Wiedervereinigung

Als ich heute morgen (17.03.) um kurz vor fünf aus der Lodge in Dragnak nach dem Wetter geschaut habe, war ich schon ein bisschen enttäuscht. Seit unserem ersten Trekkingtag konnten wir uns auf das Wetter verlassen. Morgens war es immer wolkenlos, strahlend, klar. Die morgendliche gute Laune war gesichert.

Wir starten in Gokyo in Richtung Dragnak, wohin wir ja nach unserem Pass Nummer 1, dem Renjo, abgestiegen sind. Im Hintergrund thront der 8200 m hohe Cho Oyu.

Heute war es anders. Nebel! Ich konnte die ausgestreckte Hand kaum sehen. Die Hoffnung, dass es im Laufe des Tages besser wird, ist an solchen Tagen zwar durchaus berechtigt. Aber sicher ist das natürlich nicht.

Wir sind wieder in zwei Abteilungen aufgebrochen. Thomas und Te Kumar um 5 Uhr, wir anderen eine Stunde später. Es ging gut voran und auch der Nebel lichtete sich rasch. Dafür setzte leichter Schneefall ein, aber noch gab es keinen Grund zur Klage. Der Weg blieb gut sichtbar, ab und zu lichteten sich auch mal die dichten Wolken und gestatteten einen zaghaften Blick auf die umliegenden Berge und den Pass.

Der Ngozumba-Gletscher muss überquert werden, um von Gokyo nach Dragnak zu kommen. Dragnak ist der Ausgangspunkt für unseren Pass Nummer zwei, den Cho La.

Trotzdem konnte ich diesen Tag nicht genießen. Ich war ein wenig in Sorge, dass es so richtig losgeht mit Whiteout und heftigem Schneefall. Das Wetter wollte sich nicht wirklich durchgreifend bessern und am Nachmittag wird es in aller Regel immer deutlich schlechter. Außerdem war einer unserer Träger weit zurück.

Ich habe natürlich nicht nur meine Gäste ständig im Blick sondern auch die Träger. Fünf von den sechs, die uns momentan begleiten, konnte ich hinter uns sehen. Sie waren schneller als wir unterwegs und würden uns bald eingeholt haben. Aber einer, Ganesh, fehlte. Er war allein, das gefiel mir nicht.

Aufbruch von Dragnak. Hier war das Wetter schon deutlich besser als anderthalb Stunden zuvor.

Es gibt hier das ungeschriebene Gesetz, dass niemand allein gehen sollte. Auch die Träger nicht. Aber ich kann mir den Mund fusselig reden, sie halten sich einfach nicht daran. Noch vor der Passhöhe hatten uns fünf überholt, aber von Ganesh weit und breit keine Spur.

Auf der Passhöhe warteten Thomas und Te Kumar auf uns. Und auch Te Kumar war anzumerken, dass er unruhig war. Wenigstens hatte sich das Wetter ein wenig gebessert.

Zwischenzeitlich gab das Wetter dann doch Grund zur Besorgnis.

Aber erst einmal hub der wohlverdiente Passhöhenfreudentaumel an. Man fiel sich um den Hals, umarmte und herzte sich und fotografierte, bis die Telefone glühten. Echte Kameras gibt es bei uns nur bei jedem zweiten. Fünf, um genau zu sein. Für mich ein echtes Phänomen.

Obwohl wir fast eine dreiviertel Stunde auf der Passhöhe verbrachten, war von Ganesh weit und breit nichts zu sehen. Aber noch wollte Kumar nichts unternehmen. Also begannen wir gegen viertel elf mit dem Abstieg. Wir kamen gut voran. Ruckzuck hatten wir den Cho-La-Gletscher überquert, und bald waren wir wieder in schneefreiem Gelände.

Von weiten sieht der Pass deutlich schwieriger aus, als er es dann tatsächlich ist. Auf dem Bild etwas rechts oberhalb der Bildmitte sichtbar. Er ist von den dreien der einfachste und demzufolge auch der am meisten begangene.

Nun bat mich Te Kumar doch, zurück gehen zu dürfen, um Ganesh zu helfen. Ich nahm seinen Rucksack und ließ ihn ziehen.

Wir anderen hatten schon gegen halb eins unsere Lodge in Dzongla erreicht. Und das war auch gut so, denn das Wetter verschlechterte sich jetzt von Minute zu Minute. Davor hatte ich mich gefürchtet. Aber wir waren in Sicherheit.

Am späteren Morgen gab es dann doch etwas längere Lichtblicke.

Ich allerdings war ein bisschen sauer auf meine Träger, weil sie Ganesh entgegen meiner Bitte allein gelassen hatten und sagte ihnen das auch. Und es dauerte genau eine Minute, bis drei von ihnen losliefen, um Ganesh entgegen zu gehen. Und eine Stunde später waren alle wieder da, einschließlich Ganesh und mir fiel ein Stein vom Herzen.

Auf dem Pass setzte sehr männliches Händeschütteln ein.

Heute war deutlich zu merken, dass wir alle bedeutend besser drauf sind als noch vor drei Tagen am Renjo-Pass. Allen geht es prächtig und bis auf den lesenden Bernd und die ebenfalls lesende Anna und den schreibenden Olaf werden Karten gekloppt, dass sich die Tischplatten biegen und die Fensterscheiben klirren.

Das obligatorische Passfoto mit Passstein und Passgebetsfahnen. Nur das ideale Passwetter hat gefehlt.

Heute (18.03.) sind wir die kurze Etappe von Dzongla nach Lobuche gelaufen. Das sind lockere zwei bis drei Stunden Gehzeit und nur 100 Höhenmeter Aufstieg. Nach der obligatorischen Nudelsuppe zum Mittag wollten wir noch einen Akklimatisationsspaziergang auf den kleinen Hausberg unternehmen, der direkt hinter Lobuche aufragt.

Auf dem Weg von Dzongla nach Lobuche kamen wir heute am Cholatse und am Taboche vorbei, zwei sehr beeindruckende Sechstausender. Im Bilder der Taboche.

Hier in Lobuche war ja geplant, dass wir wieder auf Katrin und Jens treffen, von denen wir uns ja leider in Lungden trennen mussten. Ich wusste, dass die beiden und Bijay auf dem Weg zu uns waren und in Dingboche gegen acht Uhr losgelaufen sind. Ich rechnete damit, dass die beiden so zwischen 14 und 15 Uhr hier in Lobuche eintreffen würden.

Heute sind wir in die Mutter aller Gebirgstäler eingebogen, in das Tal des Khumbugletschers. Hier thront der Everest, und ein halbes Dutzend anderer Weltberge. Im Hintergrund der 7145 m hohe Pumo Ri.

Doch als wir kurz nach halb eins zu unserem Spaziergang aufbrachen, hörten wir lautes Rufen. Und siehe da, es waren Katrin, Jens und Bijay, die uns winkten und riefen. Ganz offensichtlich hatten die drei einen neuen Geschwindigkeitsrekord für die Strecke Dingboche – Lobuche aufgestellt.

Es gab ein großes Hallo, die Wiedersehensfreude war riesengroß, vor allem bei mir, denn die beiden waren bestens aufgelegt und gar nicht traurig. Sie hatten mit dem Nangkartsong sogar schon einen Fünftausender bestiegen. Sogleich schlossen sie sich uns auf unserem Hausbergspaziergang an.

Wiedervereingung in Lobuche mit Katrin, Jens und Bijay. Heute war für mich ein sehr guter Tag!

Wir sind nun wieder vereint auf unserem Weg hinauf zum Everestbasislager und dem Kalar Pattar. Morgen werden wir nach Gorak Shep aufsteigen und am Nachmittag auf den berühmten Aussichtsgipfel des Kalar Pattar laufen. Übermorgen geht es dann zum Basislager und zurück nach Lobuche.

Von hier aus nehmen wir dann am 21. März die letzte Etappe unserer Reise in Angriff, den mehr als 5500 m hohen Kongma La. Er ist Pass Nummer drei auf unserer Liste und von allen der höchste. Unser Weg führt uns ins Imja Tal, mein persönliches Lieblingstal im Khumbu. In Chukhung werden wir Quartier nehmen.

Wir steigen der Akklimatisation zu liebe nachmittags gern auf kleine Berge. Unten liegt Lobuche, im Hintergrund etwas oberhalb und rechts der Bildmitte der letzte unserer Khumbu-Pässe, der Kongma La.

Tja und von dort aus geht es dann über Tengboche und Namche zurück nach Lukla. Das Ende unserer Tour durch das Herz des gewaltigsten Gebirges der Erde ist nun schon absehbar. Aber noch ist es nicht soweit. Einen Pass müssen wir noch bezwingen.

Und wenn das geschafft ist, gibt es hier bestimmt auch noch einmal eine Vollzugsmeldung. Aber jetzt ist erst einmal wieder Daumendrücken bei den Daheimgebliebenen angezeigt, damit auch alles klappt und wir gesund bleiben.

 

 

 

 

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3 Antworten

  1. Ingrid Hoppe sagt:

    Ich drücke Euch natürlich ganz doll die Daumen, auf dass Ihr den letzten Pass auch noch schafft und vorallem ohne Zwischenfälle.
    Ganz liebe Grüße an Anna die kleine Tapfere.

  2. Berger, Jens sagt:

    Hallo Nepal, hallo Olaf Rieck …. hier ist Jens Berger aus Thüringen. Ich bin 56 -jähriger Leichtathlet aus Gera und habe mir leider bei den Meisterschaften im Sommer 2022 im 200m Finale eine Achillessehne so lädiert, dass „ein Mitwandern“ 2023 außer Frage stand. Denn das war wirklich im Kopf. Tobias aus Ihrer Gruppe – inzwischen auf seiner zweiten Nepal-Tour – hatte mir „ordentlich Honig ums Maul geschmiert“. Bitte grüßen Sie ihn von mir, auch „meine Weiber“ (ich arbeite in einer Apotheke) fragten mich schon, ob denn der Tobias noch lebt. Ich habe dann sofort Fotos gezeigt aus Ihren News. Tolle Sache. Nun hat der arme Kerl ja bald alles geschafft. Und hoffentlich war er schön brav. Und hat nicht so viel rumgeschnattert. Denn er sollte seine angeschlagenen Stimmbänder schonen. Bis bald Tobias !! Wir denken hier an Dich. Auf zum letzten Pass ! Zieh durch. Hier in Deutschland ist der Frühling endlich da. Er empfängt Dich dann. Und wir Dich hoffentlich bald auch wieder. Und mach schön alles weiter was der Bergführer sagt. Dann kann Dir nix passieren. Gute Heimreise allen !!!!!! Bleiben Sie heiter und gesund. Jens
    P.S.: Ich habe den Traum von den höchsten Bergen der Welt noch nicht aufgegeben, Herr Rieck. Wenn ich wieder fit bin (Verletzung kann 1 bis 2 Jahre dauern) melde ich mich. Und meine Tochter Lydia (34, „verliebt“ in Hans Kammerlander, sie verfolgt all seine Aktivitäten auf Schritt und Tritt, bergverrückt) bringe ich auch gleich mit. Dann sind wir schon gleich zwei Bergers in den Bergen. Alles Gute für Sie !

    • Olaf Rieck sagt:

      Hallo Jens,
      jetzt hast du es also doch wahr gemacht und mir eine Nachricht ans andere und obere Ende der Welt geschickt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Leider komme ich erst heute mit Olafs Hilfe,- sprich Laptop) zum Antworten, da WLAN in den oberen Regionen nicht verfügbar ist. (Gott sei Dank, weil dadurch auch die Ursprünglichkeit der Abgeschiedenheit noch vorhanden ist)
      Wir sind jetzt auf dem Rückweg und alle sehr wehmütig….
      Ich werde dann ausführlich und mit tollen Bildern berichten und Dir noch weiter den Mund wäßrig machen.. 🙂
      Ich freue mich auf das Wiedersehen (im April) und grüße bitte auch deine Mädels von mir. Ich lebe noch…und wie…
      Liebe Grüße Tobi Taubert

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