05.-07.8.01, Basislager, Lager 2

05.8.01

Der Tag begann wie der letzte geendet hatte: Mit dichtem Schneetreiben. In der Nacht waren überall oberhalb von Lager 2 mehr als 40 cm Neuschnee gefallen und Spur sowie Fixseile vollständig von dem in dieser Konzentration bereits gefährlichen Weiß bedeckt. Längeres Warten kam für Markus und Christian nun nicht mehr in Frage und so begannen sie mit dem Abstieg. Zunächst ging es recht gutmütig über maximal 40 Grad steile Hänge auf Ski voran. Bedingt durch die schlechte Sicht blieb es jedoch bei einzelnen Schwüngen, denn die Gefahr, nach einem längeren Stück Fahrt urplötzlich über einen Eisabbruch hinunterzustürzen, war nicht zu unterschätzen. Als sie bereits nach wenigen Metern erkennen mußten, daß die ganze Skifahrerei unter diesen Umständen weder Spaß machte noch so richtig sinnvoll war und außer Gefahren nichts brachte, tauschten sie schweren Herzens die Ski wieder gegen Steigeisen und tasteten sich durch das White Out nach unten. Für die Strecke zum Lager 2, die die beiden beim letzten Mal zügig in 30 Minuten hinter sich gebracht hatten, brauchten sie diesmal geschlagene 5 Stunden! Der meist knietiefe Neuschnee war in einigen Mulden so zusammengeweht, daß sie einen Meter tiefen Graben durch den Schnee wühlen mußten, um überhaupt noch vorwärtszukommen. Glücklicherweise riß einige hundert Meter oberhalb Lager 2 der Himmel plötzlich auf und erlaubte Markus auf den schnell wieder angeschnallten Ski noch einige Schwünge im knietiefen Neuschnee, die Christian mit Fotoapparat und Videokamera festzuhalten versuchte.

Im Lager 2 legten sie eine längere Rast ein und wollten eigentlich noch weiter bis ins Basislager absteigen, doch nach zwei Tagen Schlechtwetter wurde ihnen nun ausgerechnet das sich rasch verschönernde Wetter zum Verhängnis: Die durch die Wolken dringende Sonne weichte die frisch verschneiten Steilhänge zwischen Lager 2 und 1 schnell durch und machte sie zur gefährlichen Lawinenfalle, der sich natürlich niemand freiwillig aussetzen wollte. So mußten Markus und Christian erneut einen halben Tag wartend im Lager verbringen, bevor sie am nächsten Morgen die über Nacht hartgefrorenen Hänge würden begehen können.

Lydia und Ralf ließen es sich derweil im Lager 1 gutgehen, denn sie hofften auf gutes Wetter in den folgenden Tagen für den weiteren Aufstieg zum Gipfel. Und Olaf? Der genoß den ganzen Tag lang die (relativen) Annehmlichkeiten des Basislagers und ließ sich von Jehangirs Kochkünsten verwöhnen, um die verlorenene Kilogramm wenigstens annähernd wieder auszugleichen. Zum abendlichen Funkspruch gönnte er allen anderen jedoch auch einen unermeßlichen Luxus und verlas per Walkie-Talkie die in den letzten Tagen im Basislager eingetroffenen E-mails aus der Heimat. Ein großer Spaß für alle und eine gelungene Aufmunterung für die oben Festsitzenden bzw. Wartenden allemal.

06.8.01

Eine eisige, sternenklare Nacht und ein strahlend schöner Morgen sorgten für sichere Abstiegsbedingungen für Markus und Christian und so machten sich die beiden mit den ersten Sonnenstrahlen auf den Weg vom Lager 2 nach unten. Zunächst, im flacheren Teil der Route, versuchte es Markus mit Ski, was auch ganz gut funktionierte. Zumindest, wenn man davon absieht, das Schwingen, Umspringen oder ähnliche Richtungswechsel nahezu unmöglich waren, ohne bis übers Knie durch den von Sonne und Frost geschaffenen Bruchharschdeckel einzubrechen. Das Ausbalancieren dieser unberechenbaren Reaktionen des Unterbodens führt auf knapp sechseinhalbtausend Meter überm Meeresspiegel allerdings jedesmal zum Erstickungstod, denn die Luft ist einfach deutlich sauerstoffärmer als in jedem x-beliebigen Skigebiet in den Alpen. Da außerdem ein bei diesen bescheidenen Verhältnissen nicht vollständig auszuschließender Sturz wohl erst mehrere hundert Meter tiefer auf dem Gletscher enden würde, blieb wiederum nichts anderes übrig, als die Ski gegen Steigeisen zu vertauschen und auf konventionelle Art und Weise den Abstieg fortzusetzen. Derart von den Verhältnissen verprellt, schleppten Markus und Christian die mühsam hinaufgebuckelten Ski zähneknirschend wieder hinunter bis zum flachen Gletscherboden und rutschten dann wenigstens zügig auf den Brettern bis ins Lager 1, von wo aus Lydia und Ralf sie schon geraume Zeit beobachtet hatten.

Vorbei also der Traum von der 8000er-Skiabfahrt, aber man kann manchmal eben nicht alles haben und wer gerade erfolgreich einen 8000er bestiegen und dem Wetter ein Schnippchen geschlagen hat, darf sich eigentlich nicht beschweren, oder? Nach fast zweistündiger Rast bei Ralf und Lydia im Lager 1 setzten Markus und Christian den Abstieg auf bekanntem Weg fort, diesmal mit echtem Vorteil durch die Ski, denn während das erste Stück des Eisbruches zu Fuß kaum unter zwei Stunden zu überwinden ist, zischten Markus und Christian selbst vorsichtig am Seil fahrend in weniger als 45 Minuten durch die Spaltenzonen. Kleine Spalten werden dabei gleich übersprungen, große zügig umkurvt und wenn das Seil nicht ab und zu an irgendwelchen Eisgebilden hängen bleiben würde, wäre der Fahrgenuß fast ungetrübt.

Gegen 15 Uhr erreichten Markus und Christian schließlich das Basislager, wo sie am Gletscherrand von einer richtigen Delegation empfangen, begrüßt und beglückwünscht wurden. Jehangir und Salman ließen es sich nicht nehmen, den beiden Gipfelsiegern die Rucksäcke auf den letzten hundert Metern abzunehmen und unser Verbindungsoffizier Tariq sponsorte zur Feier des Tages eine seit Wochen geheimgehaltene Flasche Cola. Fernab jeder Zivilisation ein wahrer Schatz und hier im Basislager mindestens 400 Rupees wert. Der Rest des Tages verging mit Erzählen, Fotografieren, Essen, Ausruhen und immer wieder Trinken, Trinken, Trinken. Nachdem dann endlich auch der Gipfelstürmerdurst gestillt war, konnten auch Lydia und Ralf im Lager 1 per Funk durch einen neuen Wetterbericht aufgemuntert werden, da dieser gar nicht so schlechte Aussichten für die nächsten Tage verhieß. Und während im Lager 1 dann schon bald die Lichter ausgingen, wurde im Basislager noch ein bißchen gefeiert.

07.08.01

Während für Lydia und Ralf der Tag mit dem zeitigen Aufstehen und dem Aufstieg ins Lager 2 begann, war im Basislager ausschlafen angesagt. Olaf, Christian und Markus nutzten den Tag zum relaxen und ausspannen und zu verschiedenen kleinen Arbeiten im Basislager. Bereits zur Funkzeit 9 Uhr vermeldeten Lydia und Ralf, daß Lager 2 erreicht zu haben. Und da sonst nicht viel passierte, funkten wir erst 18 Uhr wieder und tauschten die üblichen Wetterinformationen aus. Und während Lydia und Ralf morgen Lager 3 und tags darauf den Gipfel erreichen wollten, machten sich Olaf, Christian und Markus Gedanken darüber, wie sie die verbleibenden Tage bis zum Verlassen des Basislagers am 15. August noch nutzen können, um im Alpinstil den Gasherbrum I zu besteigen.


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