Gegen die Norm

Unsere erste Etappe von Namche in Richung Gokyo Alm und Cho Oyu führte nach Mong La. Keine lange Strecke, deshalb waren wir schon um die Mittagszeit am Ziel. Es gab Tee und Rara Noodle Soup. Das Wetter war leider nicht ganz so berauschend.
Plötzlich kam Gunter schimpfend in den Dining Room. Ging es ihm nicht gut? Eigentlich ist Gunter ein ganz Lieber. Ich hab mich erschrocken! Was war passiert? Gott sei Dank nichts Ernstes. Die Tür zu seinem Schlafkämmerchen klemmte ganz schrecklich. Er würde sie jetzt eintreten, kündigte er an. Sie sei völlig „gegen die Norm“. Und damit hatte Gunter was bemerkenswertes gesagt! Gegen welche Norm?

Übrigens hat Gunter die Tür repariert, anstatt sie einzutreten. Er schraubte die Scharniere ab, bohrte neue Löcher und versetzte sie an die richtige Stelle. Er hat scheinbar einen ganzen Werkzeugkasten dabei. Jetzt öffnet und schließt die Tür wieder ganz wunderbar.

Mich hat Gunters Bemerkung über nicht eingehaltene Normen sogleich zum Nachdenken angeregt. Denn wenn man es genau nimmt, ist hier buchstäblich alles gegen die Norm. Vor allem die Stromleitungen. Ganz Nepal ist gegen die (unsere) Norm. Oder vielleicht doch nicht?

Es war heute das, was man einen Traumtag nennt. Gestern Abend hatte es geschneit, heute morgen erstrahlte die grandiose, frisch verschneite Bergwelt rings um uns in glasklarer Luft.

Wer legt eigentlich die „Normen“ fest? Wir? Vielleicht ist es ja genau umgekehrt und bei uns alles mögliche nicht normgerecht. Vielleicht sollten ja diejenigen die Normenhoheit innehaben, die es schaffen, selbst unter der größten Last freundlich zu bleiben. Die immer gute Laune haben, egal wie kalt es ist oder wie widrig die Bedingungen. Die sich über Missgeschicke, und seien sie noch so groß, halb totlachen. Die nach gewaltigen Erdbeben ihre nicht normgerechten Häuser in null Komma nichts wieder aufgebaut haben und keinen Augenblick mit ihrem Schicksal hadern. Die einfach nichts aus ihrem Gleichgewicht bringen kann. Ich bewundere und beneide die Menschen hier immer wieder aufs Neue wegen ihrer unerschütterlichen Gelassenheit.

Ein bisschen gelassener sind aber auch wir geworden, denn wir haben die WLAN- Zone verlassen und starren jetzt nicht mehr andauernd auf unsere Smartphones.

Das heißt für mich vor allem, dass es mit der bequemen Kommunikation nun vorbei ist. Jetzt funktioniert nur noch mein Satellitentelefon. Die Bilder werden weniger und kleiner, denn in den Bergen ist es manchmal schwierig, eine stabile Verbindung zu den Satelliten aufzunehmen. Bei langen Mails mit vielen großen Bildern in Anhang bricht die Verbindung häufig ab und muss dann neu aufgebaut werden. Das wird dann schnell eine sehr teure Angelegenheit. Doch Text zu senden, bleibt weiter gut möglich.

Das Tal des Ngozumba-Gletschers wird vom sechsthöchsten Berg unseres Planeten verriegelt. Die Südwestwand, die wir hier sehen, gehört zum höchsten und schwierigsten, was die Gebirge dieser Welt zu bieten haben.

Heute haben wir mit der knapp 4800m hoch gelegenen Gokyoalm eines unserer Hauptziele erreicht. Und auch das Wetter spielt nach zwei durchwachsenen Tagen wieder mit. Schon auf dem Weg hierher präsentierte sich der 8200m hohe Cho Oyu in seiner ganzen Pracht. Ein Vorgeschmack auf morgen, wenn wir den knapp 5400m hohen Gokyo Ri besteigen und sich gleich vier Achttausender vor uns aufreihen.

Und übermorgen kommt dann der sicher etwas rührselige Moment, wenn sich unsere feine Truppe trennen wird. Die eine Hälfte wandert mit meinem Freund Kumar zum Everest Basislager und in das Imjatal zur Lhotsesüdwand.

Die anderen fünf überqueren den Ngozumba-Gletscher und steigen dann am 18. März in das Basislager des Nirekha Peaks auf. Und dann wird es zumindest für uns richtig ernst. Spannende Neuigkeiten sind also auch in den nächsten Tagen garantiert.

Das könnte dich auch interessieren …

12 Antworten

  1. Annett sagt:

    Es ist schon zu sehen das es euch allen auch mit zunehmender Höhe immer noch so gut geht. Drücke euch ganz fest die Daumen das das Wetter jetzt wieder richtig schön wird, so daß ihr die herrlichen Berge in vollen Zügen genießen könnt. Ich wünsche euch allen ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen für eure nächsten Etappen. In Gedanken bin ich bei euch. Liebe Grüße an die ganze Gruppe sendet Annett

  2. hallo Leute!
    Das sieht ja alles super aus! Offensichtlich kommt Ihr gut voran. So soll es bleiben!
    Ich wünsche Euch einen guten Aufstieg und eine phantastische Fernsicht vom Gokyo Ri!

    Euer Mayk aus Plaue.

  3. Hildegard Weigelt sagt:

    Hallo Holger und die Gruppe. Zuerst möchte ich mich bei Olaf für die tollen News und Bilder bedanken. So können wir die Touren hier mitverfolgen und wissen, dass es allen gut geht. Für die Besteigung des Gokyo Ri wünsche ich Euch gutes Gelingen und ein super Wetter ? für tolle Foto’s. Weiterhin eine gute Zeit und viel Gesundheit. Ich freue mich schon auf die nächste News. Viele herzliche Grüsse Hildegard

  4. oliver heyn sagt:

    herrlich! die deutsche handwerkskunst ist weltberühmt und unzerstörbar!
    wie oft erinnere ich mich an diesen phantastischen tag auf dem gokyo ri!!! strahlende sonne, windstille, tränenrührende fernblicke! das wünsche ich euch auch auf dem weg zum nirekha und über den cho la…viele grüsse!

  5. Elke sagt:

    Hallo. ..ihr alle da inder hohen Ferne…es erstaunt mich wie ihr alle durchhaltet…Gunter falls du noch werkzeug brauchst gib Bescheid ..haha…alles gute weiterhin..es sieht Traumhaft aus…grüsse an meine liiiieebe Elke von Blasens…weitersooo

  6. Ulla Mies sagt:

    Liebe Ursel, wir freuen uns riesig für Dich, dass alles bisher so gut geklappt hat und Du jetzt vor Deinem ersten 6000er stehst.. Dir und der ganzen Gruppe einen erfolgreichen Aufstieg und vor allem, kommt gut wieder runter. Alles Liebe Uschi und Ulla

  7. Hoffmeister, Gunhild sagt:

    Liebe Usi und die anderen alle.Toll, dass ihr alle durchgehalten habt, nach dem Motto “ Wir schaffen das“! Ich freue mich für euch alle und hoffe, auch für alle, dass, einmal das Wetter euch weiter wohl gesonnen ist und zum anderen, ihr eure jeweiligen Ziele gut erreicht . Du kennst ja mein Motto, „Gib niemals auf, auch wenn sich alles gegen dich verschworen hat“. Aber ich bin zuversichtlich, dass bei dieser Truppe jeder jeden motiviert…gemeinsam seid ihr stark. Übrigens könnte ich auch so einen Handwerker gebrauchen, toll!
    Liebe Grüße Chica

  8. Tim sagt:

    Hallo Opa Jens,

    alles Gute für die kommenden Tage. Gibt es in Nepal auch einen Osterhasen?

    Dein Tim

  9. Yannik sagt:

    Hallo Opa

    wir freuen uns über jedes Foto von Dir. Wir gehen jetzt ins Bett. Entgegen der Norm ist es jetzt schon 20:10 Uhr. 🙂

    Dein Yannik

  10. Eike Franke sagt:

    Hallo Jens,
    wir freuen uns, dass bisher offenbar alles super klappt, und drücken Dir und Deinen Mitstreitern fest die Daumen für gutes Wetter und Durchhaltevermögen.
    Mittlerweile seid ihr sicher schon bei 5400 m angekommen, da rückt die 6000er- Marke ja schon in „greifbare Nähe“. Weiterhin viel Erfolg und viele schöne Ausblicke wünschen
    Axel und Eike

  11. Nele & Benedikt sagt:

    Hallo Opa Jens,
    kannst du was von der „unerschütterlichen Gelassenheit“ für zu Hause mitbringen. Müssen wir hier mal verteilen… 🙂
    Viel Spass euch allen
    Nele, Ben und Eltern

  12. Kirsten Winzer sagt:

    Unglaublich! Ich habe die Hälfte verpasst, aber fleißig alle bisherigen Beiträge gelesen. Ich wünsche dem kompletten Team einen erfolgreichen Gipfelsturm bei bestem Wetter! Grüßt den Yeti, falls ihr ihn trefft.
    Berg heil! णमस्कार्
    Eure Kiwi

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen