Das Furtenbach Prinzip

Es gibt Diskussionen, die man eigentlich gar nicht erst führen sollte. Aber manchmal muss man eben auch Stellung beziehen. Zu groß ist die Plattform, die Lukas Furtenbach inzwischen gegeben wird. Jetzt sogar in der neuesten Ausgabe von bergundsteigen. Ich habe dieses Magazin immer sehr geschätzt. Also ein paar Mal Ein- und wieder Ausatmen zur Entspannung bevor ich losschreibe.

Die Größe und Erhabenheit dieses gewaltigen Berges spüren, Land und Leute kennenlernen, auch die, welche die Gefahren und die Leiden auf sich nehmen, die Lager einzurichten, die Seile zu verlegen und mit einem zum Gipfel gehen. Und nicht zu Letzt schlechtes Wetter auszusitzen. Dazu braucht man wesentlich mehr als drei Wochen einschließlich An- und Abreise!

Die „erste signifikante Innovation im klassischen Expeditionsbergsteigen seit 40 Jahren“ reklamiert der Mann für sich und meint, dass auf Grund seiner bahnbrechenden Ideen in 5-10 Jahren niemand mehr zwei Monate an einem Achttausender verbringen wird. Und schon gar nicht am Everest. Und hoffentlich hat er da sogar Recht. Aber bitte aus anderen Gründen als er sich das denkt.

Im Mai diesen Jahres haben alle Teilnehmer seiner 2014 gegründeten Agentur Furtenbach Adventures den Gipfel des Everest erreicht und zwar in 20 Tagen ab Europa. Das ist fürwahr schnell und für ihn und die Teilnehmer ein großer Erfolg. „Everest Flash“ hat er das genannt und von den Teilnehmern 95000 Euro erbeten, die sie offensichtlich ganz freiwillig auch bezahlt haben. Ich gratuliere! Was sind das doch für Helden und vor allem was für Glückspilze!

Es ist schon ziemlich kuschelig im Everest-Basislager. Jedenfalls bekommt man hier wenigstens mit, wenn der Kollege im Nachbarzeit vom Khumbuhusten geplagt wird.

Ich will hier gar nicht fragen, was denn geschehen wäre, wenn in diesem Minizeitfenster mieses Wetter die schönen Pläne zunichte gemacht hätte. Gäbe es in diesem Falle Geld zurück? Der ganze teure Sauerstoff wäre ja nicht angerührt worden? Und der wird ja nicht schlecht. Die Sherpas bekommen vor allem Geld fürs Tragen. Das hätten sie aber nicht zu tun brauchen. Also bei schlechtem Wetter spart Furtenbach einen Haufen Kohle. Na ja egal.

Logisch, dass man sich für „Everest-Flash“ schon zu Hause akklimatisieren muss. Anstatt im Basislager oder auf einer Akklimatisationstour im Angesicht der Weltberge und des Sternenhimmels im Himalaya kann man das jetzt vor dem Fernseher in einem Zelt in seinem Wohnzimmer tun. Es gibt scheinbar Leute, die das wirklich wollen. Die neuesten Systeme erlauben die Simulation von Höhen bis 8000 m. Und da der Luftdruck bei der ganzen Sache eine untergeordnete Rolle spielt, funktioniert das auch, wie nun bewiesen ist. Ebenfalls ein großer Erfolg für das Furtenbach-Prinzip.

Er hier hat sich auch schon ganz episch am Everest verzockt. Aber wenigstens hat ihn das weltberühmt gemacht. Allerdings hat das Kind, mit dem seine Frau damals schwanger war, seinen Vater nie kennengelernt.

Und natürlich müssen die Leute auch am Berg sehen, wo der viele Zaster bleibt. Es gibt bei Furtenbach ZWEI statt wie sonst üblich einen Personalsherpa, welche die ganze Zeit ausschließlich einem einzigen Klienten dienen. Flaschen-Sauerstoff ist so reichlich vorhanden, dass der „Bergsteiger“ die Flussrate theoretisch auf acht Liter pro Minute über die gesamte Besteigung erhöhen kann. Dazu gibt es die gleiche Menge noch einmal als Redundanz. Oh Mann, wieviele Flaschen da den Berg hinauf geschleppt werden müssen. Das soll aber gleich das Doppelte kosten wie üblich?

Einen Tag nach ihrem Gipfelgang sind die Helden des Everest wieder im Basislager. Ich zitiere: „Gesund und ohne jegliche Blessuren schauen die Teilnehmer eher aus, als würden sie gerade aus dem Büro als von einem Gipfelgang am Mount Everest kommen.“ Echt? Das will ich von jetzt ab auch! 

Na, das sieht nicht nach einem Tag im Büro aus. Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen, wie ich mich bei diesem Selfie gefühlt habe.

In was für einer seltsamen Welt leben wir? Menschen wollen großartige Dinge tun, ohne in Kauf zu nehmen, das großartige Dinge nur durch besondere Leistung zu haben sind. Wenn das nämlich nicht so ist, dann sind es keine großartigen Dinge. Dann kann das jeder und diese großartigen Dinge sind ganz einfach nichts mehr wert. Ist doch ganz leicht zu verstehen.

Alles was den Everest ausmacht, alles was das Höhenbergsteigen zu einer Tätigkeit erhebt, die man nur durch bestimmte Eigenschaften tun kann: Härte, Willenskraft, Fleiß, Disziplin, Leidensfähigkeit, spielt bei Furtenbach keine Rolle mehr. Man richtet keine Lager ein, verlegt keine Seile, trägt seine Sachen nicht selbst, hat gleich zwei Sherpas dabei, die einen zur Not auch tragen, atmet soviel Flaschensauerstoff, dass man am Gipfel sogar einen Veitstanz aufführen kann.

Was bitte soll das für einen Sinn haben? Es ist lächerlich, ganz einfach. Es wird nicht erst in zehn Jahren so sein, dass kein Mensch mehr irgendeinen Respekt vor der „Leistung“ hat, den Everest auf diese Weise zu besteigen. Also wirklich, da verdient jeder, der sich jahrelang vorbereitet und dann den Marathon über die volle Distanz durchsteht, wesentlich mehr Anerkennung. Das schaffen nicht alle! Aber auf den Everest kommt auf diese Weise tatsächlich jeder untrainierte Amateur, wenn er nicht blöderweise vom Eisschlag erwischt wird.

Besser kann man die Situation am Everest nicht veranschaulichen: Die Sherpas bauen den Klienten eine Treppe, damit sie unfallfrei vom Mess- oder Fernseh- oder Saunazelt auf die Toilette und wieder zurück kommen. Armer Everest, Du hast andere auf Dir verdient!

Herr Furtenbach hat sich Gedanken darüber gemacht, warum Leute fast 100000 Euro ausgeben, um auf dem höchsten Berg der Erde zu stehen, welcher nun leider endgültig zu einem Schatten seiner selbst degradiert wird. Es sei das Ego der Leute sagt er, welches sie das Portemonnaie zücken oder das sie vor Erschöpfung an einem großen Berg ganz ohne Sauerstoff und Sherpasupport verrecken lässt. Das mag häufig schon so sein. Allerdings kenne ich persönlich viele großartige Bergsteiger und Persönlichkeiten, bei denen das nicht so ist. Freude an der eigenen Leistung, ein hoher Anspruch an sich selbst, eine tiefe Leidenschaft für die Berge usw. sind sehr viel stärkere Triebkräfte als das Ego.

Aber ich glaube dennoch, dass genau hier der Hund begraben liegt. Wenn das Ego nicht mehr befriedigt werden kann, weil die Leute ausgelacht werden, welche in Furtenbachschem Stil den höchsten Punkt der Welt erreichen, dann werden sie sich etwas anderes suchen.

Die werden dann womöglich nicht mehr kommen und diese astronomischen Summen zahlen wollen. Und die anderen kommen ja jetzt schon nicht mehr. Und so wird Herr Furtenbach mit seiner Prognose tatsächlich Recht behalten…

Das Bild stammt nicht aus einem Lidl- oder Aldi Laden, sondern aus dem Everest-Basislager.

P.S. Herr Furtenbach wird jedwede Kritik mit Leichtigkeit aushalten, denn er weiß genau, was er tut und ist eigentlich nichts anderes als ein Genie: Durch den kurzen Aufenthalt im Basislager spart er sehr viel Geld, angefangen beim Abtransport der nicht anfallenden Scheiße und sonstigen Mülls, aber vor allem über die Löhne, die Verpflegung und die Versicherungen der Küchencrew, der Sherpas, des Verbindungsoffiziers und nicht zu letzt bei der Verköstigung der Klienten selbst. Damit spart er auch enorm bei den Kosten für den Transport. Er spart sogar bei der handling charge für seine Agentur vor Ort. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Geld pro Teilnehmer bei ihm hängen bleibt. Das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Kosten sparen aber das Doppelte verlangen! Ein Genie eben! Jetzt wissen wir, warum ich diesen Blogbeitrag schrieb. Ich bin grün vor Neid!

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4 Antworten

  1. Lukas Furtenbach sagt:

    Servus Olaf,

    eine Diskussion ist gar nicht notwendig, weil ich dir deine Sicht der Dinge vollkommen zugestehe. Kleine Korrektur die dir bei der aufmerksamen Lektüre des bergundsteigen Artikels vielleicht entgangen ist – wir sind auf der Nordseite unterwegs. Also kein Eisschlag, kein Schleppen von Ausrüstung ins Basecamp (—>LKW) und keine Steintreppen am Gletschereis. Und, vielleicht auch erwähnenswert, die Sherpas verdienen sogar mehr als bei einer normalen Expedition (sie sind natürlich die volle Zeit vor Ort), die Versicherung und Verbindungsoffizier wie auch Müll- und andere Gebühren kosten exakt gleich viel, Verpflegung kaufen wir immer für volle zwei Monate und es gab noch keine Saison seit Erstbesteigung, in der es aus Wettergründen keinen Gipfelerfolg gab. Wir hätten auf jeden Fall genug Zeit gehabt, Schlechtwetter auszusitzen. Das mit dem Sauerstofftanz am Gipfel war übrigens Ironie, falls das nicht angekommen ist. Alles nicht so ernst nehmen Olaf!

    PS: „Freude an der eigenen Leistung“ und „hoher Anspruch an sich selbst“, das ist Ego per Definition. Ego ist keine Krankheit. Selbst Messner findet das.

    • Rieck sagt:

      Guten Morgen Herr Furtenbach,

      vielen Dank für Ihren sachlichen und geradezu freundlichen Kommentar. Es ist tatsächlich so, dass wir beide nicht diskutieren brauchen. Sie haben ein Bedürfnis erkannt und bedienen das auf eine sehr professionelle Art. Damit habe ich auch kein Problem. Ein Problem habe ich mit dem Bedürfnis selbst. Ich werde einfach nie begreifen, wie Leute die Befriedigung ihres „Egos“, ein besseres Selbstwertgefühl, Anerkennung oder was auch immer, daraus beziehen, Berge wie den Everest so zu besteigen, wie Sie es anbieten. Wenn alles, was das Expeditionsbergsteigen an einem großen Berg schwierig und anstrengend macht, nicht von mir selbst erledigt wird und ich den Achttausender durch meine Sauerstoffmaske dann zusätzlich auch noch zu einem Fünftausender degradiere, wie zwergenhaft muss dann der Anspruch an mich selbst und meine Leistung sein, wenn ich trotzdem ganz öffentlich für mich in Anspruch nehme, einen solch gewaltigen Berg tatsächlich bestiegen zu haben. Doch ich bin mir ganz sicher, da sind wir beide uns völlig einig. Alles Gute für Sie und immer eine wohlgesonnene Chomolungma!

  2. Müller Gunter sagt:

    Hallo Olaf,
    dein Beitrag hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich kann mich deiner Meinung nur anschließen. Um etwas
    zuerreichen ist es doch wertvoller wenn man es durch Anstrengung und einen guten Gesundheitszustand erreicht.
    Einen Fünftausender mit allen Kräften zu erklimmen ist doch mehr Wert wie einen Achttausender durch viel Geld.
    Danke für den sehr guten Beitrag .
    Liebe Grüße Gunter

  3. Jana sagt:

    Hallo lieber Olaf,

    es gibt 2 Dinge, die mich an deinem Artikel erstaunen:

    1. Der Hr. Furtenbach scheint ja nichts anderes zu tun zu haben, als im Netz nach Beiträgen über sich zu suchen, wie sonst ist zu erklären, dass er am selben Tag noch auf deine Zeilen reagiert. Das zeugt -rein psychologisch betrachtet- von einem sehr kleinen Selbstbewusstsein, sonst würde man über solchen Zeilen drüber stehen! Oder erst gar nicht auf diesen Artikel gestoßen sein…

    und 2. (wahrscheinlich oute ich mich jetzt als Unwissende): ich kenne den gar nicht! Wem BergSPORT wichtig ist, der befasst sich doch nicht mit jemandem, bei dem man Erfolge (sind das überhaupt Erfolge???) kaufen kann! Ich erinnere mich an unsere Tour am Everest und an die Touris, die im Eisbruch zum ersten Mal in ihrem Leben Eisen von den Sherpas angeschnallt bekommen haben. Voller Stolz sind die dann ein paar Meter auf dem Eis dahin gestolpert und meinten, jetzt den Gipfel besteigen zu können. Ich erinnere mich auch an den jungen Mann, den sie tot an unserem Zelt vorbei getragen haben. Weil er es eben nicht konnte. Und ich bin stolz auf uns, weil wir alle lebend und gesund zurück gekommen sind, auch wenn wir nicht oben waren. Wir waren fair. Zu uns selbst, zum Berg und zu den Sherpas und das alles ohne Sauerstoff in Flaschen. Und das tut MEINEM Ego gut. Sicher hat dieser Mann eine gute Geschäftsidee und verdient damit mehr als du und ich. Aber wir können in den Spiegel schauen. Deine Klienten, die mit dir gehen, tun dies, weil du ehrlich bist. Und das ist gut so!
    Irgendwann geht das andere Spiel in die Hosen.

    Du machst es gut so, wie du es tust! Bleib dabei!
    Liebe Grüße
    Jana

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