Magische Linien

Es gibt Berge, die brennen sich sehr gründlich ins kollektive Gedächtnis. Zumindest bei bergbegeisterten Menschen. Weil sie entweder besonders hoch, extrem steil, schwer besteigbar, gefährlich oder einfach sehr schön sind. Letztere vereinen dann nicht selten all diese Eigenschaften. Ich werde oft gefragt, was einen Berg außergewöhnlich machen würde.

Am wichtigsten ist ganz sicher seine Form also die Steilheit seiner Flanken, spektakuläre Grate und neben seiner Höhe natürlich vor allem der Höhenunterschied zu seinen Nachbarn. Je freier ein Berg steht, desto eher wird er als besonders schön angesehen werden. Das Matterhorn im Schweizer Kanton Wallis ist wohl der Prototyp eines solch schönen Berges oder die Ama Dablam im Nepalesischen Khumbu Himal oder der von seiner Form her weltweit womöglich bekannteste aller Berge, der Artesonraju in Peru. Er hat es mit seiner makellosen Gestalt bis ins Logo des Filmgiganten Paramount geschafft.

Immer wieder habe ich begeisterte Schilderungen über die Schönheit von Bergen gehört, sie auf Bildern bewundert, Berichte über sie gelesen. Das letzte Mal war es der Monte Sarmiento auf Feuerland, der mich ganz und gar in seinen Bann gezogen hatte. Und nun lässt mir der Shivling keine Ruhe, zumindest bis ich versucht haben werde, ihn zu besteigen.

Die Nordostwand des Shivling. Rechts der Nordgrat, links der Ostgrat. Eine geradezu märchenhafte Berggestalt! Ein Anblick, den man sicher so schnell nicht wieder vergisst. (Quelle: Wikipedia)

Von den vielen Gipfeln des Garhwal Himal sieht der Shivling (6543 m) am eindrucksvollsten aus. Er gilt als der schönste Berg Indiens und ist deshalb auf der Liste der schönsten Berggestalten der Welt ganz weit oben. Außerdem befindet sich der Berg am westlichen Zugang zum Gangotri-Gletscher, was ihn ebenfalls zu etwas Besonderem macht. Denn aus dem Schmelzwasser dieses Gletschers entsteht der Bhagirathi, welcher der größere der beiden Quellflüsse des Ganges ist. Das Gletschertor dieses Gangotri-Gletschers, auch als Gaumukh bezeichnet, was soviel wie „Kuhmaul“ bedeutet, gilt somit als die eigentliche Quelle des heiligen Ganges.

Der linke und größere der beiden Ganges-Zuflüsse ist der Bhagirathi. (Quelle: Wikipedia)

Aus diesem Grund pilgern jedes Jahr Tausende gläubiger Hindus hierher. Doch das besondere an dem Ort ist eben auch, dass der steil aufragende Granit-Obelisk des Shivling gerade an dieser Stelle steht. Deshalb gilt er den Hindus als ein Symbol der Schöpferkraft Shivas. Und daher kommt auch sein Name. Er setzt sich zusammen aus dem Namen des höchsten Gottes der Hindus, Shiva und der Bezeichnung Lingam, an welchen der Anblick des Shivlings offenbar erinnerte. Der Lingam ist ein Symbol für die Schöpferkraft Shivas. 

Mit Blumen geschmückter Lingam in Varanasi. (Quelle: Wikipedia)

Als Colin Kirkus und Charles Warren 1933 die Erstbesteigung des benachbarten Bhagirathi III in Angriff nahmen, nannten sie den Shivling „Matterhorn Peak“. Und in der Tat muss man sich nicht anstrengen, um eine Ähnlichkeit mit dem sicher schönsten und bekanntesten Berg der Alpen auszumachen.

Das einmalige Aussehen des Shivlings mit seinem halben Dutzend großartiger Grate und ihren großen klettertechnischen Herausforderungen, sind sicher der Grund dafür, dass sich in den Achtziger und Neunziger Jahren die Bergsteigerelite aus der ganzen Welt hier ein Stelldichein gab. 

Für die objektiven Schwierigkeiten aber auch für den besonderen religiösen Stellenwert, die dieser einmalige Gipfel zu bieten hat, spricht sicher auch die Tatsache, dass die Erstbesteigung erst 1974 durch eine Expedition der indisch-tibetischen Grenzpolizei erfolgte. Die Route der Erstbesteiger führt über den kombinierten Sporn des Westgrates in den Sattel zwischen den beiden Gipfeln. Von dort aus verläuft ein steiler Schnee- und Eisgrat zum Hauptgipfel. Anschließend kehrte für sechs Jahre wieder Ruhe an den Graten des Shivling ein. 

Wir schauen direkt auf den Nordgrat des Shivling. Links der gezackte Ostgrat, rechts im Schatten die Nordwand. Die Westwand mit dem Westgrat liegt auf der anderen Seite des Berges. Leider gibt es keine frei verfügbaren Bilder von der Westseite des Berges. (Quelle: Wikipedia)

Anfang der Achtziger war es damit allerdings endgültig vorbei. 1981 kam ein Team unter dem großen Doug Scott an den Berg. In 13 Tagen und im reinen Alpinstil kletterten sie die mehr als 60 Seillängen des Ostgrates, damals die schwerste Route im gesamten Himalaya in diesem Stil.

Chris Bonington bestieg 1983 ebenfalls im Alpinstil erstmals den 41 m niedrigeren Südwestgipfel des Shivling über den Südgrat. Über den Südwestgrat gelangten 1986 Australier auch auf den Südwestgipfel. 1983 wurde der Südostgrat von drei Japanern erstbegangen. 1987 versuchten ebenfalls Japaner den Nordgrat zu klettern, mussten wegen der enormen Schwierigkeiten am Grat aber in die Nordwand ausweichen. Hans Kammerlander und Christoph Hainz begradigten diese Route der Japaner 1993, konnten aber die direkte Linie am Grat ebenfalls nicht klettern. Das schafften im Jahr 2000 Thomas Huber und Iwan Wolf und bekamen dafür die höchste alpine Auszeichnung, den Piolet d´Or.

Wenn Ihr uns unterstützen wollt, dann überweist bitte 7 € oder gern auch mehr auf unser Expeditionskonto. Wir freuen uns darüber sehr! Kontonummer 1800833047, BLZ 86055592 oder DE27 8605 5592 1800 8330 47.

Nun waren alle Grate geklettert und auch einige der Wände durchstiegen, die extrem steile Nordostwand von Italienern 1986, die Nordwand von tschechischen Bergsteigern ein Jahr später. Anschließend wurde es wieder ruhiger am Shivling.

Wenn alles nach Plan läuft, werden wir im Herbst ebenfalls einen Besteigungsversuch auf der Westseite des Berges unternehmen. Auf eine Route haben wir uns noch nicht abschließend festgelegt. Das werden wir vor Ort entscheiden und von den Verhältnissen abhängig machen.

Die Vorbereitung dieser Reise läuft seit meiner Rückkehr aus Nepal auf Hochtouren. Die wichtigsten Punkte der Vorbereitung sind aber schon erledigt: Das Team steht fest, eine hoffentlich verlässliche Agentur, die uns vor Ort unterstützt, ist gefunden, unser Ausrüstungs-Cargo nach Neu Delhi ist unter Dach und Fach, die Expeditionsversicherung beim Alpenverein beantragt.

Damit auch die Finanzierung dieses Projektes auf einen guten Weg gebracht werden kann, brauchen wir allerdings Eure Hilfe. Deshalb gibt es auch in diesem Jahr eine Grußpostkartenaktion.

Bitte vergesst nicht, Eure Adresse unter „Verwendungszweck“ anzugeben, damit wir wissen, wohin wir die Karte senden sollen! Natürlich könnt Ihr auch die Adresse von jemandem angeben, dem Ihr mit dieser Karte eine Freude machen möchtet!

Die nächsten Schritte sind die Beantragung der verschiedenen Genehmigungen sowie das Visum für Indien. Ganz wichtig sind auch die Bemühungen um eine Sondergenehmigung für die Nutzung eines Satellitentelefons. Die Einfuhr und Benutzung ist in Indien streng verboten. Mir ist völlig schleierhaft, was der Grund dafür sein sollte. Weiterhin sind wir gerade dabei, Ziele für eine anspruchsvolle, gemeinsame Vorbereitungstour zu suchen. Na und dann beginnt jetzt das verschärfte Ausdauertraining. 

Und „Training“ ist das an dieser Stelle passende Stichwort. Das muss nämlich sogleich noch absolviert werden. Sobald es weitere Neuigkeiten zur Vorbereitung gibt, sind sie hier zu finden. Auf gehts an die frische Luft…

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2 Antworten

  1. Veronica sagt:

    Bin jetzt schon sehr gespannt!!!

  2. Inge Obermaier sagt:

    Wünsche euch viel Glück…kommt gesund wieder.
    Schöne Grüsse aus Bali

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