Starke Entscheidung

Sie ist es immer wieder, die Striche durch unsere Rechnungen macht. Sie ist unberechenbar. Sie kann töten. Man kann sich nicht wirklich auf sie vorbereiten. Sie trifft oft die fittesten. Entgegensetzen kann man ihr außer Erfahrung, Geduld und Langsamkeit nur wenig. Ich spreche von der Höhe.

Unsere obligatorische Puja bei meinen tibetischen Nonnen in Thamo war wieder sehr schön und hoffentlich hilfreich (Foto: Te Kumar Rai).

Ich hatte es ja schon angekündigt, dass in der Höhe die Karten oft neu gemischt werden. Ich hoffte natürlich, dass dieser Spruch bedeutungslos bleiben würde. Zumal wir ja von Jiri ins Khumbu reingelaufen sind und wir deshalb akklimatisationstechnisch sehr gut aufgestellt waren. Leider wurde meine Hoffnung enttäuscht.

Zur Verabschiedung bekommen wir immer die Kata überreicht, ein Seidenschal mit dem eine Bitte verbunden ist: Nämlich bald wiederzukommen!

Katrin, eine der fittesten in dieser Gruppe, musste von Lungden aus, wo wir gestern morgen zur zweiten Etappe unserer Drei-Pässe-Tour gestartet sind, umkehren. Ihr ging es schlecht. Sie fühlte sich einfach nicht stark genug für den Renjo-Pass. Sie entschied sich, auf den Renjo zu verzichten.

Vor solchen klaren Entscheidungen habe ich allergrößten Respekt. Ihr Mann begleitet sie und auch mein bester Träger, Bijay Rai. In vier Tagen werden wir Katrin, Jens und Bijay in Lobuche wiedertreffen.

Die erste Station nach Namche Basar war das wunderschön gelegene Dörfchen Thame. Übrigens die Heimat gleich mehrerer weltberühmter Sherpas, wie Tensing Norgay, Erstbesteiger des Everest und Apa Sherpa, der lange Zeit der Weltrekordhalter bei der Anzahl der Besteigungen des Everest war.

Wir anderen sind um fünf Uhr (Thomas und Te Kumar) bzw. um 6.30 Uhr in Lungden (4350 m) gestartet. Es war bitterkalt, wir hatten Probleme mit kalten Händen, die wir immer wieder aufwärmen mussten.

Der Kang Tenga (links) und der Thamserku (rechts) im Abendlicht von Thame aus gesehen. Beide etwa 6500 m hoch.

Es ging trotz etwa 10-15 cm Neuschnee gut voran. Der Neuschnee macht das Gehen zwar etwas mühsamer, dafür die Ausblicke auf die frisch verschneiten Himalayariesen umso spektakulärer.

Ich habe durch die vielen Renjo-Pass-Überquerungen ein gutes Gefühl dafür, wann wir die einzelnen Abschnitte des Aufstieges erreicht haben sollten. Wir lagen von Anfang an gut in der Zeit.

Nichts in einer Lodge ist wichtiger als ein gut funktionierender Ofen. Der in unserer Lodge in Lungden war eine Wucht! Hier hat sich die Truppe um ihn „gekuschelt“. Und hier war die Welt für Katrin und Jens noch in Ordnung.

Das blieb auch so bis zur Passhöhe. Kurz vorher hatten wir Te Kumar und Thomas eingeholt. Auch das mit dem Zeitvorsprung für Thomas hat also ziemlich gut funktioniert.

Auf der Passhöhe gab es natürlich ein großes Hallo. Es wurden Hände geschüttelt, Menschen umarmt, unzählige Fotos gemacht. So wie sich das gehört, wenn man zum ersten Mal im Leben auf dem höchsten Punkt eines Passes mitten im Herzen des Himalayas steht. Knapp sechs Stunden haben wir für die 1000 Höhenmeter gebraucht.

Aufbruch von Lungden. Die glasklare Luft und das wunderbare Morgenlicht machten diesen Aufstieg zumindest für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Der Abstieg war dann nur noch Formsache. In deutlich weniger als drei Stunden erreichten wir die Alm von Gokyo, tranken Kaffee und Ginger-Lemon-Tee, aßen Coconut Cockies und bezogen unsere Zimmer. Und da es in Gokyo Internetzugang gibt, war ziemlich klar, was die Hauptbeschäftigung der Mehrzahl meiner Gäste am restlichen Abend war. Außer Dhal Bhat zu essen!

5370 m auf der Passhöhe des Renjo. Ein kleines bisschen schade war, dass sich der Everest, den man von hier oben in voller Größe bewundern kann, hinter Wolken versteckte. Aber ihn zu bewundern, haben wir ja noch andere Gelegenheiten.

Heute steht für einen Teil der Gruppe der Aufstieg auf den Gokyo Ri (5380 m) auf dem Programm, während der andere Teil auf dem kürzesten Weg über den Ngozumba-Gletscher nach Dragnak laufen wird. Dragnak liegt auf derselben Höhe wie Gokyo, der Weg ist nicht weit. Es sollte so eine Art Ruhetag werden, denn schon morgen wartet ja der nächste über 5000 m hohe Pass auf uns, der Cho La.

Es wäre sicherlich klug, sich zu regenerieren und die Speicher wieder aufzufüllen. Aber ich habe natürlich auch großes Verständnis dafür, in dieser absolut einmaligen Gebirgsregion soviel wie möglich sehen zu wollen.

Abstieg nach Gokyo am dritten See. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals um diese Jahreszeit fast vollständig eisfrei gesehen zu haben.

Ich selbst werde nicht mit auf den Gokyo Ri steigen, weil ich schon seit Beginn der Tour mit einer hartnäckigen Erkältung zu kämpfen habe, die in der Höhe eher quälerischer wird als besser. Also muss mich Te Kumar heute auf dem Gokyo Ri vertreten.

Wir melden uns voraussichtlich das nächste Mal, wenn wir mit dem Cho-La-Pass Teil drei unserer Tour hinter uns gebracht haben und in Lobuche (4900 m) wieder mit Katrin, Jens und Bijay zusammen getroffen sind.

 

 

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3 Antworten

  1. Helmut Hartmann sagt:

    Hallo Olaf, hallo liebe Gruppe. Ja es ist immer schwer eine solche Entscheidung zu treffen.
    Es ist ja meist so, dass man sich von seinen Träumen und Erwartungen heraus gerissen wird. Deshalb meinen allergrößten Respekt vor der Größe, Weitsicht, Stärke und auch Souveränität , diese Entscheidung für sich zu treffen – dies ist keine Schwäche sondern Stärke!
    Genießt das, was euch gegeben ist. Auch ohne diese „Höchstleistungen“ erfahrt ihr eine wunderbare und schöne Zeit in einer völlig anderen Welt. Diese Eindrücke sind mehr wert als der Pass oder Gipfel. Viele Grüße nach Nepal. Der Helmut

  2. Veronica sagt:

    Oh, das tut mir sehr leid für Katrin! Gute Besserung für sie! Schön aber, dass ihr bald alle wieder zusammen seid!
    Olaf, dir wünsche ich natürlich, dass die Erkältung bald überstanden ist!
    Liebe Grüße an euch alle,
    Veronica

  3. Petra & Stephan Seifert sagt:

    Hallo Olaf,
    inzwischen sind drei Tage seit Deinem letzten Blog-Eintrag vergangen. Inzwischen seid Ihr wahrscheinlich schon in Lobuche und habt damit vorher auch den Cho La bewältigt.
    Wie schon Judith und Wolfgang denke ich etwas wehmütig an unsere Tour 2018 zurück, auch wenn ich damals eigentlich schon am Deurali umkehren wollte.
    Ich hoffe, es geht Euch allen wieder gut und ich hoffe auch, dass Ihr Euch in Lobuche tatsächlich wieder getroffen habt.
    Ganz besonders herzliche Grüße an Te Kumar und Bijay Rai, der auf der letzten Stunde zum Deurali meinen Tagesrucksack geschleppt hatte, und natürlich an Tobi, seinen Bruder Andreas und den Rest der Gruppe, Dich selbstverständlich eingeschlossen.
    Euch noch eine erlebnisreiche Tour und kommt heil wieder zurück.
    Viele Grüße, Stephan und Petra.

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