Mit Leichtigkeit!

Es kommt oft vor, dass gute Sportkletterer, jung, durchtrainiert und an Bohrhaken gewöhnt, in der Sächsischen Schweiz ein großes Problem bekommen. Hier herrscht eine Kletterethik, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Und das ist auch gut so. Die Routen müssen selbst abgesichert werden und zwar mit Knoten- und Bandschlingen! Und das muss man können und ein Auge haben für die Stellen, wo solche Schlingen tatsächlich einen Sturz halten. Chalk (Magnesiumcarbonat zum Trocknen und Abstumpfen der Finger) ist verboten. Ringe sind äusserst sparsam gesetzt, und der Sächsische Sandstein ist häufig ziemlich brüchig. Mit anderen Worten: Wenn man sich hier seiner Sache nicht hundertprozentig sicher ist, könnte so ein Vorstieg in der Sächsischen Schweiz auch schnell mal der letzte sein. Ich hab jedenfalls schon viele zugereiste Kletterer erlebt, die bei uns in Sachsen ihr Potential nicht umsetzen konnten, weil sie Angst bekamen.

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Fabian in der Gebrochenen Kante am Schraubenkopf. Im Hintergrund rechts die Große und links die Kleine Herkulessäule.

Doch bei Fabian ist das anders. Angst hat er natürlich auch, aber deswegen schreckt ihn die ernsthafte Kletterei im Elbsandstein nicht ab, sondern fordert ihn heraus. Und genau das war es ja, was mich schon in den Dolomiten so erstaunt hat, als ich hörte, was er bei seinem allerersten Besuch im Sächsischen schon geklettert war.

An mir war es nun, ihm besondere Gipfel und schöne Routen zu zeigen, die ich ihm auch nachsteigen konnte. Und weil es an unserem ersten Tag noch ein wenig feucht war, gingen wir ins Bielatal. Dort ist der Sandstein ziemlich fest. Unser Ziel waren die berühmten Herkulessäulen. Hier musste Fabian unbedingt rauf, denn wer weiss, wie lange diese filigranen Nadeln noch stehen. Übrigens habe ich dort oben inzwischen ein ziemlich mulmiges Gefühl. Bei der kleinen Herkulessäule bilde ich mir sogar ein, sie würde schwanken. Sechs grossartige Wege auf fünf verschiedene Gipfel haben wir gemacht. Für die Kletterer unter den Lesern hier unsere Touren: Herkulesstein, Neuer Talweg, Obere Variante 7c, Kleine Herkules-säule, Herkules´Rippe 7b, Herkulesstiege 8b, Große Herkulessäule, Vollständige Nordwand 7b, Schraubenkopf, Gebrochene Kante 8a, Spannagelturm, Nordostwand 7c.

Am nächsten Tag sind wir zum mächtigsten Gipfel der Sächsischen Schweiz gegangen, dem Falkenstein. Hier wollte ich Fabian den Direkten Südriß (7a) zeigen, ein schnurgerader Handriß, der weiter oben zu einem Schulterriß und noch weiter oben zu einem engen Kamin wird. Für mich ein Superklassiker im Gebirge, ziemlich ausgesetzt und mit toller Linie. Allerdings möchte man in dieser Route schon ein bisschen die Rißklettertechnik beherrschen. Ausserdem sind wir am Falkenstein zwei weitere Klassiker geklettert: die Reginawand mit dem Zittauer Einstieg 8b und zum Schluss den Drachenrücken (8c) an der Westkante.

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Das linke Bild von Uwe Horst zeigt mich als winzigen roten Punkt am Beginn des oberen Drittels der Südwand. Zwei Meter links von mir erkennt man den Einstieg in den Teil des Südrisses, der nun hier oben zu einem Schulterriß geworden ist. Unweit von meiner Position befindet sich übrigens einer der beiden Ringe des Direkten Südrisses.

Rechts bin ich im oberen Drittel des Drachenrückens unterwegs, fotografiert von Simone Müller. Der Drachenrücken ist wohl die direkteste Variante der Westkante am Falkenstein. Für gute Kletterer sicher einer der spektakulärsten Wege der gesamten Sächsischen Schweiz. Für mich ist diese 8c das obere Ende meiner Möglichkeiten!

Gestern sollte Fabian Mike Jäger einen Gefallen tun, in dessen Bergsteigerunterkunft wir wohnten. Mike fotografiert ja schon seit vielen Jahren Kletterer in der Sächsischen Schweiz und gibt einen großartigen Kalender heraus, der inzwischen schon Kultstatus erlangt hat. Mike lotste uns an die Zyklopenmauer. Hier wollte er gern Fotos von uns in einer besonders fotogenen Route namens Klumpfuß machen.

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Leider war diese 9b auch im Nachstieg für mich eine Nummer zu groß. Das konnte ich auch schon von unten sehr gut beurteilen. Deshalb überliess ich meinen Platz als Nachsteiger gern einem anderen und beobachtete Mike bei der Arbeit.

Diese Route an der Zyklopenmauer auf eine Felsformation namens Teufelsdaumen war also leider nicht für mich zu machen. Zwar war ich drauf und dran, es doch zu versuchen, denn dieser Weg hatte eine phantastische Linie. Aber ich denke, man sollte einen Weg selbst im Nachstieg auch einigermaßen klettern können. Ist man sich dessen nicht sicher, läßt man besser die Finger davon. Denn es ist für den Vorsteiger bestimmt kein Vergnügen, seinen stundenlang im Seil hängenden frustrierten Nachsteiger hoch zu ziehen, ihm dabei auch noch gut zu zu reden und trotzdem die Geduld nicht zu verlieren. Deshalb beobachtete ich Fabian beim Klettern, und das ist auch schon ein Genuss für sich.

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Die Schlüsselstelle direkt am fünften Ring. Wenigstens kann sich der Vorstieger hier ganz auf den schwierigen Zug konzentrieren und muss nicht noch um sein Leben fürchten.

Ich habe noch nie jemanden mit einer solchen Leichtigkeit und Eleganz klettern sehen. Fast scheint es mir, als gebe es ein Geheimnis, welches den guten vom durchschnittlichen Kletterer unterscheidet. Und dieses Geheimnis hat nicht nur mit dem Bizepsumfang oder der Kraft in den Unterarmen zu tun.

Fabian und ich werden nun für vier Wochen in die französischen Alpen fahren, um uns unter Realbedingungen zumindest was die Routenlänge und die Gesteinsart anbelangt, auf unser Ziel vorzubereiten. Vielleicht finde ich ja etwas darüber heraus, welches sein Geheimnis ist.

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