In den Klauen des Teufels

Der Wetterbericht verkündete Unsicherheit, deshalb haben wir unsere Pläne bezüglich der Aiguille Dibona geändert und sind noch weiter in den Süden gefahren. Unser erstes Ziel war die Region Dévoluy. Hier gibt es verträumte Dörfer mit uralten Kirchen, kaum Menschen und grossartige Kalksteinwände. Routen von 500 Klettermetern und mehr sind keine Seltenheit. Doch als erstes mussten wir uns einen Schlafplatz suchen. Das ist hier in der Gegend aber alles andere als schwierig, weil es von schönen Plätzen mit tollen Aussichten nur so wimmelt. Wir bezogen unser Nachtlager auf einem kleinen Hügel in der Nähe einer uralten Kirche. Und irgendwie stand dieser Ort unter dem Kreuz in Beziehung zu unserem Kletterziel am nächsten Tag. Doch davon wussten wir an unserem ersten Abend in der Dévoluy noch nichts.

kreuzkirche

Übrigens hatte es mir diese wunderschöne kleine Kirche ganz besonders angetan. Fast 1000 Jahre steht sie nun schon hier und mich faszinierte der Gedanke an all die Ereignisse und Menschen, auf welche diese alte Kapelle in den vielen Jahrhunderten herab geblickt hat.

Am nächsten Morgen studierten wir die Kletterführer. Unsere beiden Gastgeber waren ja diesbezüglich bestens ausgestattet, so dass wir hier überall den richtigen dabei haben. Wir suchten uns eine der bedeutendsten Wände der Region aus. Über 500 Meter ragt sie an einigen Stellen in den Himmel. An der Ostseite dieser gewaltigen Kalksteinwand stiessen wir auf eine Route, welche im Führer als „une des plus belles“ des gesamten Gebietes beschrieben wird. Sie sollte also eine der schönsten hier sein, doch ihr Name machte mich nervös. Irgendwie haben Routennamen oft mit dem zu tun, was einen dann auch erwartet. „Sous la griffe de Lucifer“ hörte sich beunruhigend an. Die Schwierigkeit für die 400 Meter lange Route ist mit ED- angegeben, die einzuplanende Zeit für die 13 Seillängen mit 5 bis 7 Stunden. Einzelne Kletterstellen lagen im Bereich 8- bis 8, eigentlich zu schwer für mich. Doch Fabian mit seinem ansteckenden Optimismus zerstreute meine Befürchtungen. Also begaben wir uns nach einer Nacht unter dem Kreuz in die Klauen des Teufels. Und ab jetzt kann ich es eigentlich kurz machen.

teufel

Nach oben hin reihte sich eine siebener Seillänge an die andere, alle 30 bis 40 Meter lang. Meine Unterarme waren bald so hart wie Holz. In den letzten drei Seillängen war an Vorstieg nicht mehr zu denken.

Wir hatten mit der Marche au supplice (siehe news „Die Tiefe der Zeit“) schon eine Route im Schwierigkeitsgrad ED- geklettert. Auch sie war 400 Meter lang, und die Zeit für den Durchstieg war ebenfalls mit 5 bis 7 Stunden angegeben, was hier auch völlig ausreichte. Doch mit dieser Route hatte „Sous la griffe de Lucifer“ nichts zu tun. Die gesamte Wand war senkrecht oder leicht überhängend. Fast alle Seillängen erwiesen sich als durchgehend schwer und kamen mir endlos lang vor. Die Bewertung der Schwierigkeit ist ungleich härter als in Ailefroide, wo wir bisher geklettert waren. Wenn ich mit dem Vorstieg dran kam, dann hatte ich wirklich das Gefühl, mich dem Teufel auszuliefern, zu mal die Hakenabstände hier plötzlich doppelt oder dreifach so weit sind, wie ich inzwischen gewohnt war. Und obwohl Fabian die eine oder andere schwere Seillänge für mich mit übernahm, kamen wir viel langsamer voran, als erwartet. Nach sieben Stunden hingen wir noch mitten in der Wand, in der es mit zunehmender Höhe immer kälter und vor allem windiger wurde.

hose1

Am Einstieg noch hochsommerlich warm und nach sieben Stunden in der Wand windig und kalt. Fabian übt sich hier in der Disziplin Hosenanziehen am Stand ohne den Klettergurt abzulegen.

Doch wie das eben beim etwas ernsthafteren Bergsteigen so ist, Jammern hilft nichts. Wir bzw. vor allem ich musste da nun durch, denn hier waren wir Gefangene der einmal getroffenen Entscheidung. Das ist ja eigentlich auch das Aufregende an der ganzen Sache. Mehr als neun Stunden brauchten wir, uns aus dem Griff des Teufels zu befreien. Und ich hatte die schwerste Route meines Lebens geklettert, sicherlich zu schwer für mich, zumindest um schnell zu sein. Fabian sei Dank!

Am nächsten Tag sollte es aber gleich so weiter gehen. Schliesslich waren wir zum Klettern hier. Doch an unserem zweiten Ziel in der Dévoluy machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Nach drei Seillängen mussten wir im Sturm den Rückzug antreten. Es war einfach zu windig, um schwer zu klettern. Das musste selbst Fabian anerkennen, den so schnell nichts aus der Wand vertreiben kann.

Das Wetter erschien uns nun auch hier zu unsicher, um lange und schwierige Routen zu klettern, deshalb machte Fabian den Vorschlag, in eines der bedeutendsten und schönsten Sportklettergebiete Südfrankreichs zu fahren und zwar nach Ceüse. Fabian schwärmte in den höchsten Tönen von herrlichen Routen in bestem Gestein aber auch von kultigen Biwakplätzen an denen sich in der Saison Spitzenkletterer aus der ganzen Welt treffen. Fabians Augen leuchteten, und ich war ziemlich neugierig.

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