöstern werden die Mönche und Nonnen mit dem Shankha, dem tibetischen Muschelhorn, zum Gebet gerufen. Übrigens stammt das Gehäuse von der Turbinella pyrum einer großen räuberischen Seeschnecke, und es wird wohl tatsächlich hier im Himalaya gefunden.

Nach der Nacht in Thame sind wir gestern noch einmal nach Namche zurückgekehrt, denn so eine Nacht tiefer als die vorherige zu schlafen, tut Körper und Seele besonders gut.

Akklimatisation ist hier im Himalaya alles, und ich wundere mich jedes Mal aufs Neue, wie wenig ich danach gefragt werde. Wenn ich ein Ranking aufstellen würde, welches die am häufigsten an mich gestellten Fragen sind, so steht an erster Stelle die nach den Temperaturen. Vor allem nach den möglichen Frostgraden. Dann kommen die täglichen Gehzeiten, die Duschmöglichkeiten in den Herbergen und nicht zuletzt auch die Fragen nach der benötigten Ausrüstung. Und dabei hat niemals irgend etwas davon je ein Problem verursacht.

Das obligatorische Gruppenfoto mit meinen Nonnen nach der besonders wirksamen Puja. Dass die Zeremonie heute so effektiv war, lag daran, dass gerade heute Vollmond ist, wie uns die älteste Nonne freudestrahlend mitteilte.

Ganz anders die Höhe. Doch Auskünfte zu deren Auswirkungen auf unser Wohlbefinden, zu den täglich zu absolvierenden Höhenmetern oder zur Anpassungstaktik an den Sauerstoffmangel usw. werden natürlich auch verlangt, doch die landen regelmäßig abgeschlagen unter ferner liefen…

Dabei ist die Frage nach der Höhenanpassung die alles entscheidende. Dumm ist nur, dass es hier nicht mehr, sondern mit jedem Höhengewinn immer weniger Luft gibt. Aber die gute Nachricht ist, dass wir uns daran gewöhnen können. Und genau aus diesem Grund ist ausreichend Zeit auf dieser Tour  so immens wichtig. Denn Akklimatisation braucht nun mal Zeit!

Also mir fällt das Abschiednehmen von meinen Nonnen jedesmal sehr schwer. Denn ihre Liebenswürdigkeit, Innigkeit und Authentizität ist sehr berührend und irgendwie vollkommen aus der heutigen Zeit gefallen. Zumindest aus der bei uns zu Hause.

Wir sind nun an eine Höhe von ca. 3800 m Höhe angepasst und können jetzt die nächste Etappe unserer Tour in Angriff nehmen. Morgen beginnen wir unseren Weg in das zweite Tal der Everest-Region, in dem der Ngozumba-Gletscher alles beherrscht.

Über Mong La (4000 m) und Machermo (4400 m ) werden wir in drei Tagen die Gokyo-Alm (4700 m) erreichen. Hier thront ein kleiner Aussichtsberg namens Gokyo Ri über einem See. Mit knapp 5400 m Höhe wohl eher ein Zwerg zwischen den weltberühmten Bergriesen, aber mit einer fulminanten Aussicht auf gleich vier 8000er von seinem Gipfel.

Das kleine Örtchen Thame ist wunderschön am Fuße des Teng Kangpoche gelegen und aus einem ganz besonderen Grund bei den Sherpas berühmt. Drei der absoluten Supersherpas stammen von hier. Alle drei sind tatsächlich Weltstars: Tensing Norgay, der mit Edmund Hillary den Everest zuerst bestieg. Apa Sherpa der über zwei Jahrzehnte den Weltrekord mit den meisten Everest-Besteigungen hielt. Und nachdem er nun nach 21 Aufstiegen seine Karriere beendet hat, stammt auch sein Nachfolger auf dem Thron des Weltrekordhalters mit inzwischen 24 Besteigungen, Kami Rita Sherpa, ebenfalls aus Thame.

Und nun hoffe ich, dass wir von weiteren Hiobsbotschaften verschont bleiben und wünschen Kai, dass sich seine Probleme möglichst in Luft auflösen und er rasch wieder vollkommen fit seinen vielen sportlichen Aktivitäten nachgehen kann.

Wir sind in Gedanken bei Dir…

 

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5 Antworten

  1. Kai Bittner sagt:

    Hallo Olaf, wie immer sehr schön geschrieben und ja ich bin schon ziemlich down und auch sehr traurig im Moment…ist alles auch ein bischen surreal. Aber ich bin guter Dinge…und dieses Buch wird zu Ende geschrieben, der Sack wird abgeholt, wie Du sagen würdest…im besten Falle tatsächlich bereits im kommenden Jahr. Aber das besprechen wir wenn Ihr wieder da seit.
    Jetzt wünsche ich Euch weiterhin bestes Wetter und richtig gute Fitness und Gesundheit.
    Allerliebste Grüße an alle aus der Gruppe…in Gedanken bin ich bei Euch.

    Gruß Kai

  2. Veronica sagt:

    Was für ein Pech für dich, Kai! Ich wünsche dir alles Gute und würde mich auch freuen, wenn es vielleicht schon nächstes Jahr mit der Nepal-Reise klappen würde!
    Olaf, tolle Bilder wie immer. Es wäre nicht schlecht, wenn das Wetter wo bleiben würde, oder 😉
    Liebe Grüße an euch alle, Veronica

  3. Frank Bolle sagt:

    Lieber Olaf,
    vielleicht wirst du von deinen Gästen so wenig zur Akklimatisation gefragt, weil sich natürlich alle auf deiner Website informiert haben. Dort erklärst du dies ja wirklich sehr gut und für Laien verständlich. Da bleiben einfach keine Fragen offen.
    Hast du auch erwähnt, dass man beim Aufstieg möglichst auf ein Bierchen verzichten sollte, auch wenn es schwerfällt, damit sich der Körper nicht auch noch mit dem Abbau von Alkohol beschäftigen muss. Aus Erfahrung kann ich sagen, das Erste danach schmeckt besonders lecker 😉.
    Ich wünsche euch noch eine schöne, abwechslungsreiche Tour mit vielen neuen Eindrücken.
    Viele Grüße, auch an den mehrfachen „Wiederholungstäter“ Günni,
    von Frank aus Brandenburg. 🗻

  4. Wolfgang Jähne sagt:

    Lieber Olaf,
    wünsche Euch allen eine entspannte Tour ohne weitere Ausfälle. Danke für die schönen Fotos, bin in Gedanken bei euch.Besonderer Gruß an Oldi Günther.
    Alles Gute Wolfi

  5. Stephan Seifert sagt:

    Lieber Olaf,
    Dir und Deinen Mitstreitern viel Erfolg auf dem Wege zum Nirekha und – wie schon von Wolle – besondere Grüße an Deinen diesjährigen „Alterspräsidenten“ Günther.
    Beste Grüße aus der Heimat, und: Bleibt schön gesund!
    Stephan.

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