Das Leben ist schön!

Ein Text von Anna Willweber, Bilder Olaf Rieck:

Wie schwierig sind manche Entscheidungen, wie klar und doch so unkar. Warum fällt es mir so schwer Entscheidungen zu treffen? Und woher weiß ich, ob sie richtig waren? Kann man das wissen? Vielleicht sind sie im nachhinein immer richtig gewesen.

Khumbu-Hundkind bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Streicheleinheiten von Anna genießen.

Zumindest weiss ich, dass diese Entscheidung, hierher nach Nepal zu kommen, mit eine der richtigsten und wichtigsten in meinem Leben war.

Wie stark habe ich davor gezweifelt. Warum eigentlich? Mittlerweile ist es vollkommen irrelevant. Gerade zählt nur noch das hier und jetzt. Be here now, so steht es auf meinem Arm, doch zu selten erinnere ich mich auch daran.

Die letzte Station auf der vierten Etappe unserer Reise durch das Herz des Himalayas war das Imja-Tal und Chukhung. Hier sind wir schon auf dem Rückweg. Im Hintergrund die Lhotse-Südwand und der Island Peak.

So viel habe ich in den vier Wochen erlebt, dass meiste davon steht in meinem Tagebuch, ein Teil in Olafs Blockbeiträgen und eine Menge in meinen Gedanken, in meinem Kopf. Und leider wird so vieles in Vergessenheit geraten. Das macht mich traurig. Genauso stimmt es mich wehmütig, zu wissen, dass wir nur noch wenige Tage hier sein werden.

Wie oft habe ich es verflucht, als es immer nur nach oben ging. Jeder Schritt, jede Treppenstufe war so anstrengend. Das Atmen wurde immer schwerer und doch würde ich nun lieber weiter aufsteigen, als ab.

Ich kann mich nicht satt sehen und- fotografieren an diesen herrlichen Tieren. Sie beeindrucken nicht nur durch ihr Aussehen, sie benehmen sich auch wie die Herren des Himalayas.

Mit jedem Schritt in Richtung Tal wird mein Herz ein klein wenig schwerer (dafür wird das Atmen wieder leichter). Wie gerne würde ich noch ein wenig in dieser wunderschönen Landschaft verweilen.

Als wir losgingen war noch alles grün, überall Bäume. Wir gingen durch mystische Rhododendronwälder mit roten und rosa Blüten, sahen viele Bananenbäume. Es war noch so schön warm. Doch je höher wir kamen, desto kälter wurde es leider, die Nächte wurden unangehmer und umso schöner wurde es, wenn die Sonne am Tage schien.

Es wurde zum Schluss auch noch mal richtig winterlich. Hier sind wir schon wieder unterhalb der Baumgrenze. Im Hintergrund ist das Kloster in Tengboche zu sehen.

Die Landschaft veränderte sich langsam, bald gab es nur noch Geröll, Felsen und vertrocknetes Gras, dafür umgaben uns wunderschöne, hohe, schneebedeckte Berge.

Mit jedem Tag, welchen ich in dieser Umgebung verbringe, erscheint sie mir schöner.
Seltsam ist mir der Gedanke, dass ich all das hier vermissen werde, sogar die Kälte und den Schnee, der so sanft heute schon den ganzen Tag fällt. Ich könnte stundenlang in der Kälte am rauschenden Flüsschen stehen, dem Schnee beim Fallen zusehen und einfach nur genießen.

Die großartige Ama Dablam (6856 m) mit Blick von Nordosten.

Doch in den nächsten Tagen wird der Schnee immer weniger werden, da es nun in Richtung Lukla geht. Bei jedem Meter, den ich gehe, versuche ich alles so intensiv wie möglich in mir aufzunehmen.

Alle Eindrücke möchte ich für immer in meinen Gedanken behalten. Sonnenlicht wie es auf die kühlen Riesen scheint (am schönsten ist ja immer noch das Streiflicht). Die großen, ruhigen, felligen Yaks, wie sie weit oben an den kahlen Hängen noch was zu fressen finden. Weit über ihnen die Vögel, die ihre Kreise in hohen Lüften ziehen, gleich den Wolken, welche alles am Himmel besonders machen.

Das prachtvolle Eingangstor des Klosters in Tengboche.

Und weit unten in den kleinen Dörfern die unzähligen flauschigen Hunde, welche immer sofort herbei kommen und sich freuen, wenn sie gestreichelt werden. Noch mehr freue ich mich darüber.

Jede Sekunde werde ich nun versuchen, zu genießen. Wie genieße ich es, die letzten Male euch alle zu beobachten, wie ihr so konzentriert Karten spielt, euren Gesprächen zu folgen, während wir alle um den schönen, warmen Ofen in der Lodge sitzen. Ich freue mich einfach nur, dass ich dabei sein darf, dass ich all das mit euch erleben durfte.

Tiefblick auf den Hauptort im Land der Sherpas, Namche Basar.

Noch so viele Worte könnte ich über diese unfassbar schöne Welt hier schreiben und würde doch genauso wenig gesagt haben, wie zu dem Zeitpunkt, als ich angefangen habe, meine Gedanken niederzuschreiben.

Was sind schon Worte, was sind Gedanken? Sie sind nichts, denn sie können niemals das aussagen, was ich hier in unzähligen Momenten wirklich gefühlt und für mich erlebt habe. Was diese Momente für mich bedeuten.

Ich liebe es, hier sein zu dürfen. Es sind unzählige Dinge, die ich hier liebe. Doch verstehen und nachvollziehen kann das wohl nur jemand, denke ich, der selbst einmal hier gewesen ist.

Zum Schluss immer noch mal eine kleine Zitterpartie-Einlage. Flugwetter oder kein Flugwetter, das ist bei den Inlandflügen von und nach Lukla immer die Frage. Wir hatten Glück! Meine Gäste steigen ein.

Ein wunderschöner Abschluss waren für mich die tausend und abertausend Sterne über Chukhung, dieser unendlich scheinende Himmel, umgrenzt von dunklen Bergen. Je länger ich hinschaute, desto mehr Sterne, auch die aller kleinsten, konnte ich entdecken.

Je genauer ich hinschaue, desto schöner wird die Welt.

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6 Antworten

  1. Veronica sagt:

    Eine schöne News von Anna, danke dafür! Ich kann Anna’s Gedanken und Gefühle sehr gut nachvollziehen! So geht es mir auch, wenn ich irgendwo war, wo es sehr schön war und die Zeit dort zu Ende geht …
    Euch allen am Mittwoch eine gute Heimreise!

  2. Claudia sagt:

    Liebe Anna,
    ich kann Dich beruhigen – keinen einzigen Moment wirst Du vergessen. Es bleibt so schön in Erinnerung, wie es gewesen ist. Ich war bereits zweimal dort und wenn ich Eure Bilder sehen, bin ich wieder mitten drin… als hätte ich erst gestern die Puja in Thamo erlebt oder den Cho-La-Pass gequert. Selbst das Klingen der Gebetsmühlen habe ich noch heute im Ohr… unbeschreiblich schön. Genieß es.
    Euch allen eine sichere Heimreise.

  3. Uli sagt:

    Hallo Anna, sehr schöner Text! Ich kann deine Worte bestätigen. Nepal trägt man für immer im Herzen. Meine erste Reise nach Nepal war 1993 mit dem Trekking Endpunkt Chukung. Damals noch auf eigene Faust und ohne Hitec. Es sollte nicht die letzte bleiben. Über den Renjo La bin ich von Gokyo aus kommend 2015 gegangen. Magic Place! Alles gut und liebe Grüße Uli

  4. Detlef Weyrauch sagt:

    Liebe Anna, sehr schön hast du deine Eindrücke geschildert. Sie werden bestimmt nicht in Vergessenheit geraten. Ich war bereits dreimal in Nepal, zweimal mit Olaf im Khumbu und einmal auf der Annapurna-Runde. Das erste Mal ist nun schon 21 Jahre her und ich erinnere mich immer noch sehr gerne an diese Zeit. Die außergewöhnlichen Erlebnisse sind wohl dauerhaft auf unserer Festplatte gespeichert. Es ist aber nicht nur die grandiose Natur, es sind auch die liebenswürdigen Menschen, die in den Bergen und auch in Kathmandu leben. Ich wünsche euch allen ein gute Heimreise. Liebe Grüße Detlef

  5. Ingrid Hoppe sagt:

    Liebe Anna,ich bin sooooo stolz auf Dich,die Zeilen machen Lust auf mehr.
    Ich glaub da gibt es viel zu erzählen, wenn Du wieder Heim bist,Ronny freut sich 100 pro auch schon darauf.
    Wünsche Euch eine gute Heimreise,freue mich schon auf 2024.

  6. Ute Wiechern sagt:

    Liebe Anna, ich habe das Wunder einer solch abenteuerlichen Reise nie erlebt und werde es auch nicht erleben, aber Ihr Bericht mit den schönen Fotos ist so eindrucksvoll, so tief aus dem Innersten geschrieben, daß ich das Gefühl habe, am Rande dabei gewesen zu sein. Danke.

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