Chronologie des Gipfelsiegs, 1.8.-4.8.01 |
01.8.01Am 1. August klingelte um 2.30 der Wecker. Olaf und die drei Spanier wollten Lager 3 auf 7000 Metern Höhe erreichen. Wieder machte ihnen die fehlende Spur zu schaffen. Außerdem mußten sie hunderte von Metern Fixseil aus dem Schnee ausgraben. Als die vier Lager 2 erreicht hatten, stanht fest, die Kraft reicht nicht aus, die noch bis Lager 3 fehlenden 400 Höhenmeter zu spuren. Sie konnten ihren ehrgeizigen Zeitplan nicht einhalten und blieben in Lager 2. Olaf benötigte nahezu zwei Stunden, um das fast vollständig vom Schnee begrabene Zelt freizulegen. Der restliche 1. August verging mit Schneeschmelzen, Trinken und Schlafen.![]() 02.8.01Zu einer völlig unchristlichen Zeit gab der Wecker den Startschuß für die Etappe ins dritte Hochlager. Um 4.00 Uhr ging es los und zur Abwechslung verliefen sich die vier in dem endlosen Weiß der Südwestflanke des Gasherbrum II. An einer Stelle muß Olaf sogar Stufen ins Eis schlagen, damit es überhaupt weiter gehen kann. Als dann endlich die Fixseile gefunden waren, haben die vier soviel Zeit verbraucht, wie an einem normalen Tag der ganze Aufstieg von Lager 2 zu Lager 3 dauert. Doch als Olaf und die drei spanischen Freunde endlich im Lager 3 eintrafen, gab es eine positive Überraschung: Da dieses Lager sehr windexponiert ist, waren die Zelte nur unwesentlich zugeweht. Der Wind hat dort den meisten Schnee einfach fortgeblasen. Wieder verging die Zeit mit Schneeschmelzen und Kochen. Schon um 16.00 Uhr gab es Abendbrot, denn für Mitternacht war der Aufbruch zur letzten Etappe zum Gipfel angesetzt.![]() ![]() 03.8.01Genau 15 Minuten nach Mitternacht am 3. August gingen Olaf und die drei Spanier los. Vom Lager 3 sind es bis zum Gipfel noch einmal 1100 Höhenmeter. Wie lange die vier für diese Distanz brauchen würden, wußten sie nicht. Am Anfang ging es noch gut voran, doch später in der berüchtigten Traverse vor der Gipfelpyramide wieder kräfteraubende Spurarbeit, die haufenweise Zeit kostete. Doch dafür ist das Wetter hervorragend. Jeder der vier mußte mal nach vorn, um die Hauptarbeit zu leisten. Diese Wechsel in der Führung vollzogen sich wortlos, die Zusammenarbeit und die Verständigung zwischen den Bergsteigern klappte hervorragend. Nach der endlosen Traverse kommt der letzte Teil des Aufstieges, der Ostgrat der Gipfelpyramide. An seinem Fuß sieht man den Gipfel schon, obwohl er noch mindestens 300 Höhenmeter entfernt ist.![]() ![]() ![]() 04.8.01Lediglich reichlich 300 Höhenmeter eines gleichmäßig geneigten Hanges führen von dieser Scharte aus zum Gipfel und stellen normalerweise kein Problem mehr dar, doch der befürchtete Wetterumschwung war schneller gekommen als von allen Wetterberichten angekündigt und von allen vermutet. Innerhalb von Minuten steckten die beiden Gipfelstürmer im dichten Schneetreiben und die Sicht sank trotz fast Vollmond auf 20 Meter. Bei Temperaturen von deutlich unter -20 Grad peitschte der stetig stärker werdende Wind unablässig Eiskristalle in die dichtvermummten Gesichter und die Konsequenz konnte eigentlich nur die Umkehr sein. Doch so kurz vor dem Ziel umkehren? Mit Hilfe von Christians GPS-Gerät würde zumindest das Finden des Rückweges ins Lager 3 gesichert sein und so konnte man wohl doch noch ein paar Stunden Höhersteigen riskieren. In dem Bewußtsein, hier in fast 8000 m Höhe die einzigen Menschen weit und breit in diesem infernalischen Wetter zu sein und von nirgendwoher Hilfe erwarten zu können, trifft man solche Entscheidungen nur nach ganz, ganz genauer Überlegung. Und da Christian und Markus dabei zu genau dem gleichen Ergebnis kamen, gab es nur eine Devise: Vorwärts! Und zwar schnell! Dies war einfacher gesagt als getan, denn die Mühen des Höhersteigens in sauerstoffarmer Luft vergrößerten sich mit dem die Gesichter peitschenden Sturm noch mehr und so brauchten sie schließlich 4 Stunden für diese letzten 300 Höhenmeter, zuletzt bereits knietief im frisch gefallenen Neuschnee spurend. Immer wieder glaubten sie sich bei der unglaublich schlechten Sicht am Ziel, doch immer wieder waren es noch ein paar Meter und noch ein paar... 4.40 Uhr schließlich schwang sich Markus als erster auf den schmalen Gipfelgrat, eine aus labilem Schnee zusammengewehte Schneide in unglaublich ausgesetzter Position. So richtig konnte er es gar nicht glauben, daß sie es geschafft hatten und erst Christians Händedruck durch die dicken Daunenhandschuhe brachte ihm ins Bewußtsein, daß nun nach 9 Stunden 50 Minuten stetigem Aufwärtsgehen das große Ziel erreicht war. Eine von Vorgängern auf einer großen angewehten Schneewächte angebrachte rote Fahne markierte den höchsten Punkt, von dem sich aus bei schönem Wetter ein spektakuläres Panorama auf unzählige andere Berge (darunter vier 8000er: K2, Broad Peak, der nahe Hidden Peak und in großer Entfernung auch der Nanga Parbat) bietet, doch die beiden konnten selbst die Fahne aus 100 m Entfernung noch kaum erkennen. Zum einen war es noch dämmrig dunkel, denn da sie, getrieben vom nahenden Sturm, schneller gewesen waren als angenommen, stand der Sonnenaufgang noch bevor. Zum anderen war die Luft angefüllt von wild dahingepeitschten Eiskristallen, die nicht nur den Atem sondern auch die Sicht nahmen. Nach nur einer einzigen Minute Aufenthalt auf dem Gipfelgrat und je einem sinnlos ins Dunkel geknipsten Gipfelbild voneinander machten sich die beiden wieder an den Abstieg, der im nun ungebremst tobenden Sturm zur wahren Herausforderung werden sollte. Das GPS-Gerät, diesen Segen moderner Technik in der daunenbewehrten Hand, stieg Christian entlang der schon wieder völlig zugewehten Spur vorneweg, während Markus, von Zeit zu Zeit laut gegen den Sturm über die völlig nutzlos mitgeschleppte Video- und Spiegelreflexkamera im Rucksack anfluchend, hinterherstolperte. In den weiten Hängen der Traverse unter der Gipfelpyramide mußten sie gar manchmal für zehn oder mehr Minuten pausieren, denn in diesem Bereich hatten sie, noch auf ein späteres Umschlagen des Wetters bauend, nur sporadisch einige markante Punkte dem kleinen elektronischen Wegfinder eingetrichtert. Als schließlich die Stelle des ehemaligen Lagers 4 und der Beginn der Fixseile erreicht waren, ließen sie sich etwas mehr Zeit, denn von hier ab war das Finden des richtigen Weges kein Problem mehr. Kurz nach 9 Uhr erreichten sie schließlich das schützende Zelt unseres Lagers 3 in 7000 m Höhe und schon wenige Minuten später summte beruhigend der Kocher und fabrizierte einen warmen Tee. Natürlich hätten die erschöpften Brüder Christian und Markus sofort weiter ins Lager 2 oder gar noch tiefer absteigen können, denn der Weg war durch absteigende Gipfelaspiranten einer belgischen Expedition, die ihren Versuch kurz oberhalb Lager 3 am frühen Morgen aufgegeben hatten, noch ganz gut gespurt. Dann allerdings wären Ski und Videokamera komplett umsonst mit so weit hinaufgeschleppt worden, denn im anhaltenden Schneetreiben bei 20-50 m Sicht wäre eine Skiabfahrt viel zu gefährlich gewesen. Besonders Markus brachte es also nicht übers Herz, sofort aufzugeben, und so wurde vereinbart, noch einen Tag zu warten und am nächsten Morgen auf der sorgfältig zwischen den Eisabbrüchen ausgeklügelten Route die Abfahrt zu versuchen. So verbrachten die beiden Brüder den ganzen Tag essend, trinkend und schlafend im Lager 3 Via Funk Funk drang die Nachricht vom Gipfelsieg zu Lydia, Ralf und Olaf in das Lager 2. Lydia und Ralf stiegen am 2. August vom Basislager ins Lager 1 und am 3. August ins Lager 2 auf. Am Morgen des 4. August, so ihr Plan, sollte es weiter aufwärts ins dritte Hochlager gehen. Als um 3.00 Uhr morgens der Wecker klingelte und Lydia und Ralf begannen, sich in dem winzigen Zelt, in welches sie in dieser Nacht auch noch den erschöpften Olaf aufgenommen hatten, anzuziehen und zu kochen, hatte sich das Wetter rapide verschlechtert. Als die beiden um kurz nach 4.00 Uhr losstiegen, setzte leichter Schneefall ein. Da sich die Situation mit dem Wetter in der nächsten Stunde weiter verschärfte, sahen sich die beiden gezwungen, ihren Aufstieg abzubrechen und gemeinsam mit Olaf ins Lager 1 abzusteigen. Diese Entscheidung fiel den beiden außerordentlich schwer, obwohl sie in dieser Situation unausweichlich und die einzig richtige war. Trotzdem gab es Tränen. Der Abstieg von Lydia, Ralf und Olaf ins Lager 1 verlief reibungslos.![]() Doch bei der Ankunft im Lager 1 erlebten Lydia, Ralf und Olaf eine böse Überraschung. Ihr großes Achtmannzelt war durch die Druckwelle einer riesigen Lawine fast völlig zerstört worden. Der Abgang dieser Lawine wurde in der Nacht von den dreien beobachtet. Und nun standen die drei vor den Ausmaßen der Zerstörung. Zelte einer kasachischen Expedition waren aus ihrer Verankerung gerissen worden und lagen nun in einer etwa 150 Meter entfernten und 30 m tiefen Gletscherspalte. Gott sei Dank befanden sich alle Kasachen in der vergangenen Nacht in höher gelegenen Camps. Olaf und Ralf schafften es, daß große Zelt wenigstens so weit wieder in Stand zu setzen, daß es weiter benutzt werden konnte. Nach zwei Stunden harter Arbeit, setzte Olaf seinen Abstieg ins Basislager weiter fort. Er ging gemeinsam am Seil durch den Gletscherbruch des Gasherbrum-Gletschers mit den kasachischen Alpinisten, weil diese ihre Zelte in Lager 1 nicht mehr benutzen konnten und zum Abstieg gezwungen waren. Lydia und Ralf beschlossen, im Lager 1 zu bleiben, denn es gab Informationen, die darauf hindeuteten, daß diese Schlechtwetterperiode womöglich nicht so lange wie die letzte dauern könnte. ![]() |