Nepal in Not

Es ist nur schwer vorstellbar, was gerade in Nepal geschieht. Und das obwohl wir ja auch unsere Erfahrungen mit dieser Pandemie haben. Schon Anfang Mai kollabierte das marode Gesundheitssystem in Nepal. Buchstäblich von einem auf den anderen Tag begann sich ab Mitte April die indische Variante des Coronavirus explosionsartig in Nepal auszubreiten. Die Kurve der Infektionszahlen stieg noch steiler an als in Indien selbst.

Im Mai wurden zwischen 7000 und 9000 Neuinfektionen täglich gemeldet. Doch das Institut für Gesundheitsmetrik der Universität von Washington in Seattle berechnete wegen der geringen Testkapazitäten noch viel höhere Infektionszahlen. Auch die Zahl der Coronatoten in Nepal soll bis zu vier Mal höher sein, als offiziell gemeldet wird, schätzt das Institut. Nach den Berichten meiner nepalesischen Freunde starben und sterben die Menschen noch immer zu Hunderten auf ihrer Odyssee von einem überfüllten Krankenhaus zum nächsten. Tag für Tag!

Wie prekär die Lage im Gesundheitswesen Nepals ist, verdeutlichen ein paar wenige Zahlen: In Deutschland versorgt momentan ein Arzt 211 Einwohner, in Nepal sind es 1540 Einwohner pro Arzt. In Deutschland gibt es 1925 Krankenhäuser mit knapp 500000 Betten. Das macht ein Bett pro 160 Einwohner. In Nepal steht ein Krankenhausbett pro 1000 Einwohner sowie ein intensivmedizinisches Bett für 18800 Einwohner zur Verfügung. In Deutschland gibt es pro 2900 Einwohner ein solches Bett. Während der Coronakrise wurden in Deutschland 20000 Beatmungsgeräte zusätzlich angeschafft. In Nepal verteilten sich vor der Pandemie 480 solcher Geräte auf 30 Millionen Einwohner!

Und wer nur einmal ein staatliches nepalesisches Krankenhaus von innen gesehen hat, der wird sich vermutlich nie mehr über deutsche Krankenhäuser beschweren.

Keine Kapazitäten mehr an den traditionellen Verbrennungsplätzen. (Foto: Narendra Shrestha/EPA)

Leider ist das komplett überforderte Gesundheitssystem nicht das einzige Problem, welches Nepal mit diesem Virus bekommen hat. Das Land hat drei Haupteinnahmequellen, wenn wir mal von dem Geld absehen, welches im Ausland arbeitende Nepalesen nach Hause schicken. Doch damit kann der Staat keine Krankenhäuser bauen. Die wichtigste Einnahmequelle Nepals ist nach wie vor der Tourismus. Danach kommt der Teppichexport und schon an dritter Stelle folgt die Entwicklungshilfe.

Meine Gruppe unterwegs im tiefverschneiten Khumbu-Gebiet. Im Hintergrund eine der Kronjuwelen Nepals, die 6856 m hohe Ama Dablam mit ihrer Westflanke.

Als 2015 die Erde bebte, mehr als 9000 Menschen ums Leben kamen und etwa 70 Prozent der kulturell wertvollen Bausubstanz beschädigt oder zerstört wurde, machten sich meine Partner und Freunde in Nepal große Sorgen wegen des Einflusses auf den Tourismus. Denn ein Ausbleiben der Touristen wäre gleich die nächste Katastrophe gewesen. Die Existenz zu vieler Menschen und ganzer Regionen hängt in Nepal direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Doch die Nepalesen sind Meister in der Bewältigung von Problemen. Das ist sozusagen ihr tägliches Brot. Schon zur Herbstsaison 2015 waren die Besucherzahlen fast schon wieder auf Vorjahresniveau.

Unser Fahrer kannte sich aus mit seinem Bus. Wie er die kaputte Kardanwelle nach zwei Stunden wieder hin bekommen hat, bleibt sein Geheimnis.

Doch diesmal ist das anders. Ganz anders! Die schlimmsten Befürchtungen bezüglich des Tourismus sind Wirklichkeit geworden. Leider muss man konstatieren, dass die Herbstsaison 2020 komplett und die Frühjahrssaison 2020 und 2021 zum großen Teil ausgefallen ist. Auch in der Herbstsaison 2021 wird das weitgehend wieder so sein, denn in Nepal sind derzeit nur 2 Prozent der Bevölkerung geimpft, so dass sich Nepal weiterhin vor der Einschleppung des Virus schützen muss.

Das wird sich vorerst noch sehr ungünstig auf die Motivation von Nepalreisewilligen auswirken. Denn wer will schon gern vor Reiseantritt in Quarantäne oder gar vor einem geschlossenen Flughafen stehen? Die Angst vor solchen Szenarien wirkt sich also weiterhin negativ auf die Besucherzahlen aus. Diese Zahlen werden nach meiner Einschätzung auch nie wieder das Vorcoronaniveau erreichen. 

Gedränge im März 2020 vor dem Eingangstor des kleinen Flughafens in Lukla. Alle wollten nur noch eins: Zurück nach Hause, egal wie!

Ein Grund dafür ist die durch die Pandemie verstärkte Tendenz, sich eine Fernreise drei Mal zu überlegen. Ich selbst merke das auch sehr deutlich bei meinen eigenen Nepalgästen. Der immer offensichtlicher zu Tage tretende Klimawandel tut sein übriges. Die schwierige Situation des Tourismus in Nepal wird sich also verstetigen.

Nun könnte man argumentieren, dass dies ja auch eine gute Seite hat. Fernreisen sind nun mal Gift für das Klima. Ein Strukturwandel müsste her in Nepal. Doch Nepal liegt mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung von 1079 $ (2019) auf dem 167. Platz und gehört damit zu den ärmsten Ländern der Welt (Deutschland pro Kopf 46473 $). In einem Land wie Nepal ist das so einfach eben nicht zu machen. Die Abhängigkeit von Entwicklungshilfen wird also  immer weiter zunehmen.

Ein kleines Mädchen in Solukhumbu mit ihrem einzigen Spielzeug: Zigarettenstummel und alte Batterien.

Vor allem für uns, die wir diesem Land und seinen Menschen so viel zu verdanken haben, wird Hilfe zur Pflicht. Einen kleinen Beitrag dazu möchte der tapir im Rahmen seiner ENDLICH RAUS! Aktionstage vom 11. bis 19. Juni leisten.

Leipzigs führender Bergsportausrüster veranstaltet deshalb am Montag, den 14. Juni eine Hilfsaktion für Nepal und spendet an diesem Tag 5 Euro pro Einkauf an Nepalmed e.V.. Das ist ein in Grimma ansässiger Verein, der seit über 20 Jahren eine unglaublich wertvolle und vor allem sehr effektive Arbeit in Nepal leistet. Unter vielem anderen betreibt Nepalmed e.V. ein Krankenhaus in Amppipal.

Das von Nepalmed e.V. betriebene Krankenhaus in Amppipal.

Ab 15.00 Uhr wird Arne Drews, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, im tapir als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Ich werde auch da sein, um Arne zu unterstützen, wenn es um Fragen zum Trekking und Bergsteigen in Nepal geht. Um 20.00 Uhr zeige ich dann meinen Nepalvortrag „Königreich der Götter“. Der Eintritt dazu ist frei aber Spenden sind natürlich herzlich willkommen. Eine Anmeldung im tapir entweder telefonisch oder per Mail für den Vortrag ist erforderlich.

Der tapir, Arne und ich freuen uns auf viele großherzige Besucher. Ich zähl auf Euch!

 

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9 Antworten

  1. Helmut Hartmann sagt:

    Hallo Olaf, dein Bericht über die aktuellen Zustände in Nepal schockieren mich – leider war die Katastrophe aber vorhersehbar. Solange die reiche Welt sich nicht endlich dazu durchringt die armen Länder bei der Bekämpfung der Pandemie zu integrieren, werden solche schlimmen Entwicklungen an der Tagesordnung bleiben. Auch wenn wir als Touristen einen finanziellen Beirtag zum Bruttoinlandsprodukt beisteuern, ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und wir sind leider auch Teil dieses Problems. Mit unserer Arroganz mit der wir diese Länder behandeln und bereisen verbessern wir nicht wirklich etwas dort. Die Menschen dort sind nicht vorbereitet auf unsere „großartige und überlegene westliche Kultur“ (das bitte ironisch betrachten)…
    Bezogen auf die jetzige Pandemie bedeutet dies, dass es immer wieder Mutationen durch fehlerhafte oder unvollständige Reproduktion der Viren geben wird solange die Menschen dort nicht geimpft, die Infrastuktur im Gesundheitswesen miserabel ist und wir unsere eigenen politischen Interessen dort durchsetzen wollen. Es ist traurig, wohl aber in der Natur des Menschen dass er nur immer an sich selbst denkt.

    Trotzdem, Hut ab vor Deinem und dem Engagement von Nepalmed für das Land unserer Träume.

    Viel Erfolg!

    Helmut
    PS: Gibt es eigentlich sowas wie ein Spendenkonto damit Leute die nicht vor Ort sein können einen kleinen Beitrag leisen können?

  2. Uli Mathie sagt:

    Erschütternd. Mein Beitrag habe ich soeben überwiesen.

  3. Veronica sagt:

    Da ich am 14. Juni nicht dabei sein kann, überweise ich auch etwas. Ich bin überzeugt, dass das Geld bei Nepalmed e.V. in den besten Händen ist.

  4. Oliver sagt:

    Kann leider nicht da sein,bin gerade in Arco.Viel Erfolg an diesen Tagen für euch.Überweisung geht umgehend raus.Berg Heil Olli

    • Olaf Rieck sagt:

      Hallo Oliver, vielen Dank für Deine Unterstützung und natürlich noch viel Spaß in Arco und immer eine Handbreit Luft unter dem Hintern!

  5. Olaf Rieck sagt:

    Der Nepal-Aktionstag im tapir hat 1000 € eingebracht! Ein tolles Ergebnis, welches alle Erwartungen weit übertroffen hat! Herzlichen Dank für Eure Hilfsbereitschaft und einen besonderen Dank an die tapire für Euren großartigen Einsatz!!

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