Ein Bild geht um die Welt

Ein einziges Bild bewirkt mehr als 1000 Worte. Und ich war wirklich überrascht, wie oft ich darauf angesprochen wurde und vor allem, was man dazu zu sagen hatte. Und ich habe mich darüber gefreut. Denn offensichtlich geht es schneller als ich annahm. Am 24. Oktober vergangenen Jahres veröffentlichte ich den bisher mit Abstand meistgelesenen Artikel von den knapp 600, die ich in den letzten 20 Jahren hier eingestellt habe. Zigtausend Leute haben ihn überraschenderweise gelesen.

Er hieß das Furtenbach Prinzip. Der Grund für mein Aktivwerden war ein Artikel in der von mir inzwischen nicht mehr ganz so sehr geschätzten Zeitschrift „bergundsteigen„. Ich fand nicht gut, dass dieser Art von „Alpinismus“ dort dermaßen viel Raum gegeben wurde. Ich will hier auch nicht noch einmal alles wiederholen was ich dazu schrieb.

Die Kernaussage war, dass ich mich enorm darüber wunderte, dass Leute tatsächlich auf Furtenbachsche Weise den höchsten Berg der Welt erklimmen wollen und dann auch noch fast 100000 € dafür bezahlen. Wenn alles, was das Expeditionsbergsteigen an einem großen Berg schwierig und anstrengend macht, nicht von mir selbst sondern von Sherpas erledigt wird und ich den Achttausender durch meine Sauerstoffmaske dann zusätzlich auch noch zu einem Sechstausender degradiere, wie zwergenhaft muss dann der Anspruch an mich selbst und meine Leistung sein, wenn ich trotzdem ganz öffentlich für mich in Anspruch nehme, einen solch gewaltigen Berg tatsächlich bestiegen zu haben.

Südostgrat am Everest kurz vor dem Gipfel. Quelle: Nirmal Purja/Nimsdai Project Possible/AP/dpa

Das funktioniert aber nur solange, solange man sich damit nicht lächerlich macht. Und genau das ist jetzt passiert. Zumindest ist das mein Eindruck. Ich übertreibe nicht. Zwanzig oder dreißig Leute, die nichts mit Bergsteigen zu tun haben, die sich nicht auskennen und die immer große Ehrfurcht hatten, wenn sie den Namen Everest hörten, konnten nicht glauben, was auf diesem Foto zu sehen ist. Dabei gibt es das Problem des Massenandrangs an den neuralgischen Punkten der beiden Normalrouten am Everest dokumentiert durch hunderte Fotos und Dutzende Bücher schon seit etwa 25 Jahren.

Doch dieses eine Foto hat es nun geschafft, buchstäblich alle zu erreichen, und so den Nimbus der Flaschensauerstoff atmenden „Everest-Eroberer“ mit ihren Personalsherpas empfindlich zu ramponieren. Allenthalben lustig wurde sich darüber gemacht, was es aber nicht ist, auch wenn es so aussieht, wenn Leute im Gänsemarsch den höchsten Berg der Erde „erklimmen“. Elf Tote sind nicht lustig. Und die gab es nach Aussagen verschiedener Zeugen vor Ort vor allem deshalb, weil Menschen den Weg versperrten, die völlig überfordert waren, technisch als auch körperlich. Die dort einfach nichts zu suchen hatten.

Das härteste was es überhaupt gibt: Spuren in über 6000 m Höhe in hüfttiefem Schnee. Hier auf dem endlosen Weg vom Lager 1 auf den Gasherbrumsattel zum Standort des zweiten Hochlagers in 6400 m Höhe.

Ich würde mich darüber freuen, kehrte man wieder dahin zurück, dass man sich mit fairen Mitteln den Herausforderungen der Natur stellt. Wir werden das jetzt bald in Pakistan am Laila und am Hidden Peak tun. Genauso wie bei meinem letzten Versuch an diesem Berg 2012. Da waren mein Partner und ich vollkommen allein an diesem Gipfel. Deshalb haben wir uns total aufgerieben beim Einrichten der Lager und dem Versichern des gefährlichen Japaner Couloirs auf der Nordseite des Berges. Keiner der mit uns spurte, mit dem wir uns ins Seilverlegen rein teilen konnten. Wir trugen alles selbst und zusätzlicher Sauerstoff ist sowieso völlig abwegig. Dann könnten wir gleich zu einem niedrigeren Berg gehen.

Als alles für den Gipfelgang bereit war, kam ein Wettersturz, es schneite tagelang ununterbrochen, die Lawinengefahr wurde übergroß, und wir waren augenblicklich geschlagen. Das Wetter wurde auch nicht wieder besser bis uns die Träger aus dem Basislager abholten. Hätten wir nur einen einzigen Hochträger gehabt, nur einen, hätten wir wesentlich schneller am Berg agiert und ganz sicher vor dem finalen Wettersturz unsere Chance bekommen. Ein moderner Everestbezwinger hat heute ein oder sogar zwei Personalsherpas, die nur für ihn da sind, die ihm die Kamera, den Reservesauerstoff, die Trinkflasche tragen und auf Wunsch auch reichen. Die ihn ans kurze Seil nehmen und den Berg hinauf ziehen. Seile, Hochlager, Spur all das ist sowieso kein Thema. Denn das dies alles fix und fertig ist, wenn der zahlende Gast kommt, versteht sich von selbst.

Nach dem Wettersturz waren die Zelte im Lager 1 so gut wie weg.

Als ich vom Hidden Peak wieder Zuhause ankam, gab es viele, die uns trösteten aber es gab auch viel Häme! Sogar in der Zeitung echauffierten sich Leute über mich. Das muss man dann aushalten. Denn es geht hier nicht darum, was die anderen denken, sondern um mich und meinen Anspruch an mich selbst. Denn viel wichtiger als den Berg erfolgreich zu bezwingen, ist die Art und Weise WIE wir das tun. Es darf nicht darauf ankommen, unser Ziel unter allen Umständen und um jeden Preis zu erreichen. 

Ich werde nun ein drittes Mal an den Hidden Peak fahren. Und ich werde wieder auf Hochträger, künstlichen Sauerstoff und eine präparierte Route verzichten und deshalb womöglich ein drittes Mal scheitern. Das wäre ganz schrecklich. Doch Fährnis gegenüber dem Berg, wird trotzdem mein oberstes Gebot bleiben. Das verspreche ich!

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5 Antworten

  1. Lars Medeck sagt:

    Man könnte meinen, du pflegst hier eine Fehde mit Herrn Furtenbach. Ich bin der Überzeugung, er ist sicher nicht der Einzige am Markt. Was ist mit den LowBudget-Agenturen in Nepal oder den großen amerikanischen Anbietern. Über die könnte man sich (in fairer Weise dem Einzelnen gegenüber) ebenso aufregen. Deine Meinung in allen Ehren…kommerzialisiert wurden die Berge durch jeglichen Tourenanbieter, ob kleine oder große, ob ECO-Tourismus oder auf Masse.

    • Olaf Rieck sagt:

      Vielen Dank für Deinen Kommentar. Du hast natürlich absolut Recht. Die Kommerzialisierung am Everest hat lange vor Lukas Furtenbach begonnen, und er ist nur ein kleiner Fisch. Und doch treibt er sie auf die Spitze und ist tatsächlich stolz darauf, dass seine Klienten nach ihrem Gipfelgang aussehen, als kämen sie aus dem Büro. Offensichtlich gibt es Leute, die genau das wollen. Und dort liegt der Hund begraben. Er befriedigt dieses Bedürfnis und macht das sehr professionell. Mich treibt das Bedürfnis selbst um nicht Herr Furtenbach. Also keine Fehde, nur eine Meinung auf einer privaten Homepage.

  2. Claudia Friedrich sagt:

    Danke Olaf für Deine geradlinige Stellung zur einem derart gearteten Massentourismus auf den Gipfel der Welt.
    Genau der Anspruch an sich selbst, mit eigenen Mittel und Möglichkeiten den Gipfel zu erreichen, ist und war immer das Ziel des Bergsteigens. Wir bezwingen nicht den Berg sondern uns selbst und sollten deshalb genau wissen, wo unsere Grenzen sind und diese auch akzeptieren.
    Das wird mit einem derartigen Bergtourismus völlig vergessen.
    Danke das Du daran erinnerst, was wirklich zählt.

    • Marko sagt:

      Die Grenzen des menschlichen Körpers sind auf diesen Bergen ohnehin weitgehend überschritten. Wenn es danach geht, hätten wir Menschen dort nichts zu suchen. Kein Mensch steht auf dem Everest ohne Zuhilfenahme von Dingen, die unseren Körper vor den Bedingungen dort schützen. Wenn Sie also ihre Grenzen suchen, bleiben sie in den heimischen Bergen. Denn der Flug nach Nepal, ist letztlich auch ein Hilfsmittel…und umweltschädlich dazu. Oder aber, man denkt nicht zu viel darüber nach – und macht es einfach – und hat Spaß.

  3. Jens Klawonn sagt:

    Aber Olaf, das ist der normale Wahnsinn auf dieser Welt. Das trifft auf Apnoetaucher, Marathonläufer oder halt Bergsportler gleichermaßen zu. Und genau das hat die Welt, die Menschheit, in jeglicher Hinsicht dorthin gebracht, wo sie jetzt steht…

    Ob das „gut“ oder „schlecht“ ist, wage ich nicht zu beurteilen.

    Es hat und wird im Grunde niemand fragen: wie ist derjenige auf einen Achttausender gekommen? Am Ende zählt nur die Antwort: bist du bis zum Gipfel gekommen oder nicht?! Bist du tot oder lebst du noch?! Das war 1953 so und wird immer so bleiben.

    Viel wichtiger ist und bleibt, dass derjenige für sich schafft, was er will, was er kann. Das er in Extremsituationen möglichst gesund, am Leben bleibt. Die Kraft aufbringt, auch nein zu sagen.
    Denn was an diesen Orten geschieht, wird sich in seiner Gesamtheit ohnehin niemand vorstellen können, der es nicht genauso erlebt, gefühlt hat.

    Aber ich finde es toll, dass es solche Zeitgeister wie Dich gibt. Das sie es „durchgezogen“ haben. Die nicht nur von ihren Träumen zehren. Die einfach oder besser, eben nicht einfach, losgegangen sind und uns im Nachhinein dabei, z.B. mit Vorträgen, ein stückweit mitnehmen.

    In diesem Sinne, alles Gute für eure Expedition, viel Glück, denn das werdet Ihr (auch) brauchen.
    Kommt alle zurück und ich freue mich bereits jetzt, auf deine neue Multimediashow über die Expedition Hidden Peak 2019.

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