Die Spalte am Baruntse

Ich war oben und habe in ihren Abgrund geschaut. Doch die Mutter aller Spalten ist sie nicht. Im Gegenteil! Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich fürchterlich unbeliebt mache: Diese Spalte ist offensichtlich häufig ein Alibi für alle diejenigen, die Verantwortung für Klienten tragen und die keine Lust haben, Kopf und Kragen für sie zu riskieren, weil sie wissen, was danach kommt.

Der Blick zurück auf Camp 2 an einem traumhaft schönen aber saukalten und dazu noch windigen Morgen.

Wir sind am Freitag kurz vor 7.00 Uhr losmarschiert. Es war so bitter kalt im Lager 2, dass es mir vernünftiger erschien, nicht früher los zu gehen. Die Temperatur im Zelt lag bei rekordverdächtigen 22 Grad unter Null. Wir brauchten die Sonne. Aber da es ja von zweiten Hochlager nur knapp 800 Höhenmeter bis zum Gipfel sind, machte ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Ich sorgte mich nur, wie wir wohl über diese Spalte kommen würden.

So präsentiert sich die Spalte von der Talseite, Blick nach Westen. Zur Not könnte man sie auch überklettern. Sie ist nicht besonders tief.

Sie liegt auf ziemlich genau 6950 m, also etwa 500 Meter über Lager 2. Für diese Distanz benötigten wir etwas mehr als zwei Stunden und hatten damit zwei Drittel der Höhendistanz bis zum Gipfel bewältigt.

Als Christoph und ich vor der Spalte standen, Janina war im Lager zurück geblieben, wunderte ich mich. Sie war gut links (westseitig) zu umgehen. Es ist sozusagen eine Menge Futter da. Das war sicher in den vergangenen Jahren nicht anders. Eher im Gegenteil, denn die Berge hier im Himalaya verlieren ja dramatisch an Eis. Und Material braucht man auch so gut wie keins. Einen Snowbar für den Fixpunkt, einen Sicherungsmann, ein Seil und zwei Eisgeräte. Zehn Minuten hat die Sache gedauert.

Dieses Foto hab ich an der Stelle gemacht, an der man sie links also auf der Westseite quert.

Als wir auf der anderen Seite angekommen waren, gingen unsere Probleme los. Vielleicht ist eine Zahl sehr plastisch. Für die nächsten 200 Höhenmeter benötigten wir sieben Stunden. Der Grat legt sich deutlich und die meiste Zeit waren wir damit beschäftigt, völlig ungangbare Gratpassagen irgendwie begehbar zu machen. Zwei Schlüsselstellen haben mir dabei besonders zu schaffen gemacht. Zum einen eine nach Süden ausgerichtete Schneewand, die fast senkrecht war und die Konsistenz von Zuckerwatte hatte. Wenn ich mein Eisgerät einschlug, verschwand es mitsamt Hand bis zum Ellenbogen. Nichts hielt. Ich hatte große Angst, dort abzugehen.

Nicht fragen, wie dieses Foto entstanden ist. Christoph hat es aufgenommen, als wir gestern die Passage zum zweiten Mal geklettert sind. Da hatte ich ich sie dann mit einem Seil versichert.

Die zweite Schlüsselstelle war ein Gratabschnitt, der im nächsten Bild zu sehen ist. Er war unbegehbar. Nur eine Querung in der Westwand war möglich aber schwierig und extrem ausgesetzt. Die Westwand des Baruntse fällt senkrecht 2000 m ins Tal. Doch wenn wir zum Gipfel wollten, mussten wir sie klettern.

Übrigens quälte uns bei dem ganzen Theater ständig der schon erwähnte Materialmangel. Die insgesamt vier anderen, die außer uns noch im Basislager eingetroffen waren, sind bis auf einen Schweizer nicht mal bis zum Camp 1 gekommen. Der tapfere Schweizer musste an der Spalte passen, weil er keinen Sicherungsmann hatte. Unser Angebot, mit uns zu klettern, schlug er aus Zeitmangel aus.

An dieser Stelle dachte ich kurzzeitig, dass nun enggültig Schluss für uns wäre. Aber wir fanden eine Möglichkeit in der Westwand, die auch letztendlich besser zu klettern war, als gedacht. Das Bild von dieser Querung folgt im zweiten Teil der Spaltennews.

Für all die Vorstiege und die viele Improvisation mit alten Seilen, die es leider oder in unserem Fall Gott sei Dank hier am Baruntse gibt, verloren wir viel zu viel Zeit. Kurz unterhalb des Gipfels gegen 15.00 Uhr, es fehlten höchstens 50 bis 70 Höhenmeter, mussten wir umkehren. Unsere Zeit war um, die Sicht war weg, unser Material war aufgebraucht, sogar unser Bergseil hatten wir verbaut. Es war extrem bitter.

Wohl oder übel mussten wir hierher nochmal zurückkehren. Ich konnte unmöglich ein drittes Mal nach Fitz Roy und Hidden Peak scheitern. Und da Uwe Daniels Wetterbericht nur noch den Sonnabend für aufstiegstauglich hielt, würden wir nur eine Nacht zur Erholung bekommen.

Ich war ziemlich verzweifelt und total erschöpft, als wir kurz vor 18.00 Uhr wieder im Camp 2 eingetrafen.

Camp 1, Sonntag den 5. Mai, Ende Teil 1, Die Spalte am Baruntse

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5 Antworten

  1. Thomas Schmidt sagt:

    Wow, meinen aufrichtigen Glückwunsch, dass ihr/du es so weit geschafft habt !!! Da könnt ihr echt stolz sein und die 7000m habe ihr auch geknackt 🙂
    Nur das ist die Spalte, die ich unter 4) erwähnt habe, nicht diejenige welche uns damals am weitergehen gehindert hat. Vielleicht habt ihr ja einen anderen Weg gefunden – gerade da an der Westwand gequert. Trotzdem komisch, dass euch das Riesenteil nicht aufgefallen ist…
    Aber egal, das können wir später aufarbeiten. Wünsche, für den zweiten Versuch alles Beste und dass ihr Genießer-Wetter bekommt !!!

  2. Marianne Schröder sagt:

    What a feat! Die Errungenschaft und die einmaligen Fotos! Viel Glück beim 2. Versuch: so near and yet so far.

    Also, das ganze ist einfach atemberaubend schön. Da kann man die Verrücktheit der Bergsteiger schon verstehen ……

    ;-))

  3. Wolfhard Hammer sagt:

    Hallo Olaf, herzlichen Glückwunsch und Berg heil.
    Einfach nur bemerkenswert und voller Spannung auf Deinen Vortrag, den wir hoffentlich bald bekommen. Ich gönne Dir Deinen erfolg und weis, wie Du Dich fühlst, gesteckte Ziele hart und kampfesmutig zu erreichen. Als Rollstuhlfahrer habe ich nun auch vier weitere„Gipfelstürme„ hinter mir. Ich war mit meinem Kumpel die Südgrenze der DDR abgefahren von Bad Salzungen bis Johnsdorf. Mit meinem Rollstuhl war ich auf dem Dolmer, endlich auf dem Fichtelberg, dem Keilberg und auf dem Hochwald. Andere Höhen und Aussichten wie die Bastei, Amselfälle usw. habe ich so nebenbei mit „erstiegen bzw. erradelt„. Hindernisse wie grobes Pflaster, Wurzeln, Unebenheiten, Steigungen und mit dem Rollstuhl teilweise kaum errollbare Passagen habe ich mit Hilfe überwinden können. Teilweise halfen uns Wanderer die mit anpackten und mich trugen. Leider hatts meinen Hintern erwischt, er ist nun etwas Wund, d.h. viel liegen und pflegen. Aber es war wieder ein tolles Erlebnis nach der Zugspitze und Paragleiden. Kommt gesund wieder. liebe Grüße Wolfhard

  4. Wolfhard Hammer sagt:

    Hallo Olaf, ich nochmal. Der Glückwunsch zählt natürlich für den 2. Versuch.

  5. Thomas Schmidt sagt:

    Ja ich auch nochmal: ich hoffe echt, dass dein Höhenmesser richtig geht !! Meiner hat nämlich wie gesagt 6930 angezeigt, als wir schon ein ganzes Ende höher waren. Insofern war es vielleicht doch noch etwas mehr zum Gipfel, in jedem Fall gut, dass ihr vernünftig wart…
    Drücke die Daumen, dass es diesesmal länger schön bleibt und der Berg dich/euch auf seinen Gipfel lässt :-))

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