Neue Abenteuer

Menschen ganz allgemein hassen es, all ihres Komforts beraubt zu sein. Immer mehr davon anzuhäufen, ist sogar einer ihrer stärksten Antriebe. Denn ohne ihn ist alles anstrengend, schwierig und unbequem, schon ganz und gar wenn wir ziemlich komfortlos in einer rauen und unbarmherzigen Umwelt bestehen müssen. Aber genau das ist sozusagen die Grundvoraussetzung für ein Abenteuer.

Eine andere ist die Unsicherheit. Für mich der mit Abstand wichtigste Aspekt. Unsicherheit erschüttert einen da draußen. Das Wetter schlägt Kapriolen, Bedingungen ändern sich, Routen sind plötzlich gefährlich, Pläne werden Makulatur. Ungewissheit ist unserem menschlichen Charakter zutiefst zuwider. Wir lieben das Gewohnte und Berechenbare. Aber die Natur mag das nun gerade nicht.

Der dritte wesentliche Faktor ist die physische Komponente. Wenn man sein Ziel nicht erkämpfen muss, am Rande seiner Möglichkeiten und unter Aufbietung all seiner Kräfte, dann wird sich dieses großartige Gefühl, es geschafft zu haben und dabei Herr der Lage geblieben zu sein, nicht einstellen.

Mit anderen Worten: Es gibt keine Garantien für irgendwas. Und je größer die Wahrscheinlichkeit, dass es auch schiefgehen könnte, desto besser erscheint mir die Aussicht, tatsächlich ein echtes Abenteuer zu wagen. Und ganz besonders in diesem Sinne verspricht meine nächste Reise ganz sicher ein großes Abenteuer zu werden. Ein sehr großes!

Der Monte Sarmiento ist auch einer von denen immer mal wieder gesagt wird, er sei einer der schönsten Berge der Welt. Bildquelle ist http://www.summitpost.org/monte-sarmiento/577060

Der Monte Sarmiento ist auch einer von denen immer mal wieder gesagt wird, er sei einer der schönsten Berge der Welt. Bildquelle: www.summitpost.org/monte-sarmiento/577060

Schon die Anreise ist ein Wagnis für sich und verspricht Aufregung. Der Berg ist nur per Boot zu erreichen. Der nächstgelegene Ort, vom dem man starten könnte, ist das chilenische Punta Arenas. Um zum Berg zu kommen, sind etwa 180 Kilometer zurückzulegen. Den größten Teil der Strecke wären wir auf der berühmten Magellanstraße unterwegs, welche die Inseln Feuerlands vom südamerikanischen Festland abtrennt. Man müsste diese Wasserstraße auch queren. Kein unlösbares Problem dürfte das sein, wenn man sich ein größeres Boot chartern würde. Schwieriger wird es, wenn man wie ich genau das nicht will.

Die Gegend, wo sich unser Berg befindet, ist völlig menschenleer und extrem unzugänglich. Wie lange wird es das noch geben?

Die Gegend, in welcher sich unser Berg befindet, ist völlig menschenleer und extrem unzugänglich. Wie lange wird es das noch geben? Quelle: Google Earth.

Ich habe inzwischen drei ausgedehnte Kajaktouren in der Glacier Bay Alaskas und auf der arktischen Insel Spitzbergen durchgeführt. Auf Spitzbergen waren wir über 400 Kilometer zum Teil jenseits des 80. nördlichen Breitengrades auf dem Wasser unterwegs. Auch ein spannendes Abenteuer bei oftmals miserablem Wetter. Ich will einfach nicht glauben, dass es nicht möglich sein sollte, zum Monte Sarmiento per Kajak zu kommen. Ein großes Problem allerdings wird es ganz sicher geben, nämlich die Genehmigung für ein solches Projekt zu bekommen.

Die einen würden es als Extremkajaking bezeichnen. Ich uns eher als "Schönwetterpaddler". Denn hier oben waren wir den Stürmen aus Nordwesten schutzlos ausgeliefert. Paddeln ging nur bei gutem Wetter. Das wird in Feuerland kaum anders sein. Außer Glück braucht man also auch noch Geduld.

Die einen bezeichneten uns als Extremkajaker. Ich nenne uns eher „Schönwetterpaddler“. Denn hier oben auf Spitzbergen waren wir den Stürmen aus Nordwesten schutzlos ausgeliefert. Paddeln ging nur bei gutem Wetter. Das wird in Feuerland kaum anders sein. Außer Glück braucht man also auch noch Geduld.

Wenn wir nun unseren Berg erreicht haben sollten, müssten wir als nächstes irgendwie vom Strand an den Bergfuß kommen. Diesbezüglich habe ich 2009 bei meinem Marsch mit Georg Sichelschmidt an den Rand des patagonischen Inlandeises ebenfalls unvergessliche Erfahrungen gesammelt. Mehr als eine Woche lang waren wir mit unseren Pulkas, den Ski und 70 Kilo Gepäck pro Mann in schier undurchdringlichem Dschungel unterwegs. Das frustrierendste, was ich jemals gemacht habe.

Das war echt der Hammer. Man trage bitte mal Ski, Pukla und 70 Kilo Gepäck durch dieses Gelände. Ich wollte nach zwei Tagen nur noch eins: Nach Hause!

Das war echt der Hammer. Man trage bitte mal spaßeshalber Ski, Pulka und 70 Kilo Gepäck durch solches Gelände. An machen Tagen haben wir nicht mehr als anderthalb Kilometer geschafft. Ich wollte nach zwei Tagen nur noch eins: Nach Hause!

Und wenn wir das geschafft haben, beginnt das eigentlich schwierige. Der Hauptgipfel unseres Berges ist nach allen Informationen, die mir derzeit zur Verfügung stehen, nur zwei Mal bestiegen worden. Nachweislich am 24. August 2013 von dem Chilenen Camilo Rada und seiner argentinischen Seilpartnerin Natalia Martinez. Die nicht nachgewiesene Erstbesteigung 1956 durch die beiden italienischen Spitzenbergsteiger Carlo Mauri und Clemente Maffei wird von namhaften Bergsteigern aus verschiedenen Gründen stark angezweifelt.

Dieses Foto zeigt einen Einblick in die 400 m hohe Nordwand des 2246 m hohen östlichen Hauptgipfels. Diese Wand zu klettern wird das grösste Problem werden, denn vernünftig sichern ist hier fast unmöglich. Foto: Jörn Heller (Vielen Dank dafür!!)

Dieses Foto zeigt einen Einblick in die 400 m hohe Nordwand des 2246 m hohen östlichen Hauptgipfels. Diese Wand zu klettern, wird das grösste Problem werden, denn vernünftig sichern ist hier fast unmöglich. Foto: Jörn Heller (Vielen Dank dafür!!)

Von 1956 bis 2013 versuchten sich 20! Expeditionen am Berg. Die Liste derer, die dort scheiterten, liest sich wie das Who is Who der Bergsteigerelite. Erst vor kurzem musste auch Gerlinde Kaltenbrunner am Monte Sarmiento passen, übrigens ohne auch nur einen Fuss auf den Berg gesetzt zu haben.

Auf diesem Bild wird deutlich, welches Eis einen hier erwartet. Hier hängt vieles davon ab, welches Risiko man eingehen will und wie lange das Wetter mitspielt. Solides Sichern bedeutet Zeitverlust.

Auf diesem Bild wird deutlich, was für Eis einen hier erwartet. Unter solchen Bedingungen hängt vieles davon ab, welches Risiko man eingehen will und wie lange das Wetter mitspielt. Denn solides Sichern bedeutet Zeitverlust, welche man womöglich eben gar nicht hat. Foto: Jörn Heller

Was will uns das sagen? Erfolgreich Bergsteigen in Feuerland braucht nicht zu letzt pures Glück. Und wenn wir das haben, dann könnten selbst wir unsere Chance an diesem Gipfel bekommen. Doch bevor es soweit ist, hat der liebe Gott die Mühen der Ebene gesetzt. Geld besorgen, Genehmigungen einholen, Training. Aber das wichtigste ist immerhin schon erledigt. Es gibt ein großartiges Ziel und einen sehr fähigen Partner. Alles weitere liegt nun in unseren Händen.

Besonderen Dank an Jörn Heller, der mir freundlicherweise einige Fotos und viele wertvolle Informationen von seiner erfolgreichen Besteigung des Westgipfels des Monte Sarmiento gemeinsam mit Robert Jasper und Ralf Ganzhorn im Jahr 2010 zur Verfügung gestellt hat. Danke auch für das Seneca-Zitat auf Deiner Homepage. Es passt wie die Faust aufs Auge zu diesem Ziel:

„Es ist nicht die Schwierigkeit der Dinge,
die es uns nicht wagen lässt
es ist unser fehlender Wagemut,
der die Dinge schwierig macht.“ 

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8 Antworten

  1. Veronica sagt:

    Das klingt unglaublich spannend!!!

  2. Anja E. sagt:

    Was für ein Abenteuer dich da wieder erwartet. Drücke beide Daumen und freue mich auf spannende Berichte :-). Aber wer wird denn dein Seilpartner sein? Wieder Jacob?

  3. Dietmar K. sagt:

    Erst mit Kajak durch diese See und dann bei dem Sauwetter ohne vernünftige Basis hoch zum Sarmiento? Waaahnsinn. Ich glaube die Chilenen lassen einen mit Kajak gar nicht los -nur mit Begleitschiff. Ich war 99 am Sarmiento -bis etwa 150m unterm Gipfel

    • Olaf sagt:

      Leider habe ich das auch gehört. Keine Genehmigungen für Kajaks. Wir müssen mal reden miteinander. Du kannst uns sicher eine Menge Tips geben. Wie bist Du hingekommen und von wo aus?

      • Dietmar K. sagt:

        Mit der „Sarah w Vorwerg“ 16?m Yacht von Ushuaia über P.Williams,Beagle,-Brecknock,-Cockburnkanal. Da gibt es versch. Anbieter.oder mit einem Dingi?(Schlauchboot mit starken Motor) direkt an einem „schönen“ Tag in der Bucht absetzen lassen. Mehr Möglichkeiten kenne ich nicht um dort hin zu kommen.

  4. Rainhard sagt:

    Tolles Projekt! Wünsche euch viel Glück und Ausdauer dafür, nichts ist unmöglich! Schaut mal auf unsere Seite, wir waren auf der Neben(halb)insel und haben dort Erstbesteigungen durchgeführt, wobei wir auch zweimal einen wolkenlosen Sarmiento bestaunen konnten – magische Szenen!

    Besonders empfehlenswert ist wohl als Einstieg unserer Expeditionsbericht, in dem du auch Tipps für deine Expedition findest.

    Bei Fragen einfach bei uns melden,
    LG

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