Odenwald

Unser letztes Treffen vor der Abreise nach Patagonien fand im Odenwald statt. An dessen nördlichen Rand unweit von Darmstadt ist Fabian zu Hause. Es gab vor allem hinsichtlich unseres Ausrüstungsbedarfes aber auch zur Strategie und Taktik unseres Besteigungsversuches am Fitz Roy noch einigen Diskussionsbedarf. Aber Fabian hatte auch versprochen, dass man im Odenwald ganz vorzüglich klettern kann. Es sollte dort eine Reihe von ziemlich beeindruckenden Steinbrüchen geben, in denen man unter anderem das Klettern in sogenannten „cleanen“ Routen und an ganz unterschiedlich breiten Rissen üben kann. Und er hatte wirklich nicht zu viel versprochen. Doch zu erst ging es mal um unseren Berg. Wie könnte man einen Versuch planen? Ist es überhaupt sinnvoll zu planen, wo einen doch das Wetter und die Verhältnisse in Patagonien ständig zur Improvisation zwingen?

Die Route auf den Fitz Roy hat eigentlich drei Etappen: Erstens der Aufstieg vom Basislager bis zum Paso superior. Zweitens der Aufstieg von diesem Pass bis an den Einstieg der Route und drittens die eigentliche Route am Fels des Fitz Roy.

Hier schaut man auf den schneebedeckten Teil des Aufstieges zum Paso superior, der das Tor zu den Granitriesen der Fitz-Roy-Gruppe bildet. Wenn man ganz genau hinschaut, sind am rechten Bildrand (etwa 2,5 cm von unten und 1 cm von rechts) zwei Bergsteiger zu erkennen.

Wir können grundsätzlich davon ausgehen, dass wir am Fitz Roy nur ein kurzes Wetterfenster haben, vielleicht 20 oder 30 Stunden wenn es gut läuft. Und wir können weiter davon ausgehen, dass wir durch die Wettervorhersage so ungefähr wissen, wann mit einem solchen Wetterfenster zu rechnen ist. Also ist es schon von Vorteil, wenn es im Vorfeld Überlegungen gibt, wann wir wo sein möchten, wenn die kurze Zeit des schönen Wetters beginnt. Thomas Bubendorfer hat in dem Buch über seine Fitz-Roy-Besteigung gesagt, dass der Aufstieg vom Basislager zum Einstieg schon einer Besteigung des Mont Blanc gleichzusetzen sei. Das heißt also, dass es zu spät wäre, bei der Öffnung des Wetterfensters erst im Basislager los zu gehen. Man muss schon früher aufbrechen, also irgendwo auf dem Weg biwakieren. Wir wollen das möglichst direkt am Einstieg zur Route machen. Dafür braucht man natürlich die entsprechende Ausrüstung.

Das linke Bild zeigt den Paso superior. Wieder ist ein winziger Mensch unterhalb der Bildmitte zu sehen. Ich kam mir an diesem Ort vor wie Ali Baba vor dem Felsentor, hinter dem sich der sagenhafte Schatz verbirgt. Doch anstatt einfach das berühmte „Sesam öffne Dich“ zu sagen, muss man hier einen stundenlangen und nicht ganz ungefährlichen Aufstieg in Kauf nehmen.

Das rechte Bild zeigt, nach der Passage des Felsentores am Paso superior, den nun freien Blick auf die Granitpyramide des Fitz Roy. Wir schauen auf die Ostseite des Berges. Den niedrigsten Punkt zwischen dem Fitz Roy und seinem linken Nachbargipfel, der Aguja Poincenot, bezeichnet man als Brecha de los Italianos. Dort hinauf führt eine Rinne, die sieben Seillängen lang und etwa 40-50 Grad steil ist. Ist man oben angelangt, geht es nach rechts zuerst über kombiniertes Gelände dann über einen Schneegrat zum Einstieg der Route. Vom Aufnahmestandpunkt dieses Fotos bis zum Routenbeginn sollte man etwa fünf bis sechs Stunden Aufstieg einplanen. Das gilt allerdings nur, wenn es keine Schwierigkeiten mit dem Bergschrund bzw. der Randkluft am Einstieg in die Rinne zur Brecha gibt.

Diese Überlegungen und vor allem die nötige Ausrüstung für die Kletterei selbst waren die Hauptthemen bei meinem Besuch bei Fabian. Ganz wichtig war dabei natürlich auch die Festlegung, wer was besorgt und dann auch tatsächlich im Rucksack hat. Natürlich haben wir darüber hinaus recherchiert, was man noch so alles machen kann, wenn wir wider Erwarten grosses Wetterglück haben sollten. Der in südlicher Richtung gelegene Nachbargipfel des Fitz Roy, die Aguja Poincenot, hat es mir ebenfalls sehr angetan. Und Fabian träumt vom Cerro Torre. Über seine Ferrari-Route wäre er für uns sogar machbar. Sie verläuft nahezu ausschliesslich im Eis. Für Felsrouten an diesem Superfelsen bin ich bei weitem nicht gut genug. Hoffentlich reicht es für den Fitz Roy.

Die meiste Zeit, wie könnte es anders sein, haben wir aber beim Klettern verbracht. Ich durfte Fabians Hausklettergebiete kennenlernen, dort, wo er zu dem wurde, was er heute ist.

Ich war sehr beeindruckt von den bis zu 35 Meter hohen Wänden der Bundsandsteinbrüche. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Vor allem aber spektakuläre Risse und Rissverschneidungen wie im rechten Bild zum Beispiel die Route TelefonzellenEx (6+) und im linken Bild die Route „Alles und scharf“ (7+).

Nun ist von den Absprachen her alles getan, und wir sind dem Fitz Roy jetzt schon ein ganzes Stück näher gekommen. In weniger als sechs Wochen ist es soweit. Und ich glaube kaum, dass ich je nervöser vor einer Abreise sein werde als vor dieser. Das weiss ich jetzt schon.

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