21.8.01

Nach Hause, 21.-24.8.2001

In der Nacht ist unser Küchengehilfe Salman mit dem Expeditionsgepäck aus Skardu angekommen. Am Morgen erzählt er, daß sie für die halsbrecherische Strecke über den Karakorum Highway nur 21 Stunden Fahrzeit gebraucht haben. 24-26 Stunden sind normal und so sind alle froh, da sie nicht mitfahren mußten.

Während sich Lydia, Olaf, Ralf und Christian also nun um unser Gepäck kümmern, trifft sich Markus mit unserem Verbindungsoffizier, der sich endlich zum offiziellen Debriefing im Tourismusministerium überreden läßt. Also fahren sie direkt ins Ministerium, wo unsere ganzen Unterlagen schon bereitliegen. Das Maß an Bürokratie bei diesem Vorgang ist überwältigend. Dutzende von Formularen müssen ausgefüllt werden, alles in zwei- bis dreifacher Ausfertigung. Vier Mitarbeiter des Staatssekretärs für Tourismus sowie zwei Helfer, die unsere Agentur noch mitgebracht hat, sind über eine Stunde lang damit beschäftigt, zu schreiben, auszufüllen, zu stempeln, abzuheften.

Schließlich scheinen alle erforderlichen Akten beisammen und mit einem Riesenstapel Papier geht es aus dem Vorzimmer hinüber zum Staatssekretär zur "persönlichen Audienz". Das Kreuzverhör beginnt, aber eigentlich brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, denn wir haben uns stets ordnungsgemäß verhalten, alle Vorschriften erfüllt, zumindest offiziell und auch unseren Müll stets ordnungsgemäß beseitigt. Aber es kommt ganz anders. Unser frustrierter Verbindungsoffizier, der sauer ist, weil er es trotz seiner Allmacht nicht geschafft hat, von uns zusätzlich zu seinem beträchtlichen Salär noch Geld für wohlgesonnene Aussagen zu erpressen, versucht, uns anzuschwärzen, wo immer es geht. Auf jede Frage des Staatssekretärs antwortet er mit einem "Ja, im Prinzip haben sie ja alles richtig gemacht, aber...". Sein Ziel ist klar: Wenn wir Strafen und Bußgelder in Höhe mehrerer tausend Dollar bezahlen müssen, sollen wir uns schwarz ärgern, ihn vorher nicht mit einigen hundert Dollar bestochen zu haben. Aber er hat sich verkalkuliert. Der Staatssekretär ist ein kluger Mann. Und nachdem er sich das Gezeter von Major Tariq Rehman eine Weile mit angehört hat, fragt er diesen ganz unvermittelt, ob er sich freuen würde, wenn wir nächstes Jahr wieder nach Pakistan kommen würden, um einen Berg zu besteigen. Verdutzt antwortet unser zorniger Verbindungsoffizier natürlich mit "Ja". Und daraufhin erklärt ihm Mr. Afridi, der Staatssekretär für Tourismus, dann solle er gefälligst sofort damit aufhören, uns auf Biegen und Brechen den Aufenthalt im Land hier zu vermiesen und sich so benehmen, wie es sich für einen Gastgeber geziemt. Das zeigt sofortige Wirkung und zähneknirschend hält unser geldgieriger Mr. Tariq von nun an seine Klappe. 15 Minuten später ist das Debriefing erledigt und Mr. Afridi verabschiedet sich mit herzlichem Händedruck und einer noch herzlicheren Einladung für eine neuerliche Expedition nach Pakistan von Markus. Und unserem Verbindungsoffizier gibt er noch mit auf den Weg, er solle sich gefälligst nie wieder für diesen Job bewerben, wenn er nur zu meckern habe. Und überreicht ihm mit süffisantem Lächeln eine Urkunde, die diesem bescheinigt, "erfolgreich" die überaus beachtliche Höhe des Basislagers von 5100 m erreicht zu haben. Na wenn das keine Leistung ist!

Vom Ministerium aus fährt Markus gleich mit zu unserer Agentur nach Islamabad und bezahlt alle noch ausstehenden Rechnungen. Die Expeditionskasse schrumpft dabei auf einen beängstigend kleinen Betrag, aber das macht nichts, denn sie muß ja nur noch wenige Tage reichen. Dann geht es zurück ins Hotel, wo Christian, Lydia, Ralf und Olaf den ganzen Vormittag fleißig die Tonnen fürs Aircargo versandfertig gemacht haben. Sieben Tonnen mit Ausrüstung lassen wir gleich hier, denn tatsächlich hat Markus für nächstes Jahr schon eine neue Expedition nach Pakistan geplant. Ziel soll die Erstbesteigung eines bisher mehrfach versuchten, aber noch unbestiegenen 7000ers sein.

23 Gepäckstücke gehen per Aircargo zurück nach Deutschland. Erst spät am Abend ist alles komplett verpackt, verschlossen und abholbereit sowie die obligatorischen Packlisten geschrieben. Bevor wir ins Bett gehen, verabschiedet sich Christian noch schnell, denn er fliegt schon morgen in aller Frühe zurück nach Hause, da Mittwoch bereits sein erster Arbeitstag ist. Wir anderen haben noch ein paar Tage länger Zeit und wollen die Expedition in Ruhe ausklingen lassen.

22.08.2001

Bereits 0.40 Uhr muß Christian aufstehen und in aller Eile zum Flughafen fahren, denn 3 Uhr geht sein Flieger zurück in die Heimat. Die anderen schlafen in Ruhe aus und kümmern sich dann um das Cargo. Ehe wir eine vernünftige Cargo-Agentur gefunden haben und uns mit ihr einig geworden sind, ist es Mittag. 15 Uhr werden die 23 Gepäckstücke schließlich abgeholt und zum Flughafen gefahren, wo sie morgen beim Zoll durchgecheckt werden. Diese erfahrungsgemäß nicht ganz einfache Aufgabe übernehmen Lydia und Olaf, während Markus und Ralf noch einen Ausflug nach Peshawar unternehmen wollen. Die Stadt Peshawar ist eine der historisch interessantesten Städte Pakistans und liegt nur 50 km von der afghanischen Grenze entfernt im Nordwesten des Landes. Von Islamabad bzw. Rawalpindi nach Peshawar sind es 180 km und da die Straßenverbindung gut in Schuß ist, ist man mit dem Bus oder einem der unzähligen Linientaxis in etwa zweieinhalb bis drei Stunden dort. 16 Uhr starten Ralf und Markus und sehen sich kurz nach 19 Uhr im Zentrum von Peshawar nach einer Bleibe für die Nacht um. Nachdem sie in einem ziemlich lausigen aber preiswerten Hotel abgestiegen sind, nutzen sie den Abend noch für einen Spaziergang durch die Basare der sehr urwüchsigen Stadt Peshawar. Man merkt deutlich, daß hier viel weniger Touristen herkommen als beispielsweise nach Rawalpindi oder Islamabad. Und bis auf das Warenangebot hat sich an einigen Basaren wohl seit vielen, vielen Jahren nichts verändert. Üppige orientalische Düfte und Gerüche erfüllen die Abendluft und rege Geschäftigkeit erfüllt die engen Gassen. Ein-, zweimal wird ihnen neben frischem Fladenbrot, leckerem Schaschlik oder allen möglichen anderen kulinarischen Spezialitäten auf offener Straße auch Haschisch angeboten. Die Grenze zu Afghanistan ist eben gleich um die Ecke.

23.08.2001

Ralf und Markus nutzen den gesamten Vormittag zu einer ausgiebigen Besichtigung von Peshawar. Zahlreiche Moscheen, die prachtvoll erbaute islamische Fakultät der Universität, die unzähligen Basare oder auch das historische Fort sind nur einige der Sehenswürdigkeiten. Die Besichtigung des heute auch als Militärhauptquartier dienenden Forts scheitert leider an der Unfreundlichkeit des wachhabenden Bürokraten am Haupteingang. Normalerweise ist eine Besichtigung täglich zwischen 9 und 16 Uhr möglich, doch als er hört, daß Ralf und Markus 14 Uhr nach Rawalpindi zurückfahren müssen, behauptet er, heute sei eine Besichtigung erst ab 14 Uhr möglich.

Nach einer abschließenden Stadtrundfahrt per Motor-Rikscha entlang der ehemaligen Stadtmauer und der noch erhaltenen Stadttore geht es per Bus zurück nach Rawalpindi. Olaf und Lydia haben inzwischen bereits unser gesamtes Aircargo durch den Zoll gelotst und dabei Bekanntschaft von zwei netten Zollbeamten gemacht. Auf die Frage, ob es ihnen in Pakistan gefallen hätte und ob sie irgendwas bemängeln würden, meint Olaf spaßeshalber, das einzige, was er vermißt hätte, wäre während der zwei Monate mal ein ordentliches Bier gewesen. Prompt versprechen die beiden Zoll-Leute, am Abend mit echtem pakistanischem Bier bei uns im Hotel vorbeizukommen. Und so kommen wir am allerletzten Tag unseres Aufenthaltes im alkoholfreien Pakistan doch noch zu einem richtigen Glas Bier! Und das in einer Brauerei im nahen Murree für den Export und einige wenige Nobelhotels mit Ausschanklizenz gebraute Bier ist gar nicht mal schlecht! Man muß eben nur die richtigen, soll heißen, nicht 100 %ig koran- und gesetzestreuen Leute kennen.

Im Laufe des Abends besucht uns noch unser Verbindungsoffizier von der 1995er Broad-Peak-Expedition, Captain Sakhi Karim Bercha, der damals, ganz im Gegensatz zu unserem diesjährigen Verbindungsoffizier, ein sehr netter Aufpasser war und uns zu einem guten Freund geworden ist. Und so wird es fast Mitternacht, ehe wir daran gehen können, unsere Rucksäcke zu packen, denn morgen geht es nach Hause.

24.08.2001

Bereits um 4.15 Uhr heißt es aufstehen und kurz vor 5 Uhr sitzen wir bereits im Minibus und fahren zum Flughafen nach Islamabad. Das Einchecken geht für asiatische Verhältnisse erstaunlich reibungslos und zivilisiert vonstatten und pünktlich 8 Uhr hebt unsere Boeing 767 der British Airways von der Rollbahn ab. Nach achtstündigem Flug und einer weiteren Viertelstunde Warteschleife über London landen wir in fast planmäßig in London Heathrow und einige Stunden später erledigen wir dann auch noch den "Katzensprung" von London nach Berlin, wo wir kurz nach 19 Uhr mit einer halben Stunde Verspätung ankommen. Einige Freunde und Bekannte erwarten uns schon auf dem Flughafen, doch wir haben nicht viel Zeit, denn Ralf, Olaf und Lydia hetzen sofort weiter, um den Abendzug nach Leipzig zu kriegen.

Pünktlich 22.01 Uhr kamen dann die drei Leipziger auf dem Hauptbahnhof an, und wurden von ca. 20 Freunden und Sponsoren mit 'standing ovations' auf das herzlichste empfangen.

Der rote Teppich war ausgerollt und zunächst gab es erst einmal Sekt, viele Blumen und herzliche Gratulationen.

Unsere 'Helden' hatten sich dem Anlaß entsprechend verkleidet. Alle drei trugen die eigens in Pakistan angefertigten neuen Gewänder.

Und schließlich gab es nach der entbehrungsreichen Zeit auch wieder eine echte Torte, damit die verlorenen Pfunde auch wieder rasch aufgefüllt werden.

Mit der gesunden und vollzähligen Rückkehr der letzten Teilnehmer nach Hause ist unsere Expedition nun beendet. In einem ersten Rückblick können wir sagen, daß wir zwar nicht all unsere Ziele erreichen konnten, mit der Besteigung des 8035 m hohen Gasherbrum II durch Olaf, Christian und Markus aber durchaus zufrieden sind und dies in Verbindung mit der diesjährigen Wettersituation im Karakorum und vor allem der bereits genannten gesunden und vollzähligen Rückkehr als großen Erfolg ansehen. Die Nachbereitung und Auswertung der Expedition wird wohl noch einige Wochen in Anspruch nehmen, aber schon jetzt freuen wir uns auf unsere Gipfelparty gemeinsam mit Sponsoren, Förderern und Freunden sowie die Diavorträge, bei denen wir in verschiedenen Städten von unseren Erlebnissen berichten werden. Vortragstermine, weitere Informationen, der ausführliche Expeditionsbericht sowie natürlich die schönsten Fotos von unserer Expedition sind demnächst auf unseren Internetseiten www.leipzig-online.de/expedition erhältlich. Ein erster Fernsehbericht ist zu sehen bei MDR Biwak am Mittwoch, 5. September, 20.15 Uhr.


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