Lailas kleiner Bruder

Eine wichtige und vor allem sehr wahre Bergsteigerweisheit stellt unmissverständlich fest: Solange du nicht wieder unten bist, gehört der Berg nicht dir sondern du gehörst ihm. Und zwar mit Haut und Haaren. 80 Prozent aller Unfälle geschehen auf dem Abstieg. Das ist kein Zufall und die Gründe dafür liegen auf der Hand.

Ein einziges Mal war ich ähnlich nervös vor dem Rückzug von einem Gipfel wie an der Laila. Nur am Monte Sarmiento auf Feuerland hatte ich ähnliches „Muffensausen“.

Doch bevor wir uns an den Abstieg machten, wollten wir drei euphorischen, kleinen Brüder der Laila eine Belohnung von ihr. Ich hatte meine Drohne und drei Akkus auf den Gipfel getragen, um uns dort oben zu filmen.

Am Shivling in Indien hatte ich dass ja schon einmal erfolgreich probiert, und es entstanden die großartigsten Filmaufnahmen, die mir je gelungen sind. Mir war noch so ungefähr in Erinnerung, welche Einstellungen auf dem Gipfel des Shivling die größte Begeisterung bei den Zuschauern meines Shivling-Vortrages auslösten.

Max im Vorstieg am ersten Tag in der Wand. Hier sind wir noch beim Fixieren des Fixseiles im unteren Wanddrittel.

Die wollte ich jetzt auf dem höchsten Punkt der Laila einfach wiederholen. Nachdem ich drei oder vier Sequenzen im Kasten bzw. auf der Speicherkarte hatte, geriet meine treue, kleine Drohne ins Schlingern und stürzte in die Tiefe. Und mit ihr die Bilder. Zack, weg war sie.

Doch der Gipfel dieses Berges ist nicht der Ort, um lange über diesen schmerzhaften Verlust nachzudenken. Wir mussten jetzt heil von diesem Berg wieder runter.

Ich hatte nur eine nebulöse Vorstellung davon, wie wir dass machen würden, hatten wir doch die Wand von rechts unten nach links oben einmal komplett in der Diagonalen durchquert. Im Aufstieg mag das ja noch gehen. Nun aber hieß es schräg durch die Wand abseilen. Viele Abseilstände müssten installiert werden. Soviel, so dachte ich, stand schon mal fest.

Doch es ging gleich gut los, denn auf dem Gipfel fand sich ein rechts seriös aussehender Abseilstand an einem fetten Stück Kernmantelseil. Thomas seilte als erster in die Tiefe zu einem weiteren vertrauenswürdigen Stand, den wir zuvor schon beim Aufstieg entdeckt und genutzt hatten.

Da wir nun schon zwei alte aber doch nutzbare Schlingenstände gefunden hatten, müsste es doch noch mehr davon geben. Und wir hatten Glück. Es fand sich Stand auf Stand mal mehr mal weniger vertrauenerweckend. Und ich konnte nur den Mut meiner beiden jungen Partner bewundern, die sich Schlingen anvertrauten, für die ich keinen Pfifferling mehr gegeben hätte.

Drei Achttausender sieht man vom Laila Peak aus. Zwei davon sind hier auf dem Foto, aufgenommen aus dem unteren Teil der Wand. Links der König der Berge, der K2 und rechts der Broad Peak.

Durch die vorgefundenen fixen Stände gewannen wir eine ganze Menge Zeit, die wir weiter unten aber wieder einbüßten. Die Fixpunkte an den von mir tags zuvor gebauten Abalakov-Eissanduhren, an denen wir das Fixseil befestigt hatten, waren so stark angetaut, dass wir sie erneuern mussten. Diesmal übernahm Max diesen wichtigen Job.

Die teilweise sehr schräge Abseilerei, wir mussten jedes Mal unangenehm weit aus der Fallinie hinaus queren, kostete abermals viel Kraft und Nerven. Nebenbei bauten wir das Fixseil ab.

Gegen 15.30 Uhr erreichten wir erschöpft aber sehr glücklich den Wandfuß. Hier wurde die Ausrüstung verstaut, die Seile eingezogen und aufgenommen. Dann machten wir uns auf die haarsträubende und von uns dreien meist gehasste Etappe an diesem Berg: Den Rückweg vom Wandfuß zum Hochlager.

Ich sage es ganz offen. Ich fürchtete mich regelrecht vor diesem Wegabschnitt. und das ganz zurecht. Thomas ging es scheinbar auch so. Die Unerschrockenheit von Max konnte ich nur bewundern. Er war ganz offensichtlich nicht so angespannt wie wir beiden anderen.

Nach mehr als 16 Stunden am Berg erreichten wir drei völlig erledigt aber heil und sehr glücklich das Lager. Mit Mühe und Not und viel Willenskraft, wurde noch gekocht, ehe es ganz schnell ruhig wurde in unserem Highcamp mal abgesehen vom allgegenwärtigen Wind dort oben.

Hier noch ein anderes Foto aus der Wand. Thomas noch im unteren, weniger steilen Drittel der 650 m hohen Gipfelwand.

Am nächsten Morgen dann überraschend zeitige Aktivität im Nachbarzelt. Der Tatendrang von Max und Thomas kannte zweifellos keine Grenzen.

Direkt über dem zweiten Hochlager ragt eine etwa 250 m hohe, sehr imposante Felsgestalt in die Höhe. Die wollten die beiden unbedingt besteigen. Ich sollte natürlich auch mit, doch mein verschraubter Fuß schmerzte dermaßen, dass ich kaum laufen konnte. Ich musste die beiden schweren Herzens ohne mich ziehen lassen. Schließlich wartete ja noch der Abstieg ins Basislager mit einem riesigen Rucksack auf mich, bzw. uns.

Nach vier Stunden standen die beiden abermals überglücklich wieder vor meinem Zelt, und es sieht ganz so aus, als hätten sie diesen wunderbaren Felsgipfel erstbestiegen. Es fanden sich nämlich keinerlei Besteigungsspuren. Weder auf dem Gipfel noch sonst wo. Und irgendwie müssten die potentiellen Vorgänger ja wieder runtergekommen sein.

Ich habe mich sehr für die beiden gefreut. Sie tauften diesen herrlichen Gipfel „Lailas little brother“. Einen Namen für ihre Route gibt es noch nicht. Die Schwierigkeit schätzen Max und Thomas mit 5 ein. Die Route hat drei Seillängen. Die unteren etwa 70 bis 100 m können von erfahrenen Kletterern problemlos seilfrei gegangen werden.

Dass dieser formschöne Felsen über dem Camp 2 nun „Lailas little brother“ heißt, kommt nicht von ungefähr. Ein Berg auf der anderen Seite der Laila, ebenfalls von Laila-Aspiranten erstbestiegen, wurde „Lailas little sister“ getauft. Rechts auf dem Foto der gewaltige, über 7000 m hohe Masherbrum.

Nun wurde es aber Zeit, den Turbo einzulegen. Ich hatte für die beiden gekocht, sie brauchten also nur noch ihre Siebensachen zusammen zu räumen.

Ich hielt es ja für ganz und gar unmöglich, alles aus dem Hochlager mit einem Mal ins Basislager herunter zu tragen. Schon aus Platzmangel in den Rucksäcken. Aber es wurde improvisiert, gestopft und geschnürt was das Zeug hält und irgendwann war alles verpackt und die Rücksäcke dementsprechend riesig und bleischwer.

Lange Rede kurzer Sinn, wir haben uns die 1300 Höhenmeter durch endlose Geröllhänge herunter geschleppt. Allerdings mussten Thomas und ich irgendwann doch passen. Ein nicht unerheblicher Teil unserer Ausrüstung blieb auf halben Wege zurück. Meinem Fuß und Thomas Knie haben wir nun zu verdanken, dass wir doch noch mal zu einem Spaziergang Richtung Lager 1 aufbrechen müssen.

Schwer bepackt vor dem Abmarsch vom Lager 2 zurück ins 1300 m Höhenmeter tiefer gelegenen Basislager.

Max, unser Mann aus Eisen, muss das nicht und freut sich schon den ganzen Tag darüber.

Als wir endlich unten im Basislager eintrafen, wurde uns müden Krieger ein Empfang bereitet, der alles in den Schatten stellt, was ich je auf den vergangenen zirka 20 Expeditionen, auf denen Leute im Basislager auf mich warteten, erlebt habe.

Doch wenn ich auch das noch erzähle, würde dieser Beitrag entschieden zu lang. Außerdem ist der Strom wieder einmal alle, ich muss mit dem „Empfang im Basislager“ also warten, bis die Sonne wieder scheint…

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Eine Antwort

  1. ..der Jacob sagt:

    Super Stark!
    Glückwunsch aus der Hauptstadt! 🙂
    Hat sich eure Unerschrockenheit und euer Einsatz gelohnt..
    R.I.P. kleine Zauberdrohne

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