arcadia        


Nach Hause, 27.-29.-11.2002

27.11.02 (Lydia)

Der letzte Vormittag in Kathmandu. Ein letztes Frühstück im "Pumpernickel". Die letzten Einkäufe. Dann heißt es Abschied nehmen. Mittags holt uns Nima, unser Agenturchef, vom Hotel ab, um uns zum Flughafen zu bringen. Seit der Flugzeugentführung dauert hier das Einchecken dreimal so lang. Endlich. Ich sitze im Flugzeug. Es trägt es mich von den Bergen fort. Vierzig Tage liegen hinter uns. Am Beginn dieser langen Wochen wußte ich nicht, was mich erwartet, ob ich das Basislager überhaupt auf eigenen Füßen erreichen kann. Ich habe es erreicht und auch den Gipfel. Die Reise war für mich also ein Erfolg. Oder? Natürlich, aber nicht nur deswegen. Das Wichtigste war stets, daß alle sieben komplett und gesund wieder nach Hause fahren. Das ist uns auch gelungen. Mein Fuß ist jetzt zwar nicht in Ordnung, aber besser als vor vierzig Tagen sieht er allemal aus. Doch es gibt unter den dreizehn anderen Füßen der Num Ri Expedition einen, der leider nicht ganz in Ordnung ist. Einer großen Zehe ist es zu kalt geworden und es ist zu einer kleinen Erfrierung gekommen. Bleibende Schäden sind aber nicht zu erwarten. Ansonsten gab es eine Kehlkopfentzündung (nicht so schlimm, aber: Sprechverbot!, sehr lästig in der Gruppe!, Spott der Kameraden), eine Bronchitis, Hautausschlag (Spott der Kameraden), Hämorrhoiden (noch mehr Spott), Sodbrennen, Durchfall, Verstopfung, Husten, Schnupfen, Durchfall, Halsschmerzen, Hodenschmerzen, Magenschmerzen, Blähungen, Migräne, Herpes. Und immer wieder Durchfall. Aber sonst waren wir bei bester Gesundheit.

Zurück zum Erfolg. Entscheidend für den Erfolg des Gesamtunternehmens ist natürlich das Team als solches selbst. Wir sind als Gruppe losgefahren und kommen als Gruppe zurück. Das ist leider keineswegs selbstverständlich. Schließlich ist man auf so einer Expedition sehr lange Zeit auf engstem Raum Tag und Nacht, also 24 Stunden zusammengepfercht. Sieben verschiedene Menschen, Lebensläufe, Haltungen; Männer und Frauen (manchmal auch Kinder J), in jedem Falle starke Individualisten. Da prallen sieben verschiedene Bedürfnisse, Meinungen und persönliche Erfahrungen aufeinander. Spannungen und auch Streit können nicht ausbleiben. Kälte, Höhe und die ständige Präsenz des Berges im Kopf mildern solche Situationen nicht gerade. Wir haben es geschafft, solche Situationen konstruktiv zu meistern und fast immer Lösungen zu finden, mit denen sich alle sieben identifizieren konnten. Auch deswegen war diese Expedition ein Erfolg.

Am Ende unserer Reise werden wir morgen, am 28.11.02, in Leipzig ankommen, voll beladen mit Erlebnissen, Eindrücken, Geschichten und Erfahrungen. Kann es sinnvolleres Gepäck geben?

28.11.02 (Olaf)

Gut geschrieben Lydia, Deinem kurzen und sehr treffenden Fazit, welches Du unter dem gestrigen Tag formuliert hast, ist nichts hinzuzufügen. Es war übrigens ein äußerst interessanter Aspekt dieser Reise, die Texte der einzelnen Expeditionsteilnehmer zu lesen und damit sie selbst und ihre Meinung zu bestimmten Dingen studieren zu können. Ich hoffe den Lesern unserer Internetseiten hat das genausoviel Spaß gemacht wie mir.

Unser erste Station auf unserem Rückflug nach Deutschland war Dacca, die Hauptstadt von Bangladesh. Hier hatten wir 14 Stunden Aufenthalt, und die waren nicht so sonderlich erquicklich. Aber für Kurzweil sorgte das Aufeinandertreffen mit einer Reisegruppe aus Dresden, die von Jörg Stingl geleitet wurde. Jörg war ja im vorigen Jahr auf dem Everest, und da gab es natürlich eine Menge zu erzählen. Sehr angenehm war dann der Flug von Dacca nach London. Die große 747 war nämlich nicht mal zu einem Drittel gefüllt. Ich hab es mir auf einer ganzen Mittelreihe bequem gemacht und einen Großteil des Fluges verschlafen.

Wir waren pünktlich in London, so daß auch einem pünktlichen Eintreffen in Leipzig eigentlich nichts hätte im Wege stehen dürfen. Aber da hatten wir die Rechnung ohne die Britisch Airways gemacht. Aus völlig unerfindlichen Gründen verzögerte sich unser Abflug nach Berlin um mehr als zwei Stunden. Als wir dann endlich in Berlin eintrafen, hatten wir zwar noch ein paar Minuten Zeit bis zur Abfahrt des Zuges, aber wir mußten ja noch von Tegel zum Bahnhof ZOO. Wir trafen dort exakt um 20 Uhr und 10 Minuten ein, genau in dem Moment, im dem unser Zug abfahren sollte. Trotzdem starteten wir einen Versuch ihn noch zu kriegen. Die Deutsche Bahn hat ja doch immer mal Verspätung. Also rannten wir mit unseren riesigen Seesäcken vom Busbahnhof rüber zum Zugbahnhof. Und tatsächlich! Unser Zug stand noch da. Also rein in das Ding und in dem Moment gingen auch schon die Türen zu. Aber welch ein Unglück, als wir uns und das Gepäck nach der Hetzerei sammeln wollten! Ein wichtiger Teil von uns, nämlich Vera und Dirk, fehlten. Und mit ihnen gleich sechs große Gepäckstücke, die sie beide auf ihrem Gepäckwagen hatten. Aber guter Rat war so teuer nicht. Er entsprach den Gebühren eines Mobilfunktelefonats. Wir beschlossen in der nun folgenden Telefonkonferenz nicht am Ostbahnhof wieder auszusteigen und dort auf den nächsten Zug mit den anderen beiden zu warten, sondern nach Leipzig zu fahren und dann mit denen, die dort womöglich unserer pünktlichen Ankunft entgegensahen, gemeinsam auf Vera und Dirk zu warten. Der nächste Zug sollte zweieinhalb Stunden später dort eintreffen. Gesagt, getan und zwar gut getan, denn es wäre schon ziemlich traurig gewesen, wenn wir nicht pünktlich in Leipzig eingetroffen wären.

Wir wurden dort nämlich von einer großen Menge von Freunden und Angehörigen erwartet und die bereiteten uns einen ganz besonders herzlichen Empfang. Die zweieinhalb Stunden bis die beiden anderen kamen, vergingen wie im Flug in fröhlicher Runde in den heiligen Hallen von McDonalds.

29.11.02 (Olaf)

Nun sind wir also wieder da. Wie hab ich mich auf den Luxus hier zu Hause gefreut. Ich brauch bloß an einem Rad zu drehen und schwupp schon wird es warm!! Auch das Wasser, welches hier, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt, aus der Wand gelaufen kommt, (man muß es nicht in 20 Literkanistern kilometerweit durch die Gegend tragen) ist warm, wenn ich will. Nicht zu fassen!! Ich bin sogar stolzer Besitzer eines Bades mit einer Badewanne. Was für eine Wonne, dort drin zu sitzen. Im Kühlschrank liegen leibhaftig die leckeren Sachen, von denen ich in den letzten Wochen immer öfter nachts geträumt habe. Zum Beispiel eine Flasche trockener Weißwein. Oh wie hab ich den vermißt. Und wie groß meine Wohnung ist! In Nepal leben drei Familien auf demselben Platz, wie ich ihn für mich allein beanspruche. Überall sind Schalter und Knöpfe. Und wenn ich draufdrücke, geht irgendeine andere Maschine an. Mein Gott, ich bin im Paradies. Jedenfalls fühle ich mich jedesmal so, wenn ich nach Hause komme. Nur das Wetter ist ja hier nun alles andere als paradiesisch. Wir hatten in Kathmandu vier Tage lang Sonne bei 25 °C im Schatten. Alles gute ist eben nie beisammen.

Die Num Ri Expedition ist jetzt also Geschichte, auch wenn es noch viel zu tun gibt. Ein großer Wunschtraum ist mit dieser Unternehmung in Erfüllung gegangen. Das hat in mir ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit hinterlassen, denn wir haben gute Arbeit gemacht am Num Ri und sind dabei alle gesund und Freunde geblieben. Hoffentlich hält es lange an, dieses gute Gefühl.

Vielen Dank an alle Leser für ihr Interesse und ein frohes und gleichzeitig nachdenkliches Weihnachtsfest. Es ist tatsächlich schon fast wieder soweit!


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