Mein Alptraum

Alpträume sind hoffentlich nicht dazu da, in Erfüllung zu gehen. Aber wozu sind sie dann da? Vielleicht eine Starallüre unseres Gehirns? Will es uns ängstigen, nur so aus Spaß? Uns aufwecken, schweißgebadet? Oder will es uns vor irgendetwas warnen?

Nach dem wir mehr als eine Woche auf unsere Tonnen mit der Ausrüstung warten mussten und sie endlich am 30. Juni bei uns im Basislager eintrafen, sind bis zum Schreiben dieses Beitrags nur 11 Tage vergangen.

In diesen 11 Tagen haben wir drei Nächte in Lager 1 (5900 m) und zwei in Lager 2 (6400 m) verbracht. Und seit vorgestern steht auch ein Lager-3-Zelt in 7100 m Höhe oberhalb des „Japaner Couloirs“. Lager 2 ist voll ausgestattet und dient nun als ein vielleicht etwas hochgelegenes, vorgeschobenes Basislager.

Schleppen war in den vergangenen 11 Tagen angesagt. Hier habe ich gerade den Rucksack mit meinem Krempel geschultert, der nun rauf muss ins 2. Hochlager. Im Hintergrund die Südwestwand des Gasherbrum II (Foto: Jacob Andreas).

In Lager 1 gibt es nur noch ein Zelt, einen Kocher, Gas und Nahrung. Hier wollen wir nicht mehr übernachten sondern nur noch „auftanken“ vor dem Weiterweg ins Camp 2.

Ob wir das dritte Hochlager ebenfalls voll ausstatten, hängt von den Wetterprognosen ab. Ist uns nur ein kurzes Fenster mit gutem Wetter vergönnt, werden wir unser höchstes Lager lediglich als Durchgangsstation nutzen. Falls uns die Innsbrucker jedoch mehrere gute Tage vorhersagen, dann könnte ich mir vorstellen, dort oben vor und womöglich auch nach dem Gipfelgang zwei Nächte zu verbringen.

Und da wären wir beim Thema. Die gesamten 11 Tage und sogar noch einige der Wartetage hatten wir geradezu perfektes Wetter. Eine solch lange Periode mit schönem Wetter habe ich hier noch nie erlebt.

Wieder ist alles für den Gipfel bereit. Genau wie 2012 als ich mit Christoph Descher mutterseelenallein am Berg fast die gesamte Japanerrinne versichert habe. Kurz vor Lager 3 sind wir total erschöpft umgekehrt. Wir mussten für ein paar Ruhetage ins Basislager absteigen. Doch in den verbleibenden neun Tagen am Berg schneite es fast ununterbrochen.

Jacob und Sven in der steilen und komplett vereisten Einstiegsrinne des etwa 700 Höhenmeter messenden Japaner Couloirs.

Die Lawinengefahr erhöhte sich von Tag zu Tag. Es war ein regelrecht selbstmörderisches Unterfangen, unsere beiden Lager vom Berg zu holen! Der Gipfel rückte in unerreichbare Ferne.
Und heute Nacht hat mich das wieder eingeholt. Ich träumte von soviel Schnee, dass die Schneelast mein Zelt zerquetschte, und sich in meinen Schlafsack ergoss. Von allen Seiten dröhnte das Donnern der Lawinen. Alles war unter meterhohem Schnee begraben und ich erfror, weil ich meine Sachen nicht mehr finden konnte. Na wenn das kein Alptraum war?

Es ist nun mal so, dass ich ständig daran denken muss, wie ich damit zurecht kommen würde, wenn unsere Wetterglückssträhne nun vielleicht ebenfalls zu Ende ginge. Wundern würde mich das nicht, denn irgendwann ist dies das Schicksal jeder Schönwetterperiode. Wie gesagt, ich träume inzwischen jede Nacht genau davon.

Höhenbergsteigen ist kein Ponyhof. Eine halbwegs ebene Zeltplattform für ein VE 25 (Drei-Frau-Zelt von The North Face) in 7100 m Höhe aus dem steinhart gefrorenen Boden zu hacken, bringt in diesem Fall Männer und Pickel an jegliche Grenzen.

Doch halt, so schwarzmalerisch geht es zwar in meinem Kopf zu. Und ich frage mich wozu? Aber die Realität sieht weit besser aus als 2012. Wir haben viel mehr Zeit als damals. In der Nacht von vorgestern zu gestern hat es tatsächlich teilweise recht heftig geschneit. Aber nun scheint schon wieder die Sonne, während ich das schreibe.

Wir sind zu dritt und nicht nur zu zweit. Und meine beiden sehr jungen Mitstreiter sind stark und voller Tatendrang.

Auch der Wetterbericht für die kommenden Tage sieht gar nicht so alptraumhaft aus. Wir können also auf unsere Chance hoffen. Doch bevor es soweit ist, müssen ein paar Ruhetage sein. Wir werden trinken und essen und schlafen so viel es eben geht. Und genießen. Denn der Komfort eines Basislagers ist gerade durch nichts zu übertreffen. Und vielleicht träume ich deshalb dann nächste Nacht nur von einem kühlen Bier oder einer Apfelschorle.

Aber das wird leider ein Traum bleiben, aber wenigstens kein Alptraum.

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3 Antworten

  1. Jens Karbowiak sagt:

    Hallo Olaf, hi Sven und Jakob,
    ich bin in Gedanken bei Euch und versuche mir gerade „den Komfort eines Basislagers“ in Erinnerung zu rufen. DAS ist ein Alptraum!
    Meine Erfahrung mit den bösen Träumen ist die, dass man manchmal „Schlechtschlafphasen“ und dann wieder „Gutschlafphasen“ hat. Also, sei optimistisch, denn nun kommt die andere Phase.
    Das Wetter ist relativ: In CB sind die Temperaturen gerade von 40°C auf 15°C gefallen. Wer weiß schon, wozu das gut ist? Aller guten Dinge sind drei und diesmal passt das Wetter, bestimmt.
    Wo ist denn der Rest Eurer Truppe abgeblieben?
    Viel Umsicht, Glück und Erfolg
    Jens K.

  2. Bernd Weimann sagt:

    Hallo Olaf. Soll ich schnell kommen, und dir was hochtragen? Haltet durch! Viele Grüße von der Schneekoppe- Bernd Weimann

  3. matze sagt:

    stift paß auf dich aus ..

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