arcadia        


Zweiter Tag in Kathmandu, 11.10.2002

Genau 10 Minuten nach unserer Ankunft im Hotel gestern hat Frau Hawley angerufen. Ich frage mich immer, woher die Dame so schnell weiss, dass wir da sind. Und warum sie die Expeditionen immer sofort sehen will. Ich konnte sie auf den heutigen Tag vertrösten. Also hatten wir um 10.00 Uhr den ersten Termin im Garten unseres Hotels. Fau Hawley kam wie immer mit ihrem 40 Jahre alten himmelblauen VW-Käfer. Eine britische Lady wie sie im Buche steht. Wenn man ihr die Wagentür öffnet, ihr den Stuhl zurechtrückt und auch sonst ihre uneingeschraenkte Autorität anerkennt, dann kann sie sogar richtig freundlich sein. Das erstaunlichste ist aber ihre Motivation immer noch, wie schon seit 1960 mit inzwischen über 80 Jahren jede Expedition zu besuchen, sowohl vor als natürlich nach der Expedition. Jeden einzelnen Teilnehmer will sie persönlich kennenlernen. Und wehe einer fehlt, schliesslich ist es eine Ehre sie kennenlernen zu dürfen. Und das ist es tatsächlich. Es gibt niemanden auf der Welt, der mehr über das Bergsteigen im Himalaya weiss als sie.


Miss Hawley bei uns im Nirvana Garden Hotel

Meine erste Frage an sie war natürlich, ob schon jemand anders im Frühjahr an unserem Berg war, denn er ist ja schon seit dem vergangenem Herbst geöffnet. Es war Gott sei Dank niemand vor uns dort und es wird auch niemand mit uns dort sein. Wir sind also tatsächlich die ersten. Der schnelle Entschluss nach Öffnung des Berges hat sich also gelohnt. Über eine Stunde lang fragte die englische Lady uns aus. Jedes Detail unseres Planes interessierte sie. Und als sie endlich zufrieden war, hielt sie mir ihren Arm hin und liess sich zu ihrem Wagen zurückgeleiten. Zum Schluss beglückwuenschte sie mich zu diesem wirklich sympathischen Team. Sie hat dafür offensichtlich einen guten Blick.

Der nächste Termin war weniger erquicklich. Wir mussten ins Tourismusministerium, um das sogenannte "Briefing" zu absolvieren. Lydia begleitete mich. Dort wurden wir abermals ausgequetscht und darüber belehrt, was wir zu tun und zu lassen hatten und was nicht. Wir wurden unserem Verbindungoffizier vorgestellt und über die Regularien belehrt, wie wir mit unserem Müll zu verfahren haben. 1000 US-Dollar mussten wir hinterlegen, die in dem Fall einbehalten werden, wenn der Offizier meint, wir hätten nicht alles nach Vorschrift erledigt und entsorgt. Daraus ergibt sich übrigens eine sehr unangenehme Abhängigkeit von diesen Offizieren.


v.l.n.r.: unser Verbindungsoffizier, der Minister und ein Beamter des Tourismusministeriums bei sogenannten Briefing

Das dort auf dem Ministerium meist auch das ein oder andere Problem zu lösen sein wird, war Lydia und mir klar, aber das es so dicke kommen wuerde, damit hatten wir nicht gerechnet. Uns wurde die Liste mit den Namen der Expeditionsteilnehmer gereicht. Dort stand Carsten nicht mit drauf, sondern Ralf Brummer, der schon seit Monaten seine Teilnahme abgesagt hatte und für den Carsten eingesprungen war. Ich hatte das der Agentur mitgeteilt, die Agentur hatte das dem Ministerium mitgeteilt, aber die hatten versäumt, die Namen zu ändern. Nachdem wir die Beamten auf den falschen Namen aufmerksam gemacht hatten, bedeutete man uns, das so ein Name nicht einfach so geändert werden könne. Eigentlich sei das völlig unmöglich. Aber für uns würde man eine Ausnahme machen. Aber 10 Tage müssten wir dann allerdings noch warten. Solange würde das dauern. Ich stellte mir in dem Moment vor, was wohl Carsten jetzt sagen würde, wenn er statt Lydia neben mir sässe. Unser Agenturchef war auch schon ganz blass geworden, und wir drei waren ziemlich ratlos. Lydia sagte, dass es völlig ausgeschlossen sei, zehn Tage zu warten. Die Ministerialbeamten sollten doch lieber mal darüber nachdenken, den Leuten das Leben leichter zu machen, die Jahr für Jahr ein oder sogar zwei Mal nach Nepal fahren und dort tausende von Dollarn lassen, als sie ständig zu schikanieren. Wir sahen jedenfalls alle ziemlich verzweifelt aus. Wir beschworen den Herrn, doch noch mal über eine raschere Lösung des Problems nachzudenken. Er stand auf und verschwand. Wir sassen da und warteten. War das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen? Ganz besonders problematisch war die Situation unter anderem deshalb, weil die gesamte nächste Woche hier gefeiert wird, alle öffentlichen Ämter haben dann geschlossen. Unser Problem musste also sofort gelöst werden. Die Zeit verging, wir warteten stundenlang. 16.30 Uhr schliessen normalerweise alle Ämter. Ich rechnete eigentlich damit, dass gleich jemand kommen würde, um uns zu sagen, dass das Ministerium jetzt schliessen würde und wir übernächste Woche wiederkommen könnten. Aber offensichtlich, sind den Nepalis die Touristen und vor allem die Bergsteiger doch ein wenig mehr ans Herz gewachsen, seit die Maoisten hier in Nepal ihr Unwesen treiben. Unser Sachbearbeiter kam wieder. Es war schon kurz nach 16.30 Uhr und er brachte den Minister und unseren Verbindungoffizier mit. Er hielt das Permit in den Händen . Noch einmal wurden wir ausgefragt. Dann bekam ich feierlich das Permit ausgehändigt. Carstens Name stand drauf. Alles war gut.


Nima Sherpa ist der Chef unserer nepalesischen Agentur

Den nächsten Termin hatten Lydia und ich im besten Ausrüstungsgeschäft von Kathmandu. Wir brauchten noch diverse Dinge, die man hier preiswerter als in Deutschland bekommen kann und die wir ausserdem dann nicht für teures Geld hierher transportieren lassen mussten. Wir kauften noch 300 m Seil, 25 Gaskartuschen, sechs wunderschöne russische Titaneisschrauben sowie 16 Snowbars (Riesenheringe). Dann sausten wir mit unserem Taxi in die Agentur, um das Blutentnahmezeug zu holen. Die ist nämlich morgen dran. Wir machten die Tonnen zum zweiten Mal reisefertig, weil sie morgen nach Lukla geschickt werden. Von dort aus geht es ja auf den Trek zum Basislager.

Danach fuhren wir noch zu einem Händler fuer Autobatterien. Wir brauchen ja eine, um unser Telefon und das Laptop zu laden. Allerdings fehlten uns noch ein paar Informationen zu der benötigten Batterie. Also muss Lydia und ich hier morgen nocheinmal hin, nachdem wir unseren Techniker in Deutschland angerufen haben.

So gegen 22.00 Uhr war dann endlich Feierabend, und wir fuhren zu den anderen in unser Lieblingsrestaurant um noch einen Happen zu essen. Wir kamen nicht zu spät. Die anderen warteten schon seit zwei Stunden auf ihr Essen, aber Zeit muss man eben haben hier in Nepal.


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