Skardu-Islamabad, 18.-20.8.01

18.8.2001

Ruhetag in Skardu. Beziehungsweise das, was man auf der Rückreise von einer Expedition so unter einem Ruhetag versteht. Nach dem Frühstück im wunderschön hoch über dem Indus gelegenen K2-Motel in Skardu geht es erst einmal zum "rezivilisieren" in die Stadt zum nächsten Friseurladen. Zuerst sind Ralf und Olaf dran, dann Markus und Christian. Nachdem die Haare um einiges gekürzt sind und auch der letzte Rasierschaum verschwunden ist, erkennen wir uns selbst kaum wieder. Plötzlich sehen wir wieder aus wie zivilisierte Menschen.

Anschließend holen Ralf, Olaf und Lydia ihre Auftragswerke vom Schneider, die sie vor Wochen hier in Skardu bestellt haben. Besonders Ralf sieht nun aus wie ein echter Pakistani. Zurück im Hotel geht es sofort an die Arbeit. Sämtliche Zelte müssen ausgepackt, getrocknet und wieder verpackt werden, denn durch das anhaltende Schlechtwetter auf dem Rückmarsch aus dem Basislager sind selbst die nicht benutzten Zelte in ihren Packsäcken völlig durchweicht. Die Trocknungsaktion und das Umpacken unserer Tonnen und Packsäcke, nun spielt nicht mehr das exakte Gewicht, sondern das Volumen die entscheidende Rolle, nimmt den gesamten Vormittag in Anspruch.

Nach dem Mittagessen beschließen wir spontan, uns eine Erholungspause zu gönnen und fahren mit einem Jeep zum eine halbe Stunde entfernten Sadpara-See, einem herrlich klaren Gebirgssee am Rande des Nationalparks Deosai. Am Ufer gibt es ein kleines Restaurant und wir genießen es, die Füße im klaren, kalten Wasser baumelnd, einen Tee zu trinken und auf die Wasserfläche hinauszuschauen. Später rudern wir mit einem unförmigen Boot eine Runde über den See und Lydia, Christian und Markus schwimmen sogar ein Stück im kalten Wasser. Nach drei Stunden geht es zurück ins Hotel, wo wir bis zum Abend packen und Packlisten schreiben.

Der letzte Blick am Abend gilt dem klaren Sternenhimmel, der für morgen gutes Wetter verheißt. Das läßt uns hoffen, daß wir morgen vormittag nach Islamabad fliegen können. Normalerweise steht der Flieger täglich im Flugplan, doch an etwa 60% aller Tage wird er gestrichen, da das Wetter keinen Flug erlaubt. Der Flug von Skardu aus vorbei am Nanga Parbat ist ein Sichtflug, der bei starker Bewölkung und mangelnder Sicht nicht durchgeführt werden kann. Vier Tage lang gab es keinen Flug, heute dann wieder einmal einen. Und nun hoffen wir auf morgen.

19.08.2001

Der erste Blick nach dem Aufwachen gilt dem Wetter: Strahlend blauer Himmel und nur wenige Wolken. Das könnte was werden. Allerdings hängt das Zustandekommen des Fluges auch entscheidend vom Wetter auf der gesamten Strecke und vor allem in der Nähe des Nanga Parbat ab. Ob es auch wirklich klappt, weiß man erst, wenn der Flieger abhebt. Nach dem Frühstück fahren wir zum kleinen Fluglatz auf der großen Schwemmlandebene des Indus. Ehe unser Gepäck kontrolliert und gewogen ist, vergeht einige Zeit. Der Großteil des Expeditionsgepäcks wird zwar auf dem Dach eines Linienbusses über den Karakorum Highway nach Islamabad transportiert werden, aber so viel wie möglich haben wir trotzdem schon mitgenommen.

Schließlich kommt die Beastätigung, daß heute ein Flug stattfinden wird, und wir erhalten unsere Bordkarten. Dann geht es per Bus zwischen riesigen Sanddünen hindurch zum Flugzeug. Der Flugbetrieb hat hier nicht nur mit dem Wetter sondern auch mit großen Sanddünen zu kämpfen, die manchmal bis auf die Rollbahn reichen. Während der Fahrt kommt Markus mit einem Mann in Fliegeruniform ins Gespräch. Es ist der Flugkapitän höchstpersönlich, und er lädt ihn ein, den Flug im Cockpit mitzuerleben. Auf den einen zusätzlichen Sitz im engen Cockpit der Boeing 737 quetschen sich dann Markus und Lydia und erleben einen traumhaften Flug über die Berge des Karakorum und Himalaya. Der Captain gibt sich größte Mühe, alles genau zu erläutern ("Can you see the Sadpara Lake down there? No?..." - und schon wird mal kurz rechts eingelenkt, damit der See besser zu sehen ist.

Nach zwei großen Schleifen im engen Industal steigt die Maschine hoch über die eisbedeckten Berge des Karakorum und nimmt Kurs auf Islamabad. Flughöhe 9000 Meter. Nach einer Viertelstunde kommt der Nanga Parbat in Sicht. 8125 m hoch und damit der neunthöchste Berg der Erde. Unter uns überall Wolken, nur der Nanga Parbat ragt vielleicht 1000 Meter über dem Wolkenmeer heraus. "Can you see the Nanga Parbat? I'll fly a little bit closer..." Und schon fliegt er eine kleine Kurve, um noch näher an den Gipfel zu kommen. Atemberaubend nah am Gipfel vorbei geht es am Nanga Parbat vorüber. Nicht nur die Fotoapparate im Cockpit klicken wie verrückt. Mit uns sitzen übrigens die beiden berühmtesten Bergsteiger Pakistans in der Maschine: Ashraf Aman, der erste und Nazir Sabir, der zweite Pakistani auf dem Gipfel des K2. Beide engagieren sich jetzt im Tourismus und besonders Ashraf liebt es, interessante Geschichten von seinen Bergbesteigungen zu erzählen.

Nach nur 40 Minuten Flug landen wir sicher in Islamabad. Aus dem Cockpit ist auch der Landeanflug ein Erlebnis für sich und der Captain freut sich, daß es Lydia und Markus gefallen hat. Als wir die Maschine verlassen, empfängt uns die drückende Hitze Islamabads. Karim von unserer Agentur, der uns am Flughafen abholt, begrüßt uns mit "Welcome to the heat!". Es herrschen locker +35 Grad und das bei ziemlich hoher Luftfeuchtigkeit. Der Schweiß läuft schon vom einfachen Dasitzen in Strömen an uns hinunter. Deshalb verziehen wir uns unverzüglich nach Rawalpindi in unser klimatisiertes Hotel und wagen uns erst zum Abendessen wieder hinaus. Wenigstens eine wichtige Arbeit erledigen wir noch: Die restlichen Grußpostkarten, deren Adressaten wir per E-mail von zu Hause übermittelt bekommen haben, werden unterschrieben und mit Adressen versehen.

20.08.2001

Olaf, Lydia, Ralf und Christian fahren in die nahegelegene Hauptstadt Islamabad, in der Hoffnung dort einige Geschenke oder Souvenirs kaufen zu können. Zwischen den vielen Geschäften haben sie sich jedoch schon nach wenigen Minuten aus den Augen verloren und so erkunden sie getrennt die Stadt. Ralf und Christian halten es gerade mal bis zum Mittag dort aus, Lydia und Olaf sind tatsächlich erst am Abend zurück. Markus hingegen versucht, die erforderlichen Formalitäten für unsere Expedition zu erledigen. Leider jedoch vergeblich, denn am Ende ist eher er erledigt. Nach stundenlangen Diskussionen mit unserem Verbindungsoffizier verweigert der das erforderliche Debriefing. Seine offizielle Begründung: Da wir das Permit für den Gasherbrum I mit den Spaniern teilen und diese noch auf dem Rückweg sind, kann er die Expedition beim Ministerium noch nicht abmelden. Der wahre Grund jedoch ist klar: Er will so lange wie möglich die üppigen Bezüge als Verbindungsoffizier kassieren. Und wir haben die natürlich zu bezahlen.

Außerdem gibt er noch eine Unmenge unsinniger Begründungen ab, warum dies und jenes nicht gehen würde. Es lebe die Bürokratie! So müssen wir mit dem obligatorischen Debriefing also mindestens bis morgen warten. Oder noch länger. Aber am 24. geht unser Rückflug und bis dahin werden wir den Papierkram schon in den Griff kriegen. Und als kleine Inspiration, wie man es anstellen kann, aus dem Land zu Füßen des Nanga Parbat wegzukommen, wenn alle legalen Wege nicht funktionieren, schauen wir uns heute abend im indischen Fernsehen "7 Jahre in Tibet" an. 21.30 auf HBO.


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