Jacob: Viele kleine Steine

die Wortmeldung von Jacob Andreas

…machen bekanntlich einen Haufen Dreck. Oder aber fügen sich auf verrückte Weise zu einem wunderbaren Abenteuer zusammen. So ähnlich will ich es auch auf dieser Reise verstehen, wo alles wirklich fast ausnahmslos wie am Schnürchen klappte. Expedition vorbereitet – Expedition durchgeführt – Gipfelerfolg – Fertig.

Doch halt! So wie ich hier beim Aufgehen der ersten Morgensonne, warm eingekuschelt und Nüsse naschend in meiner Daunenbehausung liege, dünkt mich stark – so war es nicht! Da fehlt die Würze! Wo sind die ganzen schillernden Aspekte, die mich schon jetzt in freudige Aufregung versetzen, wenn ich an die nächsten Ziele denke?

Der Shivling in seiner morgendlichen Pracht. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl, wenn man so einen majestätischen Berg anschaut und sich sagen kann: „Nice! Da oben waren wir!“ Es ist aber auf jeden Fall ein gutes Gefühl – soviel steht fest.

Also noch einmal zurück auf ‚Anfang‘. Deutschland, Berlin, vor der Reise. Während Sven alles Nötige mit der Agentur klärt und regelt und Olaf, als Motor der Unternehmung, seine Finger in fast allem hat, lautet mein klar abgestecktes Aufgabenfeld: “ Du kümmerst dich um die Visa!“

Okidoki, mach´ ich. Verglichen mit den anderen eher eine Kleinigkeit. Denkste! Die Inder wollen da schon etwas mehr Bemühung sehen und neben der Augenfarbe der Großeltern und deren potenziellen Bestrebungen in Pakistan, auch recht interessante Dinge wissen. Es gab also neben einer Hand voll Behördengänge schon etwas zu tun.

Das alles natürlich neben: als Student Geld und Ausrüstung für die Unternehmung besorgen. Und trainiert werden will auch noch. Auweh..!

Aber da sind sie auch schon, die kleinen Steinchen, ohne die alles so viel unschöner und schwerer wäre.

Die Freundin, die zum wiederholten Male sagt: “ Geh du nur Klettern/Trainieren/Arbeiten – Ich mach das schon!“ oder einem 3 Tage vor Abflug noch völlig verrückt einen absolut abgefahrenen, mega plüschigen Expeditionsschlafsack besorgt, aus Sorge, dass die von mir zusammengeschusterte Variante mich zu arg frieren lässt.

Schlaf ist heilig! Schön, wenn man sich, wie wir beide, so einmummeln kann. Gut erholt und ausgeschlafen lassen sich heiße Eis(en) viel besser durchklettern.

Dann die Menschlinge vom Aussteiger in Berlin, die in der Zeit meines Fehlens mir den Rücken frei halten, sich bis zur allerletzten Minute mit meinem Kram haben verrückt machen lassen und aus ihrem privaten Repertoire eine ganze Menge Ausrüstung gestellt haben, ohne die es nur schwer ginge.

Weiter in Indien. Auch unsere Agentur leistet vorbildliche Arbeit. Schon beim Akklimatisationstrekking lief alles, bis auf einige Wetterkapriolen und ein paar Verdauungsturbulenzen, wie geschmiert. Shashang, der mit seiner Frau Rani die Agentur führt, begleitete uns persönlich und sorgte für einen reibungslosen Ablauf.

Aber auch später am Shivling schaffte Narender, der Basecampmanager, zuverlässige Strukturen mit seiner sehr freundlichen und zuvorkommenden Art. Ach! und erst der Koch! Wie ungemein wichtig der Beitrag des Kochs erst ist. Er ist maßgeblich verantwortlich für Energieversorgung und Gesundheit der Gipfelaspiranten..und schmecken soll es auch noch. Ein durch und durch wichtiges Steinchen. Gerade für unseren Sven!!!

Ein immer gut gelauntes und absolut fähiges Persönchen, unser Koch Ranjit. Kaum zu glauben, wohl aber doch zu schmecken, was er in seinem Küchenzelt täglich zustande brachte.

Auch durch die Arbeit von Herbert kam ein ordentliches Steinchen hinzu. Ohne ihn hätten wir zeitlich nicht so entspannt klettern können, sondern hätten auf dem Weg nach oben schon noch ein bisschen mehr leisten müssen.

Die zwei wichtigsten Steinchen aber waren sicher die folgenden: Das Wetter und Wir. Mit dem Tag, mit dem wir in Tapovan (so heisst der Platz unseres BC) Stellung und Zelte bezogen haben, herrschte nahezu perfektes Wetter. Wie oft wird alles erdenkliche angestellt, um auf einen Berg zu kommen und das Wetter zieht einem einen scharfen Strich durch die Rechnung, auf dass das Mögliche zum Unmöglichen wird. Einfach so. Ohne Schuld oder Unzulänglichkeit.

Olaf in der Gipfelwand. Bei solchem Wetter, mit solchen Bedingungen macht seilfreies Klettern sogar auf über 6000 Metern reichlich Spaß.

Das schönste Steinchen kam aber duch uns hinzu. Wir haben uns außerordentlich gut verstanden. Ich erinnere mich an eine, nur genau eine Situation, in der hitzig diskutiert worde. Es ging darum, wessen Zelt wann in welches Lager verrückt wird und wer darin schlafen darf. Ohja..richtig! Eine absolute Lappalie. Es gab nichts besseres zu streiten.

Was das für ein Wert hat, kann man nur so richtig nachvollziehen, wenn man sich vorstellt, 42 Tage mit zwei weiteren Bergsteigern ziemlich eng bei einander, unter schon ordentlichen Strapazen zusammen zu leben. Da kriegt man unweigerlich einige Macken und Eigenwilligkeiten das anderen mit. Aber trotzdem hatten wir reichlich Spaß miteinander…

Sich gut auf einer Expedition zu verstehen, ist einfach klasse! So gewinnt der Gipfel gleich noch eine herausragende Dimension hinzu. Man hat ihn mit Freu(n)de(n) bestiegen.

Die Schizophrenie des Aufbruchs. Man freut sich auf zu Hause, eine Dusche, ordentliches Brot, die Freundin… doch eigentlich will man gar nicht weg! Es ist saugemütlich in seinem Zelt, die Berggestalten um einen herum sind gigantisch und schon gar keine Lust hat man auf das Packen. Dieses verfluchte Packen!! Wie soll das da nur wieder alles rein passen?!?

Und nahezu plötzlich ist es auch schon wieder fast vorbei. Die vielen Steinchen haben sich gehäuft. Sich zu einem prächtigen Mosaik zusammengetan und verweilen nun in der Errinnerung, bereit sich noch einige Male durchleben zu lasssen. Gelerntes wird strukturiert und wartet darauf, so bald wie möglich wieder angewandt zu werden. Auf das wir bald wieder Steinchen sammeln können.

Bei so viel Schwärmerei und Glück-gehabt-Momenten hätten wir fast etwas vergessen. Bei einer Sache hatten wir nämlich wirklich so richtig Pech..

 

 

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2 Antworten

  1. Jens K. sagt:

    Hi Jacob,
    sehr schöner Cliffhanger! (;-)
    Gut das Ihr den für Euren Bericht aufgehoben habt, und nicht beim Klettern erlebt habt.
    Gute Heimreise Euch allen.
    Beste Grüße JensK.

  2. Veronica sagt:

    Wie, was, Pech?!?!?

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