Der unmögliche Berg

Cesare Maestri wollte nach seinen eigenen Worten der beste Bergsteiger der Welt werden. „Selbst beim Liebesakt machte ich noch Liegestütze, um meine Muskeln zu trainieren“. Für den besten Bergsteiger der Welt musste es natürlich auch der schwierigste aller Berge sein. Und als jener galt seit 1952 der 3133 Meter hohe Cerro Torre (spanisch Turm-Berg). In diesem Jahr bestiegen die beiden französischen Spitzenbergsteiger Lionel Terray (Mitglied der legendären französischen Annapurna-Expedition 1950) und Guido Magnone den Fitz Roy und gaben über den in Sichtweite stehenden Cerro Torre ein eindeutiges Urteil ab: Dieser sei ein „unmöglicher Berg“! Damit war das Rennen auf den Cerro Torre eröffnet. Die ersten Besteigungsversuche datieren auf das Jahr 1958. Der große Walter Bonatti erreichte zusammen mit Carlo Mauri über die Westseite eine beachtliche Höhe. Eine zeitgleich auf der Ostseite des Berges operierende Seilschaft, zu welcher der schon erwähnte Cesare Maestri gehörte, musste ohne einen Versuch unternommen zu haben, aufgeben.

Laguna Torre

Vom Ufer dieser Gletscherlagune hat man bei gutem Wetter einen schönen Blick auf Cerro Torre und seine Nachbarn. Derzeit herrscht hier oben noch Winter. Das macht das Warten auf einen Fototermin unangenehm.

Während Bonatti auf einen weiteren Anlauf verzichtete, kehrte Maestri ein Jahr später mit dem Tiroler Eiskletterspezialisten Toni Egger an die Nordwand zurück. Am 30. Januar 1959 soll den beiden die Erstbesteigung geglückt sein. Doch für Egger endete sie tragisch. Er kam beim Abstieg in einer Eislawine ums Leben.

Da seine Kamera das angebliche Gipfelfoto enthielt, konnte Maestri nie beweisen, dass er tatsächlich den Gipfel erreicht hat. Und ab 1968 wurden seine Schilderungen immer mehr in Zweifel gezogen. Denn bei Versuchen, die Maestri-Egger-Route zu wiederholen, fanden sich keine Ausrüstungsgegenstände, die Maestri in der Route zurückgelassen haben will. Auch die von ihm angeblich verwendeten Stahlhaken konnten nicht gefunden werden. Die Zweifel wurden immer lauter.

Torre West

Die Ansicht vom Inlandeis sieht man selten. Das ist sozusagen die Wetterseite des Torre und diese war auch der Schauplatz der ersten anerkannten Besteigung durch Casimiro Ferrari 1974. Hier wird fast ausschliesslich im Eis geklettert. Sie gilt als die „einfachste“ Route auf den Berg.

Das war für Maestri Grund genug, zum Torre zurückzukehren. 1970 bohrte er sich mit Hilfe eines Kompressors und 300 Bohrhaken bis eine Seillänge unter den Gipfeleispilz. Dort hielt er den Berg für sich als bestiegen und seine Ehre wiederhergestellt. Doch genau das Gegenteil passierte. Diese Besteigung wurde nun gleich gar nicht anerkannt, weil er den instabilen Eispilz nicht erklettert und deshalb den höchsten Punkt nicht erreicht hatte. Auch der massive Materialeinsatz, der mit Klettern nichts mehr zu tun hatte, rief breite Ablehnung hervor. Der Kompressor hängt übrigens noch heute unterhalb des Gipfeleispilzes. Diese Route ging als Kompressorroute in die Alpingeschichte ein.

Die eigentliche Maestri-Egger-Route von 1959 konnte 46 Jahre lang bei mehr als 20 Versuchen auch mit modernsten Hilfsmitteln nicht wiederholt werden. Erst am 12. und 13. November 2005 wurde die Nordwand auf dieser „Route“ von drei Italienern erstmals durchstiegen.

Torre Ost

Hier nun die Ostseite des Gipfels. Die Aufnahme habe ich von einem auf der rechten Seite der Gletscherlagune (siehe Bild oben) gelegenen Punkt gemacht. Neben dem Cerro Torre von links nach rechts: Torre Egger, Punta Herron, Cerro Standhardt.

Heute ist man sich weitgehend einig, dass ein Durchstieg der gewaltigen Steilwände mit den damaligen Hilfsmitteln nicht möglich gewesen sein dürfte. Doch vor allem das Fehlen sämtlicher Besteigungsspuren, wie Haken oder Seilreste, nährten die Zweifel an Maestris Schilderungen. Ebenso die Art und Weise, wie er selbst mit der Kritik umgegangen ist. Seine Kompressorroute ist ein trauriges Mahnmal dafür. Dennoch rückt der selbsternannte beste Bergsteiger der Welt bis heute nicht davon ab, gemeinsam mit Toni Egger den Cerro Torre erstbestiegen zu haben. Übrigens trägt der direkte Nachbar des Cerro Torre in nördlicher Richtung den Namen von Maestris Seilpartner. Der Torre Egger ist zwar deutlich kleiner als sein berühmter Nachbar. Dafür gilt er gegenwärtig als der schwierigste Berg der Welt. (Aber das ist bestimmt Ansichtssache.)

Nach vier Tagen und drei Nächten auf meinem Hochstand ist das Wild nun gestellt und die Jagd erfolgreich. Sowohl vom Inlandeis als auch von Osten gibt es jetzt Bilder des Cerro Torre. Deshalb bin ich nun wieder in das Basislager des Fitz Roy umgesiedelt und hoffe auf die Möglichkeit, über den Paso superior bis direkt an den Wandfuss aufsteigen zu können. Wieder muss das Wetter mitspielen. Es gibt noch sehr viel Schnee dort oben, die Lawinengefahr ist groß. Unangenehm ist auch die Tatsache, dass ich allein unterwegs bin. Wie so oft in den Bergen ist abermals Geduld gefragt.

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3 Antworten

  1. Jan Woitas sagt:

    Ich wünsche viel Glück bei der „Jagd“ auf den Fitz Roy und dass Sie gesund zurückkehren!
    Habe mit Spannung den Blog verfolgt, großartig!
    Ihre CD vom K4 liegt übrigens fertig bei mir, geben Sie Bescheid, wenn Sie wieder da sind.
    Beste Grüße und viel Glück!
    Jan Woitas

  2. Ralf Brummer sagt:

    Hallo Olaf, selbst erst vor 48 Stunden aus den Bergen zurück beste Grüße an Dich am anderen Ende der Welt.
    So wie ich Dich kenne, verfolgst Du wieder mit aller Konsequenz Dein Expeditionsziel.
    Die einzig richtige Einstellung, um zum Erfolg zu gelangen.
    Ich drücke Dir weiter beide Daumen!
    Ralf Brummer
    p.s. Tolle Internetseite!

  3. manuela und matthias sagt:

    Hallo Olaf, herzliche Glückwünsche zu Eurer fantastischen Leistung! Wir beneiden Euch um dieses großartige Erlebnis noch mehr, weil derartiges für uns Weicheier unerreichbar bleiben wird. Aber dafür und als kleinen Trost haben wir ja Dich und sicherlich sehr bald einen tollen Vortrag über diese Expedition.
    Für die letzten Tage noch viel Erfolg und vielleicht noch etwas „Urlaub“.
    Gruß M&M.

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