Abbau Basislager und Aufbruch, 14./15.8.01

14.8.2001

Nachdem nun alle Hochlager abgebaut sind, steht der heutige Tag ganz im Zeichen des Basislagerabbaus und des Verpackens der Ausrüstung. Das ist gar nicht so einfach, denn diesmal soll jede Last 20 kg wiegen, auf dem Hinweg waren es 25 kg). Unser Rückweg in die Zivilisation wird uns über den 5600 m hohen Gondogoro-Paß führen. Der Weg über diesen vergletscherten Paß zwischen Chogolisa- und Masherbrum-Massiv ist sehr anspruchsvoll und deshalb werden die Lasten leichter gepackt. Im Aufstieg sind immerhin bis 45 Grad steile Passagen zu überwinden, die mit Fixseilen versehen sind. Für die Träger mit ihrer oft schlechten Ausrüstung auch mit 20 kg schon eine echte Herausforderung.

Eine solche ist für uns zunächst das Packen. Man glaubt gar nicht, wie viele Dinge so eine Expedition so mit hat! Und aus der gesamten Ausrüstung und allem möglichen anderen Krempel müssen nun stets ganz genau 20 kg-Lasten gebastelt werden, begrenzt jeweils durch die 60 Liter Volumen unserer blauen Expeditionstonnen. Eine Art 3D-Puzzle eigentlich, denn am Ende sollen möglichst alle Tonnen noch so voll sein, daß der Deckel zwar noch gut zugeht aber andererseits auch nichts darin herumklappert. Wir packen und packen. Irgendwann zwischendurch gibt es Mittagessen und dann geht es weiter. Packen, aufschreiben, wiegen, wieder durchstreichen, etwas auspacken, durch etwas anderes ersetzen, wieder wiegen, erneut aufschreiben, wieder etwas tauschen usw. usf..

Für 18.30 Uhr haben uns die Spanier zum Abendbrot eingeladen. Abschlußessen und große Gipfelparty aus Anlaß unserer erfolgreichen Gasherbrum-II-Besteigung sozusagen. 18 Uhr fehlen noch 8 Tonnen. 18.15 noch 6 und 18.30 noch 4. Kurz vor 19.00 Uhr kommt Jospi, der spanische Expeditionsleiter, der perfekt deutsch spricht und meint, das Essen wäre zwar schon eine Weile später fertig geworden, aber jetzt sollten wir die Tonnen Tonnen sein lassen und endlich rüberkommen, um zu feiern.

Fünf Minuten später sitzen wir vor einer dampfenden Suppe und kurz darauf kommt die Überraschung namens Tartiflet oder so ähnlich. Pepe, im wahren Leben eigentlich Physikprofessor in Barcelona, und Christoph, gebürtiger Franzose und daher von Haus aus kulinarisch bewandert, haben den Kochlöffel geschwungen und einen Leckerbissen gezaubert, der auf 5100 m seinesgleichen sucht. Und zur Krönung des Abends gibt es eine echte Flasche spanischen Rotwein. Rioja. Wir wußten gar nicht mehr, wie Wein schmeckt. Danach geht es an die Kalorienbomben. Zunächst spanischer Schinken und geräucherte spanische Würste. Dann schwenken wir um auf süß. Wir haben noch einen echten Dresdner Christstollen. Der macht es genau fünf Minuten und führt dazu, daß mindestens die Hälfte der acht Spanier beginnt, ernsthaft einen Besuch in Dresden zu planen. Am besten natürlich zur Stollenzeit. Anschließend wurden unzählige Einladungen ausgetauscht, aber wahrscheinlich sehen wir uns das nächste Mal trotzdem wieder irgendwo im Himalaya oder Karakorum.

15.08.2001

Auch am letzten Morgen im Basecamp heißt es zeitig aufstehen. 4 Uhr piepsen in allen Zelten die Wecker und pünktlich 5 Uhr ist schon alles verpackt und wir sitzen ein letztes Mal in unserem großen Mannschaftszelt am Frühstückstisch. Olaf und Markus zählen bereits die letzten verbleibenden Cornflakespackungen, deren Zahl sich inzwischen bereits im einstelligen Bereich bewegt und alle anderen lassen sich die reichlich vorhandenen Rester schmecken.

Anschließend geht es an die Prozedur des Tonnenwiegens, die diesmal erstaunlich reibungslos und schnell abläuft. Schließlich haben alle 40 Träger ihre Lasten und beginnen, sie auf abenteuerlichen Tragegestellen festzuschnüren. 6.45 Uhr, eine Dreiviertelstunde nach Plan und damit für pakistanische Verhältnisse überpünktlich, verläßt der erste Träger das Basislager. Wir folgen kurz nach 7 Uhr, nachdem wir uns noch einmal von den Spaniern und auch den Kasachen herzlich verabschiedet haben.

Unser Tagesziel ist das "Alicamp" genannte Lager direkt zu Füßen des Gondogoro-Passes. Bis dorthin ist es eine ziemlich lange Etappe, die die meisten Trekkinggruppen und auch viele Expeditionen an zwei Tagen bewältigen. Wir jedoch sehnen uns inzwischen doch recht heftig nach den Annehmlichkeiten der Zivilisation und wollen außerdem einen Tag sparen. Und entsprechend zügig geht es auch voran. Der Weg überquert zunächst den unwegsamen Oberen Baltorogletscher und biegt dann ganz am Rande des Concordiaplatzes in den flachen Vigne-Gletscher ein. Unterwegs gibt es eine kurze Mittagsrast, doch da die ganze Zeit kaltes, bewölktes Wetter herrscht, welches ab und zu durch einige Regen- und Schneeschauer unterbrochen wird, halten wir uns nirgends lange auf.

Kurz vor 16 Uhr erreichen die ersten von uns den Lagerplatz am "Alicamp"und bauen unser großes Küchenzelt auf, das uns für eine Nacht auch als Schlafstätte dient. Das Zelt steht gerade rechtzeitig, bevor es so richtig anfängt zu schütten. Die nächsten drei Stunden gießt es wie aus Kannen, doch da sitzen wir glücklicherweise schon unter der schützenden Nylonplane und trinken heißen Tee, essen Reis mit Hühnerfleisch aus der Dose und philosophieren über den enormen Wert einiger Quadratmeter Stoff in gewissen Lebenslagen. Die Stimmung ist den Umständen entsprechend eigentlich ganz gut und erleidet erst einen Dämpfer, als Lydia erfährt, daß wir bereits 1 Uhr morgens wieder von hier starten wollen. Aber wenn wir in der Kälte der Nacht die Gletscherpassagen hinter uns bringen wollen, haben wir keine andere Wahl. Und mit der Gewißheit, eine sehr kurze und ungemütliche Nacht zu verbringen, machen wir es uns in unseren Schlafsäcken bequem, während es draußen ununterbrochen regnet.


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