Trotzdem verloren (Teil 2)

Unsere Zeit hier ist sozusagen mehr als abgelaufen. Wir müssen nun sehr schnell packen, denn schon heute (10.08.) kommen die Träger. Und die ersten werden auch heute wieder gehen. Denn für die Träger ist es eine Tortur, hier oben bleiben zu müssen. Es ist einfach zu kalt für sie.

Einigen von ihnen bleibt aber nichts anderes übrig, als hier zu übernachten, denn vor allem die Ausrüstung unserer Küchenmannschaft wird erst morgen früh eingepackt. Das meiste von unserem Zeug kann aber heute Nachmittag schon weg.

Wir müssen nun in drei Tagen absteigen. Ich darf mir das gar nicht vorstellen, wie wir das realisieren sollen. Das geht nämlich nur über den Gondogoro Pass. Aber der ist derzeit auch tief verschneit. Eigentlich soll er sogar geschlossen sein. Müssen wir unten herum gehen, also den Weg über den Baltorogletscher, schon ganz und gar, wenn wir vor dem Pass umkehren müssen, dann werden wir es nicht rechtzeitig nach Islamabad schaffen. Aber Jammern hilft auch hier nicht, denn das haben wir uns ja nun wirklich selber eingebrockt. Ich wünschte nur, dass es auch was genutzt hätte, buchstäblich bis zur letzten Sekunde hierzubleiben.

Was in diese Tonnen kommt, muss knochentrocken sein. Wer weiss, wie lange sie nach Deutschland brauchen, wenn schon die kleine Grusspostkarte fast vier Wochen unterwegs war.

Es wird also auch während unserer letzten Tage hier spannend. Zeit zum Nachdenken bleibt nur in der Nacht. Das ist unangenehm, denn Schlafen kann ich dann irgendwie nicht. Deshalb hab ich die letzte mit dem Sichern von Bildern und dem Newsschreiben verbracht. So ist die Nachgrübelei wenigstens produktiv.

Und das erste, was sich immer wieder in den Vordergrund drängt, sind echte oder vermeintliche Fehler, die wir gemacht oder vielleicht auch nicht gemacht haben. Mit dem jetzigen Wissen hätte man eben doch das eine oder andere anders machen müssen. Ein Beispiel will ich nennen.

Wenn wir bei dem Versuch, das zweite Mal Lager 2 zu erreichen, um dort zu übernachten, nicht umgekehrt wären, sondern durchgezogen hätten, dann wäre sicher vieles anders gekommen. Wir hätten Zeit eingespart. Im Nachhinein wissen wir, es war möglich, aufzusteigen. Auch wenn uns an diesem Tag sämtliche Leute hier für komplett verrückt gehalten hätten, denn alle anderen sind an diesem Tag ins Basislager abgestiegen. Doch die Bedingungen während unseres gerade absolvierten Aufstieges ins Camp 2 waren wesentlich widriger als an diesem 21. Juli. Das Fragezeichen hinter dem Newstitel „Keine Chance?“ ist bezeichnend dafür, dass ich da schon ahnte, dass dieser Rückzug womöglich Konsequenzen haben würde.

Also mit solchen Analysen verbringe ich nun meine Nächte. Und da kann ich mich auf den Kopf stellen, trotzdem wird das in der nächsten Zeit auch so bleiben. Es gibt nämlich wenig in meinem Leben, worum ich härter gerungen habe und wo eine Enttäuschung tiefgreifender war.

Unsere Träger trudeln nach und nach ein. Sobald man sie anlächelt und ihnen sagt, wie stark sie sind und wie wichtig für uns, sind sie glücklich wie Kinder. Unweigerlich kann ich mir dann nicht mehr vorstellen, dass unter jenen vielleicht auch Leute sein könnten, die womöglich den radikalen Taliban nahestehen.

Das nächste, woran ich ständig denken muss, ist die Rolle von Christoph. Er war keineswegs unerfahren, als wir hier eintrafen, wie eine Kommentarschreiberin vermutet hat. Höchstens in Sachen brutaler Spaltensturz. Aber das war ich bis dahin auch. Allerdings ist das Christophs erster Achttausender. Und das ist eine wirklich andere Hausnummer und ganz und gar kein Kindergeburtstag. Wie er all die Strapazen und Widrigkeiten gemeistert hat: Die eisigen Hochlageraufenthalte, die unsägliche Schlepperei und die oft sehr kurzen Nächte, dass verdient nicht nur große Hochachtung und Respekt. Das hat mich sogar sehr verwundert. Keine einzige Klage, niemals auch nur ein lautes Wort, nie schlechte Laune oder Wut. Mein Gott, bei mir war das anders. Und auch das hat Christoph mit stoischer Gelassenheit ertragen.

Ich hatte schon tolle Partner, wie Georg, Fabian, Mario oder Alex. Und Christoph gehört nun auch zu diesen. Jederzeit wieder Christoph und vor allem nach dieser Aktion hier.

Bedanken muss ich mich auch bei meinem Team zu Hause, allen voran bei Uwe Daniel. Fast jeden Tag ein aktualisierter Wetterbericht! Das hat einen Haufen Arbeit gemacht. Und oft haben sie auch gestimmt. Es ist aber auch extrem schwierig, hier das Wetter vorherzusagen. Und man braucht eine gewisse Zeit, die Vorhersagen richtig zu interpretieren. Das geht dann immer besser, wenn man oft die Gelegenheit hatte, den Bericht und die Wirklichkeit miteinander zu vergleichen.

Unnahbar auch in den letzten Tagen. Der Blick auf den Hidden Peak von Nordwesten. Abgelichtet auf dem Weg zwischen Lager 2 und 1. Eigentlich sieht er von allen Seiten fast unbesteigbar aus. Und für uns war er das ja auch.

Ohne die anderen, wie Alex und Katja, die meine Infos ins Netz gebracht haben und vor allem Janina, die die Dinge des täglichen Lebens am Laufen gehalten hat, geht eine solche zweimonatige Aktion heutzutage sowieso nicht mehr. Ich bin ein bisschen stolz darauf, solch ein Team zu haben. Danke Euch allen!

So nun ist die Nacht zu Ende, der Koch ruft gleich zum Frühstück und die gähnend leeren Tonnen wollen mit sauberer und vor allem trockener Ausrüstung gefüllt werden. Wollen wir hoffen, dass das Wetter wenigstens heute mal mitspielt.

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2 Antworten

  1. Karin sagt:

    Endlich ein Lebenszeichen! Sicher möchte man siegen und erfolgreich sein. Noch dazu wenn man kämpft, wie ein Bär und sich in Lebensgefahr bringt.Ich verstehe die Enttäuschung,sie sollte sich aber möglichst schnell verziehen.Ihr habt Großes geleistet,seid bitte zufrieden mit dem Erreichten.Wir sind alle nur Menschen! Weiterhin guten Weg.
    Grüße aus Rötha

  2. Peter (Heinz) sagt:

    Hallo Olaf, hallo Christoph,

    ich bin gerade aus dem 2. Teil meines Urlaubs zurück und mußte mit Bedauern feststellen, daß mein Daumendrücken leider nicht viel gebracht hat. Es war wohl dem Wetter und dem Berg egal.
    Das Euch jetzt „was wäre …, wenn…“ durch den Kopf geht, kann ich gut verstehen, aber für das Ergebnis gibt es zwei Alternativen. Ich denke Ihr habt alles richtig gemacht, hinterher ist man immer schlauer. Also nicht ärgern.
    Für den Rest der Reise noch viel Glück.

    Grüße aus Leipzig

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