27 „Expeditionen“

Es gibt immer so einen Punkt bei den Vorbereitungen eines neuen Projektes, wo ich das Gefühl bekomme, dass uns bei der Realisierung unserer Pläne nun nichts mehr aufhalten kann. Was natürlich ganz und gar nicht stimmt. Ein kleiner Kletter- oder Autounfall, eine kleiner bösartiger Tumor, oder was auch immer und schon ist nicht nur das nächste Projekt im Eimer. Sich das immer einmal vor Augen zu führen, halte ich für ziemlich wichtig. Es macht dankbar und motiviert wie nichts anderes, mir meine Gesundheit und meine Möglichkeiten bewusst zu machen. Auch deshalb nehmen die Planungen für eine neue, große Tour nun mit aller Macht Gestalt an. 

Für mich eines der Fotos, welches wie kaum ein anderes die Art des Unterwegsseins verkörpert, die man landläufig als „Expedition“ bezeichnet. Das Bild stammt aus dem Jahre 2001, war noch ein Dia und zeigt die Kolonne unserer mehr als 200 Träger auf dem Baltorogletscher.

Es wird meine 27. Reise mit Expeditionscharakter. Ich nenne das so, weil eine Expedition ursprünglich Entdeckungsreisen in unbekannte Regionen waren. Und deshalb sind eigentlich nur vier meiner Unternehmen echte Expeditionen im ursprünglichen Sinne: 1999 zur Nordwand des Cho Polu (6735 m) mit der erstmaligen Überschreitung des Col Hardy, 2002 die Erstbesteigung des 6677 m hohen Num Ri, 2008 die Erstbesteigung des Chukhung Tse (6238 m) wie er jetzt heißt und 2016 der Erstbegehungsversuch der Südwestwand am Monte Sarmiento.

Die Reise im nächsten Jahr wird jedoch eine Rückkehr zu einem alten Bekannten werden. Ich möchte zum dritten und definitiv letzten Versuch am Hidden Peak aufbrechen. Zwei Mal hat mich dieser gewaltige Berg, den ich für den schönsten der 14 Achttausender halte, schon wie Ungeziefer aus seinem weißen Pelz geschüttelt. Wie habe ich mich dort abgekämpft und wie wenig hat es den Hidden Peak interessiert!

Obwohl wir uns auf diesem Bild schon auf 6000 m Höhe befinden, im ersten Hochlager, ragt der Hidden Peak respekteinflößend vor einem auf!

Doch dieses Mal gibt es eine etwas andere Herangehensweise an die ganze Sache. In den 29 Jahren seit meiner ersten Tour im Sommer 1989, damals zumindest für uns Greenhörner tatsächlich eine Expedition in Tadschikistan, habe ich vor allem gelernt, dass es viele Wochen braucht, um sich an große Höhen zu gewöhnen.

2013 am Baruntse hatte ich innerhalb von vier Wochen drei Sechstausender (Mera, Nirekha, Lobuche) bestiegen, bevor ich dann zum großen Berg gegangen bin. Im zweiten Hochlager an diesem gewaltigen Siebentausender auf 6400 m konnte ich ausgezeichnet schlafen. Lastentransporte in über 7000 m Höhe haben mir nichts ausgemacht. Nur leider hatte ich nicht immer soviel Zeit wie damals. Doch nächstes Jahr werde ich sie mir nehmen. Ich werde bestens akklimatisiert an meinen alten Bekannten gehen, so wie er es verdient.

Unser Basislager am Hidden Peak 2012. Das Lager liegt am Zusammenfluss des südlichen Gasherbrum- und des oberen Baltorogletschers. Links ist der Hidden Peak mit seiner Westwand zu sehen.

Deshalb gibt es noch ein zweites grandioses Gipfelziel vor dem Hidden Peak. Und das wird, wie nun schon einige meiner Ziele in den vergangenen Jahren, immer wieder genannt, wenn es um die schönsten und spektakulärsten Berge der Erde geht. Schon 2001 bei meinem zweiten Besuch der Gasherbrums in Pakistan hat mich dieser Berg mit seiner makellosen Form für immer in seinen Bann gezogen. Ich spreche vom Laila Peak! 

Er passt ziemlich perfekt in eine Reihe mit Ama Dablam, Alpamayo, Artesonraju oder dem Shivling. Es wäre phantastisch, wenn ich ihn mit in meine Sammlung erfolgreicher Besteigungen der schönsten Berggestalten der Erde aufnehmen dürfte. (Quelle: Wikipedia)

Wieder fasziniert hier vor allem seine makellose Form, die niemanden kalt lässt. Er wird auf keinen Fall nur ein Nebenziel zur Akklimatisation sein. Für mich steht dieser Sechstausender gleichberechtigt neben dem Hidden Peak.

Aber nicht nur wegen dieser großartigen Ziele verspricht die Tour zu Laila- und Hidden Peak, eine ganz besondere Reise zu werden. Schon der Anmarsch wird ein großes Abenteuer! Wie großartig das Gebiet um den Baltorogletscher ist, kann man erahnen, wenn man weiß, dass sage und schreibe 10 der 30 höchsten Berge der Welt hier in unmittelbarer Nähe dieses Gletschers stehen. Unter diesen zehn sind wiederum vier über 8000 m hoch und unter diesen vier befindet sich sozusagen als Krönung auch noch der König aller Berge nämlich der K 2.

Der Concordia Platz ist das Herz des Karakorums. Im Hintergrund links der Marble Peak (6256 m) und rechts der zweithöchste Berg der Erde, der 8611 m hohe K2.

Noch viel spektakulärer als selbst die 8000er sind aber die gewaltigen Felstürme von Trango, Nameless oder Uli Biaho. Nur das Khumbu in Nepal kann mit dieser Gebirgsregion rund um den Baltoro mithalten. Und deshalb haben wir uns entschieden, wie 2001 und 2012 wieder eine Begleit-Trekkinggruppe mit in das Basislager des Laila Peaks zu führen. 

Diese zum Teil über 6000 m hohen Felsgestalten am Rand des Baltoro sind das spektakulärste was die Gebirge unseres Planeten diesbezüglich zu bieten haben. So viel steht zumindest für mich fest!

Den gesamten Weg von Askole über den Baltorogletscher, den 5700 m hohen Gondogoro Pass bis zum Laila Peak werden wir gemeinsam mit unseren Gästen unterwegs sein. Expeditionsfeeling pur! Die Begleittour wird Mitte Juni beginnen, 24 Tage dauern, etwa 4350 Euro kosten und ein Zelttrekking sein. Es gibt nur einen Haken bei der Sache. Die Anzahl der Gäste ist auf ACHT begrenzt, und es gibt auch schon Interessenten.

Einer von denen man kaum seine Blicke abwenden kann. Er war der K1 und wird von den Einheimischen Masherbrum genannt. Mit seinen 7821 m immerhin der siebthöchste Berg des Karakorum.

Die Sache ist also sehr weit gediehen: Reise- und Kostenplan stehen fest. Wir arbeiten wieder mit unserer sehr bewährten pakistanischen Agentur zusammen. Auch das Team ist beisammen. Und darüber freue ich mich besonders. Sven und Jacob, meine beiden Mitstreiter vom Shivling sind wieder mit von der Partie.

Das fast perfekte Team: Jacob in der Mitte und Sven rechts, meine kampferprobten Mitstreiter in Peru bzw. am Shivling im vergangenen Jahr. Der einzige, der nicht so richtig dazu passt, bin ich. Aus gewissen Gründen…

Tour Nummer 27! Und da sind die vielen Reisen mit Gästen nach Nepal mit inzwischen mehr als 30 Besteigungen der Sechstausender Island Peak, Nirekha und Mera nicht eingerechnet. Ich werde angesichts dieses Pensums immer öfter gefragt, wie ich mir meine Zukunft vorstelle. Immer häufiger bekomme ich auch mit leicht ironischem Unterton den womöglich gut gemeinten Hinweis, dass es „so ja nicht ewig weitergehen könne!“ 

Also an alle, die sich Sorgen machen. Meine nächste Tour führt mich noch in diesem Jahr an einen grandiosen Felsen in Norwegen. Dazu bald an dieser Stelle mehr. Und nächstes Jahr sieht mich der Hidden Peak wieder. Und dann sehen wir weiter…

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7 Antworten

  1. Ute Wiechern sagt:

    Es freut mich immer, das was ich nicht selbst erleben kann, durch Sie, Herr Doktor Rieck, am Rande, nein, so als wäre ich dabei, mitzuerleben. Ihre Berichte enthąlten auch immer viele eigene Empfindungen. Das macht das Ganze noch lebendiger. Die Fotos sind atemberaubend.

  2. Oliver sagt:

    Großartige Pläne! Der Baltoro ist einer meiner großen Träume und ich bin froh dass du noch einmal dorthin aufbrichst. Ich werde schnellstmöglich mit Familie und Job versuchen zu klären ob es für mich möglich ist der Begleittour beizuwohnen!!
    Viele Grüße aus München

  3. Dietmar Kastning sagt:

    Stetind?!

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