Déjà-vu

Bevor ich über Hochlager, die auf ihre Heimholung warteten, Träger, Pässe und den Berg mit dem berühmten Hundenamen berichte, brennt mir etwas anderes unter den Nägeln.

Mit meinen Berichten auf meiner Homepage läuft das so. Ich schreibe in ein spezielles Programm, welches mit einem Satellitentelefon kommunizieren kann, eine etwas komplizierte, weil vorformatierte Mail.

Diese sende ich dann mittels des Telefons an das Programm, über welches meine Homepage programmiert ist. Und dieses Programm stellt dann automatisch die News auf meine Seite ein. Allerdings klappt das noch nicht ganz reibungslos, so dass ein Mensch zu Hause am Rechner noch nacharbeiten muss. Das macht derzeit meine Freundin. Als Dankeschön dafür muss ich mir noch etwas besonderes einfallen lassen 🙂 .

Was aber ganz ohne menschliches Zutun automatisch durch das Programm funktioniert, ist dass Zusenden der Kommentare an den Absender der News- Beiträge. Ich kann hier selbstverständlich nicht ins Internet, aber Kommentare lesen (nicht aber schreiben) kann ich schon. Das ist ein tolles Privileg, welches ich Alexander Graeber zu verdanken habe, der mir das alles hier eingerichtet hat.

Wir hier haben uns natürlich sehr über die große Anteilnahme, die vielen Glückwünsche und natürlich auch die aufmunternden Worte für Jacob gefreut. Für mich persönlich ist dieses Wissen um die vielen Mitfiebernden eine nicht zu unterschätzende Kraft. In den letzten Tagen waren es täglich bis zu 1000 Leute, die wissen wollten, wie es uns geht und die uns die Daumen gedrückt haben.

Das hat jetzt ein Ende. Insgesamt haben wir zehn Mal den von Tag zu Tag gefährlicher werdenden Gasherbrum-Eisbruch im Auf- bzw. Abstieg und immer mit einer zu großen Last auf dem Rücken überwinden müssen. Einmal haben wir es für Film- und Fotoaufnahmen „freiwillig“ gemacht. In den letzten Tagen war das nur noch nachts möglich.

Wenn mir da oben in der Todeszone die Eiskristalle wie mit einem Sandstrahlgebläse ins Gesicht geschossen werden, wenn ich glaube, keinen Schritt mehr gehen zu können, und ich das Gefühl habe, die Atemnot zerreiße mir jeden Augenblick die Lunge, dann erzeugt auch der Gedanke an die vielen wohlwollenden News-Leser neuen Auftrieb und lässt mich dann doch weiter und weiter steigen.

Man kann vieles mehr mit einer solchen Kraft im Rücken schaffen als ohne sie. Vielen Dank von uns dreien für diesen „Rückhalt“ im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sehen uns alle wieder beim Vortrag, für den ich schon jetzt atemberaubende Bilder verspreche.

Seit gestern sind wir nach dem Abbau des zweiten Hochlagers wieder im Basislager. Wir hatten uns nur einen Ruhetag nach dem Gipfel gegönnt, und das war eindeutig zu wenig. Der 1400-Meter-Aufstieg ins Lager 2 und dann am nächsten Tag der Abstieg mit den Riesenrucksäcken durch den Eisbruch zählt sicher zum forderndsten der ganzen Tour.

Während der gesamten Besteigung des Hidden Peaks hatten wir den Gondogoro-Pass und den Laila Peak immer im Hinterkopf. Wir haben uns auch deshalb beeilt und uns bemüht, die verlorene Woche wieder aufzuholen, um uns die Chance auf unser zweites Ziel zu wahren.

Doch nun geht dieses Trägerdilemma von vorne los. Am K2 haben alle außer einer Expedition ihre Zelte abgebrochen. Seine Besteigung erscheint dieses Jahr wegen des vielen Schnees als zu gefährlich. Auch am Broad Peak wird zusammengepackt. Alle wollen nun wieder heim und adsorbieren da vorne sämtliche Träger. Bis zu uns hier ganz hinten noch zwei Tagesmärsche von Concordia entfernt, werden buchstäblich keine durchgelassen.

Unser zweites „Storm-King“-Zelt wird ausgegraben. Es hat den wochenlangen Aufenthalt im Lager 2 sehr gut überstanden. Der Grund ist aber völlig klar. Es war ein älteres Modell mit einem guten, alten Alugestänge. Das neuartige Carbongestänge im Lager-1-Zelt taugt nichts. Ein Segment zerbrach schon beim Zeltaufbau!! Außerdem hatten wir das Lager-2-Zelt fast einen Meter in den Schnee eingegraben, weil das Lager 2 zwischen zwei 8000ern extrem windexponiert ist.

Doch ohne Träger wird es keine Überquerung des Gondogoro-Passes geben. Und nur etwa ein bis zwei Tagesmärsche dahinter liegt das Basislager des Laila Peaks. Theoretisch könnten wir von hier aus in wenigstens drei, höchstens vier Tagen dort sein und alles wäre gut. Wir hätten genug Zeit für einen ernsthaften und auch nicht überhasteten Versuch.

Doch so wird es definitiv nicht laufen. Maultiere sind bestellt. Wenn sie nicht auch von den vor uns liegenden Basislagerbewohnern abgefangen werden, treffen sie morgen Abend bei uns ein. Wir werden dann in einem fünftägigen Gewaltmarsch über den Baltorogletscher, also unserer Anmarschroute, nach Askole laufen und noch am Abend des 31. Juli mit den Jeeps nach Skardu fahren.

Am nächsten Tag fahren wir dann weiter in das Hushe-Tal und trekken dann, uns wieder Gewalt antuend in nur einem einzigen Tag ins Basislager des Laila Peaks.

Nehmen wir einmal an, dieser Plan wird trotz aller Unwägbarkeiten so funktionieren, dann hätten wir auf diesem Weg zwar genau doppelt so lange für unseren Anmarsch ins Basislager des Laila benötigt als über den Pass, bewahren uns aber die Chance auf den Laila, denn Zeit für einen Besteigungsversuch wäre tatsächlich immer noch. Nur erholsam und motivierend wird dieser Basislagerwechsel sicher nicht.

Heute (25.07.) hat das große Packen begonnen. Wir sind echt glücklich über unser Messzelt mit Teppich und Plastestühlen. In meiner dreißigjährigen Expeditionspraxis gab es so ein komfortables Messzelt noch nie. Offensichtlich will man mich mit diesem Premiumservice davon überzeugen, dass es doch eine gute Idee wäre, noch einmal mit der ein oder anderen Trekkinggruppe zurückzukehren.

Das ist die Situation, wie sie sich uns derzeit bietet. Ein interessantes Detail ist in diesem Zusammenhang, dass sich das Wetter ab morgen nun doch noch einmal komplett in die Gegenrichtung der vergangenen 25 Tage entwickelt. Es wird also auf unserem Rückmarsch nach Askole tagelang regnen. Davon können wir fest ausgehen.

Es wird für mich persönlich spannend werden, zu sehen, wie und ob überhaupt ich mir unter diesen Umständen meine Motivation für den Laila werde erhalten können. Er ist ja für mich im Rahmen meines Projektes, einige der schönsten Berge der Welt zu besteigen, ein sehr wichtiges Ziel. Trotzdem könnte ich jetzt gut ein paar Tage Urlaub gebrauchen, anstatt die kommenden acht Tage hardcore Eilmärsche zu absolvieren.

Aber so ist das eben, in den Bergen wohl noch mehr als im richtigen Leben: Es kommt meist anders als man sich das wünscht.

Ob und wie unsere nun mehr aktuellen Pläne und Wünsche in Erfüllung gehen werden, weiß von uns hier niemand. Aber ich werde versuchen, mich von unterwegs zu melden und in Skardu gibt es ja sogar Internet, zumindest für einen kurzen Tag.

Wie schrieb doch eine Kommentatorin unter die News „Aller guten Dinge“ sinngemäß? Man muss sich im Leben wohl zwangsläufig entweder für „Haben“ oder „Sein“ entscheiden. Mehr „Sein“ als wir hier gerade erleben, genießen, aushalten, geht nicht.

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4 Antworten

  1. Lydia Rudolph sagt:

    Versucht es auf jeden Fall. Natürlich ist der Gedanke an einen Rückweg über den Baltoro nicht sehr motivierend. Denkt einfach dran, mit jedem Meter, den es abwärts geht, kommt auch Erholung. Ich denke, Ihr würdet es bitter bereuen, wenn Ihr es nicht versucht. – Viel Glück!

  2. Veronica sagt:

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr „Urlaub macht“, statt zu versuchen den Laila Peak zu bezwingen. Ihr MÜSST es versuchen, sonst werdet ihr es immer bereuen es nicht versucht zu haben. Ich drücke jetzt erst einmal die Daumen, dass die Maultiere bald erscheinen!
    Liebe Grüße an euch drei, Veronica

  3. Christian Pech sagt:

    Ich kann mich nur Veronica anschließen. Olaf, ich kenne Dich nun lange genug um zu wissen, dass Du eine eventuelle Chance am Laila nutzen wirst. Und wenn es für Euch alle drei klappen sollte, wäre es ein krönender Abschluss für diese Tour. Ich drücke die Daumen!
    Nun aber noch meine herzlichen Glückwünsche zum G1. Es freut mich sehr, dass Du den Sack abnehmen konntest. Auch für Sven freue ich mich über seinen ersten 8000er. Ihr habt alle drei zusammen alles gegeben. Schade nur, dass Jacob nicht auch mit dem Gipfel belohnt wurde. Aber der Berg rennt ja nicht weg.
    Viele Grüße an Euch, Christian

  4. Holger Weigelt sagt:

    Oh Mann, Euch beutelt es dieses Mal aber ganz schön! Ich drücke alle Daumen die ich habe. Jungs haut rein.
    Viel Glück.

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