Tortel

Von Coyhaique bis nach Tortel gibt es leider keine direkte Busverbindung wie wir gedacht hatten. Darum mussten wir noch einmal einen Zwischenstopp in einem Ort namens Cochrane einlegen. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass die gesamte Strecke nicht in einem Tag zu schaffen ist, denn die Straßen sind lediglich unbefestigte Schotterpisten. Dennoch waren die Busfahrten ganz phantastisch. Ich liebe es ja, durch ein fremdes Land auf staubigen Straßen mit einem Bus zu fahren. Landschaft und Menschen ziehen an einem vorüber und die Zeit vergeht beim Schauen wie im Flug. Menschen bekommt man hier in Patagonien allerdings kaum zu Gesicht, dafür um so mehr Landschaft. Die geballte Ladung Patagonien sozusagen.

Busfahrt nach Tortel

Die Busfahrten erinnerten mich an Tibet und Nepal. Die Busse waren auch hier vollgepfropft mit Menschen und Gepäck, an dem wir zum Leidwesen aller Businsassen den Löwenanteil hatten.

In Cochrane angekommen, organisierten wir uns erst einmal eine Unterkunft sowie einen Sitzplatz und genügend Stauraum für unser Gepäck in einem Bus nach Tortel für den nächsten Tag. Dann erkundigten wir uns nach Benzin. Das war gestern die mit Abstand wichtigste Aufgabe. Ohne Brennstoff keine Expedition! Doch an die Tankstelle gehen und ein paar Flaschen Benzin abfüllen, ist die schlechteste Variante. Wir brauchten unbedingt reines Wundbenzin, Bencina blanca pura auf spanisch, denn mit normalem Benzin verstopft permanent die Kocherdüse! Aber mit Unterstützung unseres hilfsbereiten Busfahrers hatten wir das Benzin und auch alles andere rasch erledigt.

Zum Feierabend wollten wir auf ein Bier und ein Steak in eine Kneipe. Es war aber gar nicht so einfach, eine in diesem Gott verlassenen Ort zu finden. Es war auch kein Mensch auf der Straße, den wir danach hätten fragen können. Doch das wunderte uns nicht lange. Denn als wir endlich eine Kneipe fanden, sahen wir den Grund. Alle saßen vor dem Fernseher und schauten Fußball. Chile spielte gegen Kolumbien um die WM Qualifikation. Es ging um die Ehre. Bei jedem Tor der Chilenen wackelten die Wände, und Chile schoss gleich vier Stück. Am Ende hieß es 4:2 für Chile und in dem verschlafenen Nest Cochrane war augenblicklich der Teufel los. Ich jedenfalls hab sowas selbst zu Zeiten des Sommermärchens nicht erlebt. Autocorso mit sämtlichen fahrbaren Untersätzen der Stadt, Partys an jeder Ecke, bierselige feiernde Menschen fielen sich in die Arme, selbst wir wurden vereinnahmt. Warum ich das erzähle? Weil das in Cochrane war! Dieser Ort und ein Autocorso, dass passt in meinen Augen so zusammen, wie die Love Parade und Bitterfeld.

Tortel

Tortel ist schon eine Reise wert wegen des Ortes selbst. Hier sagen sich Fuchs und Hase definitiv Gute Nacht. Hier ist die Welt zu Ende.

Heute ging es nun auf die zweite Etappe unserer Busreise von Cochrane nach Tortel. Das sind nur 120 Kilometer, dennoch waren wir abermals den ganzen Tag unterwegs. Der Straßenzustand ließ nun schon sehr zu wünschen übrig, aber das war mir egal. Die atemberaubende Landschaft entschädigte. Urwälder, schneebedeckte Berge, riesige Flusstäler und Seen, unberührt und menschenleer. Patagonien ist genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Auch das Wetter machte hier an unseren ersten beiden Tagen seinem Ruf alle Ehre. Zwischen Sonnenschein und Schneeregen lagen oft nur Minuten. Es ist natürlich windig und ziemlich kühl, trotzdem stehen die Obstbäume in voller Blüte. Der Frühling hält Einzug in Patagonien, auch wenn die Berge rings um uns noch tief verschneit sind.

Tortel ist nun die letzte Station, bevor wir endgültig in die Wildnis aufbrechen. Morgen werden wir versuchen, ein Boot zu finden, dass uns an unseren Ausgangspunkt bringt. Außerdem müssen wir bei den Carabineros vorstellig werden, unser Permit vorzeigen und uns den Ausreisestempel abholen. Doch heute und auch morgen genießen wir noch einmal den Luxus eines Ofens und ein richtiges Bett.

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4 Antworten

  1. Christiane sagt:

    Hallo Olaf,
    drücke euch die Daumen, dass sich der positive Start nun auch fortsetzt.
    Christiane

  2. Jörg sagt:

    Lieber Olaf, lieber Georg,

    schön, dass es nach dem ungünstigen „Startszenario“ jetzt so gut läuft. Manchmal sind ja die Schwierigkeiten, die die „Zivilisation“ uns bereitet schwieriger zu überwinden, als die in der „Wildnis“. Da ihr die ersteren so gut meistern konntet wünsche wir euch ebenso gutes Gelingen in den nächsten Wochen. Unsere Gedanken sind bei euch. Es grüßen Ina+Jörg
    PS: die Bilder sind wunderschön und beeindruckend

  3. Veronica sagt:

    Kaum ist man drei Tage von der Außenwelt abgeschnitten (in einer Skihütte (ohne Schnee) im Schwarzwald ohne Radio, TV, PC-Anschluss), schon gibt’s bei der Rückkehr allerhand Neues in Sachen „Patagonien“. Schön!!! Aber … was macht „der Fuss“???

  4. Daniel sagt:

    Sehr nette Seite und gute Berichte. Ich liebe diesen Teil Argentiniens. Sehr schön! Ich wünsche euch viel Erfolg und Glück.
    Saludos y suerte
    Daniel

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