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Erste Nacht in Lager 1, 26.-27.10.2002

26. Oktober (Carsten und Vera)

Heute wollen wir also das 1. Hochlager einrichten, deshalb fängt unser Tag mit dem Packen unserer restlichen Ausrüstung an. Was das im Einzelnen bedeutet, werden alle Bergsteiger nachempfinden können. Fuer alle anderen will ich es gerne erklären: Zuerst brauchen wir drei spezielle Hochlagerzelte. Schliesslich benötigen wir sieben Schlafplätze. Damit auch jeder von uns gemütlich schlafen kann, müssen wir auch noch Isomatten und superwarme Schlafsäcke haben. Pro Zelt sind aber auch noch Kocher, Töpfe, Gaskartuschen und viel, viel Essen wichtig. Damit sollten wir zumindest eine Nacht überleben. Da wir aber einen Berg besteigen wollen, nehmen wir dann natürlich auch noch unsere Kletterausrüstung, also mehrere Fixseile (wir haben insgesamt 950 m mit), Eisschrauben, Eispickel und sonstige Sicherungsgeräte mit. Unsere Rucksäcke wiegen am Ende 20 bis 25 Kilogramm.

Mit dieser Last brechen wir auf. Unser Weg führt uns 150 Höhenmeter absteigend auf den Gletscher. Hier stolpern wir schotterbedeckte Hügel hoch und runter. So brauchen wir zwei Stunden bis auf die andere Seite. Dort erreichen wir auch wieder Basislagerhöhe. Es klappt aber auch nur so gut, weil der Weg erstklassig mit Steinmännern und bunten Fähnchen markiert ist. Olaf, Dirk und Reinhard haben also gut gearbeitet.

Nach einer kurzen Pause geht es gestärkt weiter. Jetzt kommt erst der eigentliche Hammer: ein 540 Höhenmeter Anstieg bis ins Hochlager. Wir steigen über rutschenden Sand mit Geröll und klettern über meterhohe Felsblöcke. Die Rucksäcke schneiden sich bei jedem Schritt quälend ins Fleisch, und der Aufstieg nimmt kein Ende. Während der kurzen Pausen sieht man das Ziel so nahe vor sich, oder auch die Anderen so kurz unter sich, und weiss doch, dass Stunden dazwischen liegen. Plötzlich fragt Olaf: "Warum tut man sich das nur an? Hey Carsten, wie wird man Höhenbergsteiger?" "Ein Freund fragt einen, ob man nicht mal mitkommen will. Und man sagt leichtfertig zu." Breites Grinsen bei Olaf, aber es ist die Wahrheit. Endlich kommen wir nach drei Stunden oben an! Sofort beginnen wir, das Lager zu errichten und viel Tee zu kochen. Trinken ist hier oben ganz wichtig! Und der Aufstieg hat uns viel Flüssigkeit gekostet.

Bevor die Hochlagerzelte aufgebaut werden können, muss jede Zeltcrew den Platz dafür ebnen. Als die Zelte dann stehen, atmen wir endlich tief durch. Jede kleine Bewegung kostet 5640 m über dem Meer wahnsinnig viel Kraft. Man ist schnell sehr erschöpft. Alles scheint in Zeitlupe abzulaufen. Trotzdem sind wir irgendwann auch mit dem Einräumen fertig. Jetzt hocken alle in ihren Zelten und kochen. Es gibt "Heisse Tassen", "Wiener Melange", "Heisse Schokoladen" und einfachen Tee, um die verlorene Flüssigkeit wieder aufzutanken. Unser erstes Essen ist eine gefriergetrocknete Trekkingmahlzeit: "Indonesischer Reistopf" aus der Tüte. Aber wenn man sie in kochendes Wasser schüttet, entsteht eine herrlich warme und wohlschmeckende Köstlichkeit. Bald treibt uns die Kälte in unsere Schlafsäcke und erst kurz vor dem Einschlafen erlischt auch das fauchende Geräusch unserer Kocher. Es wird unsere erste Nacht in unsrerem spektakulären Hochlager. Trotz Lawinen, die uns die Nacht ständig aufschrecken lassen, schlafen wir gut. Unser Lager ist zum Glück bombensicher.


Endlich steht es: Unser Hochlager.

27. Oktober 2002 (Carsten)

Nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht im Hochlager sind alle gesund und wohlauf. Aber ich war mindestens sieben Mal draußen, dank Tee und Akklimatisation. Dadurch entging mir auch nicht, daß in der Nacht mindestens acht Lawinen abgingen, auch über unsere Aufstiegsroute. Erst nachdem die Sonne, so gegen 8.30 Uhr, unsere Zelte erreicht, rumort es in diesen und sofort werden Vorbereitungen für ein ausgiebiges Frühstück getroffen. Bald danach machen sich Vera, Dirk, Marcus und Reinhardt an den Abstieg. Olaf will mit mir noch ein paar Fixseile legen. Die Route ist haarig. Über mehrere hundert Meter ist unser Weg von Eisschlag bedroht. Wir müssen schnell sein! Zunächst halten wir uns abseits der Gefahr. Aber dann müssen wir unter Eisschlaggefahr queren und soweit wie möglich hochsteigen, um in den Schutz eines Eisturmes zu gelangen. Wir rennen. Aber nicht so wie man sich das vorstellt. In über 5700 m Höhe ist Rennen, als würde man versuchen Joe Lewis die Geldbörse zu klauen.

Wir sind zu langsam. Immer wieder treibt mich Olaf an. Seine Schreie sind bis ins Hochlager zu hören. Meine Brille beschlägt. Mist, jetzt habe ich nur mehr einen halben Meter Sicht. Meine Lunge pfeift wie ein alter Blasebalg und in meinen Waden haben sich zwei Pittbullterrier verbissen. Aber wir müssen weiter, schnell. Olaf nimmt mir den Rucksack mit den Seilen ab und gibt mir dafür eine seiner Eisäxte. Wir stürmen wieder los. Das Eis wird steiler und endlich haben wir es geschafft. Wir erreichen den rettenden Eisturm. Endlich durchatmen. Dann installieren wir immer noch so schnell wie nur irgendmöglich unter Eisschlaggefahr die ersten 100 Meter Fixseil und folgen den anderen ins Basislager.


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