Schneechaos

Ich habe es vergessen. Wie heisst dieser Spruch? Abendrot Schön- oder Schlechtwetter droht?? Vermutlich je nach dem was passt. Bei uns war die Sache jedenfalls eineindeutig. Als wir gestern zu unserer Akklimatisationstour nach Thame aufgebrochen sind, begann es zu schneien. Und nicht nur so ein bisschen.

Aber das hat mich nicht beunruhigt, weil es ja öfter am Nachmittag ungemütlich wird. Also blieben wir guter Dinge. Das änderte sich auch nicht, als wir zwei Stunden nach unserer Ankunft in Thame zur 200 m oberhalb des Ortes gelegenen Gompa (Kloster) aufbrachen. Es schneite inzwischen wie verrückt, doch wir ließen uns nicht abhalten. Ein paar Höhenmeter über die Schlafhöhe aufzusteigen, ist ja sowas wie ein Pflichtprogramm.

Aufstieg zum Kloster

Unser Akklimatisationsaufstieg ins Kloster war etwas für Liebhaber von Männerwetter, wie mein Vater immer zu sagen pflegte. Unten sieht man das Örtchen Thame.

Wir stiegen wieder zur Lodge ab. Es schneite. Wir krochen in unsere Schlafsäcke, es schneite immer noch. Und als ich heute morgen aus dem Fenster schaute, schneite es unvermindert, und es lag inzwischen mehr als ein halber Meter Schnee. Und nun hatten wir ein Problem. Übrigens gerade jetzt, wo ich das schreibe, also weitere acht Stunden später, hat es noch immer nicht aufgehört.

Was tut man in einer solchen Situation? Absteigen um fast jeden Preis, weil es kein Vergnügen ist, in Thame von der Aussenwelt abgeschnitten zu sein? Wer weiss wie lange und heftig der Niederschlag andauern wird? Oder warten bis irgend jemand anderes eine Spur nach Namche gezogen hat? Da kann man mitunter lange warten. Es gibt für die Sherpas keinen Grund für diesen Weg. Markttag war vergangenen Sonnabend.

Yaks

Sie sind ganz harte Typen. Schnee macht ihnen nichts aus. Sie lassen sich einfach einschneien. Wenn allerdings der Schnee zu tief wird, haben sie doch ein Problem. Sie setzen dann mit ihren Körpern auf und haben Schwierigkeiten, vorwärts zu kommen. Ich habe erlebt, dass die Treiber dann bei ihnen auf Granit beissen. Sie bleiben stehen, wenn der Schnee zu tief wird und gehen keinen Schritt weiter.

Die Wirtsleute unserer Lodge in Thame sind auch Freunde von mir. Mingmar Nuru kenne ich schon lange. Fast 20 Jahre bin ich jedes Jahr mit meinen Gruppen in seiner Lodge untergezogen. 2005 traf ich ihn am Everest in 6800 m Höhe. Er war ziemlich überrascht, mir am Everest zu begegnen. Ich kam von oben. Ein Gipfelversuch war gescheitert, und ich schaute wohl ziemlich deprimiert aus. Er nahm seinen riesigen Rucksack ab, kramte eine Weile darin herum, holte einen prächtigen Apfel hervor und schenkte ihn mir. Er hatte ihn anderthalb tausend Höhenmeter hier hinauf geschleppt, und nun schenkte er ihn mir.

Mingmar Nuru sah meine Entscheidungsnot heute morgen. Für ihn wäre es toll gewesen, wenn wir bei ihm in seiner Lodge in Thame geblieben wären. Ein Supergeschäft, elf Leute Kost und Logie. Aber er wusste auch, dass wir runter mussten. Erstens weil wir so gut wie kein Gepäck für diese eine Nacht mitgenommen hatten. Und zweitens, weil es für meine Gäste eben viel komfortabler in Namche ist, falls wir für längere Zeit festsitzen sollten. Also sprach er mit seinem Sohn und der mit seinen Kumpels. Und plötzlich boten sich vier starke Jungs an, mich beim Spuren zumindest auf dem ersten und schwierigsten Wegstück zu unterstützen. So war mir die Entscheidung deutlich leichter gemacht worden.

Sherpas

Was für prächtige Jungs. Möge Chomolungma sie beschützen!

Das ist einfach pure Freundschaft ohne Hintergedanken. Ich hätte nie damit gerechnet. Die haben das gemacht, weil sie sahen, dass ich Hilfe brauchte. Fertig. Deshalb bin ich auch so gern in Nepal.

Lakkubir blieb bei meinen Gästen, ich kämpfte mich mit den Jungs nach unten. Der Schnee reichte mir bis Mitte Oberschenkel. An manchen Stellen, wo es Schneeverwehungen gab, bis an die Brust. Dann mussten wir mit ganzem Körpereinsatz unsere Furche ziehen.

Spuren Sherpas

Solange man sich alle 100 m abwechseln kann, also aus der Bahn treten und sich dann ganz hinten wieder einreihen, ist so was kein großes Problem. Auch wenn es anstrengend aussieht. Der junge Mann ganz hinten übrigens gehörte nicht zu uns und hat diese günstige Gelegenheit ausgenutzt.

Nach zweieinhalb Stunden Spurarbeit, hatten die Sherpas genug, und ich musste alleine weitermachen. Unser Tagesziel war ja die Rückkehr nach Namche. Aber auf halber Strecke hatten wir noch einen obligatorischen Termin mit meinen Nonnen in Thamo, zu dem wir allerdings deutlich zu spät kamen.

Man kann es albern finden oder auch nicht, ich fühle mich besser, wenn meine Gäste und ich eine Puja gemacht haben, bevor die Tour in die Höhe so richtig losgeht. Und so wie es derzeit aussieht, scheint es bei dieser Tour auch besonders nötig zu sein, die Götter milde zu stimmen.

Spuren2

Als ich dann allein vorn war, ging es nicht mehr so rasch voran. Aber Helfried und Mario halfen mir. Weiter unten haben dann auch die Träger und Kubir tapfer mitgearbeitet. Alle ohne Ausnahme haben heute einen tollen Job gemacht.

Seit vorigem November ist ja nun nach fast zwanzigjähriger Bauzeit das neue Kloster endlich fertig geworden. Und ich war sehr gespannt auf die diesjährige Zeremonie. Und eigentlich war auch alles so wie immer. Nur eben in dem nagelneuen Klostergebäude.

Meine Nonnen freuten sich wie die Schneeköniginnen, uns zu sehen. Es war eine sehr schöne und intensive Zeremonie. Es gab Tee und Plätzchen während der Puja aber leider auch zwei Wermutstropfen. Da wir uns nun in einem geweihten Kloster befanden, darf nicht mehr fotografiert werden. Das ist schade. Ausserdem war es in dem Kloster eisekalt. So hatte ich das nicht erwartet. In dem Interimsklösterchen wurde nicht so gefroren. Deshalb gab es leider auch Klagen von meinen Gästen.

vor Kharikloster

Ich kenne keine glücklicheren und vor allem fröhlicheren Frauen als meine Nonnen im Khari Kloster in Thamo. Wenn ich von ihnen weggehe, bin ich immer ein besserer Mensch als zu vor.

Nun sind wir wieder wohlbehalten in Namche eingetroffen und genießen den relativen Luxus unsere Lodge. Ich denke intensiv darüber nach, wie es nun weitergehen wird. Nach Gokyo können wir bei diesen Verhältnissen definitiv nicht. Die Hänge über den Wegen hinauf sind lawinengefährlich.

Morgen (Inzwischen ist es schon morgen. Ich kann die news oft nicht hintereinander weg schreiben, weil das WLAN immer wieder aussetzt, was es in unserer Lodge in Namche neuerdings gibt.) werden wir auch auf jeden Fall einen nicht freiwilligen Rasttag einlegen. Ich muss Informationen einholen und nachdenken, wie wir jetzt das Beste aus dieser Situation machen. Fakt ist auf alle Fälle, dass uns die Schneeproblematik in den nächsten Tagen weiter beschäftigen wird.

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9 Antworten

  1. Olaf Rieck sagt:

    Hier noch ein kleiner Nachtrag. Morgen soll sich das Wetter bessern. Ich hoffe, die Vorhersagen stimmen. Also werden wir versuchen, weiterzugehen, haben unser Programm wegen Lawinengefahr allerdings umstellen müssen. Ab sofort wird es schwieriger, die Neuigkeiten abzusetzen, da ich Strom brauche, der weiter oben nicht überall zur Verfügung steht und eine Satellitenverbindung, die in den Bergen nicht immer vorhanden ist. Vor allem die Zahl und die Qualität der Bilder wird deshalb eingeschränkt sein, weil die Verbindung häufig abbricht und ich dann immer wieder neu ansetzen muss. Und nun Daumen drücken, dass sich das Wetter jetzt tatsächlich bessert. Viele Grüße aus dem tiefverschneiten Himalaya.

  2. Mayk Zieschang sagt:

    Junge, Junge, was für Bilder, was für ein Schnee. Ich habe das Kloster in Thamo kaum wiedererkannt. 🙂 So kommt Action auf! Dennoch wünsche ich Euch allen gutes Vorwärtskommen und Wetterbesserung. „Männerwetter“ klingt gut. Meine Mutter hätte jetzt gesagt:“ Junge, paß auf, wo Du hintrittst!“ In diesem Sinne! Mayk aus Plaue

  3. Veronica sagt:

    Was für ein Wetter!! Der Schnee sieht zwar toll aus, aber um vorwärts zu kommen ist er natürlich nicht wirklich hilfreich. Ich drücke die Daumen für besseres Wetter!

  4. Dirk Juling sagt:

    Oh Oh, das war ja ein Hammertag, was kann nun noch kommen? Die Wetterfutzis im I-Net wieder sprechen sich, aber „Wetter.com“ sagt Gutes voraus, wollen es für Euch hoffen. Schneeschuh habt Ihr nicht mit, hihihi……?????
    Nun muß der liebe Olaf wieder improvisieren, naja, aber nur so kommt man zum Abenteuertrip…. Ihr sollt ja die Tour auch nie vergessen, müßt nur gut mit Eurem Boss verhandeln, daß der Abenteuerzuschlag nicht zu deftig wird.
    Gruß Dirk

  5. Müller Gunter sagt:

    Hallo Herr Rieck,
    wir sind zwar zu Hause aber durch Ihre einzigartigen Berichte mittendrin. Nach dieser Spannung wünschen wir Ihnen und ihrem Team eine Entspannung.
    Liebe Grüße
    Karla und Gunter Müller

  6. Liebe Trekker mit Olaf an der Spitze! Danke, dass ihr uns so ausführlich an der Reise teilnehmen lässt. Wir schauen täglich nach und staunen über die Erlebnisse. Ich wünsche Dir, Olaf, weiterhin so viel Kraft für diese Beiträge (gar nicht so einfach, wer dort war!) und Gesundheit für alle beim Weiterweg. Gruß, Erhard auch im Namen Fam. Kriehmig. (Alles o.k. hier)

  7. Elke sagt:

    Liebe Trekker klingt sehr gut !!( habe ich abgeschrieben)
    Die Spannung der Berichte und Fotos ist ja kaum zu übertreffen, viel Erfolg und viel, viel Glück für die kommenden Tage wünsche ich Ihnen, und ihren Gästen.
    Elke aus Borna

  8. Thomas Schmidt sagt:

    Hallo Olaf & Gruppe,
    Uns ging es damals (2009) ähnlich – wir wollten über den Renjo La und sind in Lungde (nördlich von Thamo) eingeschneit, haben uns auch für den Abstieg entschieden und in Folge unseren gesamten Plan geändert…
    Schreibe das hier, weil die Planänderung hatte aus meiner Sicht (fast) nur Gutes: statt über 2 Pässe (Renjo La & Cho La) sind wir damals auf 2 Berge (Chhukung Ri & Khalar Pathar) und insofern vermisse ich die 2 Pässe nicht 🙂

    Ohnehin kann mas so viel tolle Sachen machen im Khumbu und da stört der Schnee vielleicht nur bedingt. Wie wär’s z.B. mit Ama Dablam B.C.?
    Nur bitte: achtet weiter auf die Lawinen, weil die sind tückisch !!

    Alles Gute + besseres Wetter,
    Thomas

  9. Fettt sagt:

    Hey Onkel Henni, deine Nichte freut sich immer sehr dich auf den Fotos zu entdecken und tippt dir dann auf die Nasenspitze! Bin beeindruckt von den Eindrücken, die hier geschildert werden! Alles Gute für den weiteren Weg, besseres Wetter und gute Sicht wünschen wir euch! Liebe Grüße…

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