Im Basislager, 13./14.07.01

13.07.

Nach dem gestrigen Ruhetag fühlten sich Christian und Markus schon wieder fit genug für einen erneuten Aufstieg und stellten die Wecker auf 1.30 Uhr, um im Schutz der morgendlichen Kälte durch den Gasherbrum-Eisbruch ins Lager 1 aufzusteigen. Der Eisbruch, ein kompliziertes Labyrinth aus Spalten und Eistürmen, ist wohl der gefährlichste Teil des Aufstiegs auf die beiden Gasherbrum-Gipfel, wenngleich auch bei weitem nicht der schwierigste. Um die dünnen Schneebrücken und zugefrorenen Wasserlöcher mit geringstmöglichem Risiko überwinden zu können, legt man die Aufstiegszeit deshalb am besten in die kälteste Zeit des Tages, also die frühen Morgenstunden. Als Christian und Markus also 1.30 Uhr aus dem Zelt schauten, sah das Wetter gar nicht einladend aus. Leichter Schneeregen und dichte Wolken beschränkten die Sicht auf wenige hundert Meter und da Orientierung in einem Gletscherbruch lebenswichtig ist, verzichteten die beiden schweren Herzens auf den geplanten Aufstieg und krochen zurück in die warmen YETI-Schlafsäcke.

Als es gegen 7.30 Uhr zum zweiten Mal Aufstehen hieß, trauten sie ihren Augen kaum. Strahlend lachte wie zum Hohn die Sonne zwischen einigen Schäfchenwolken hindurch vom blauen Himmel. "Zum Glück" hielt das schöne Wetter nicht lange an und schon bald regnete es wieder vom wolkenverhangenen Himmel. Den ganzen Tag über zeigte sich das Wetter ziemlich wechselhaft, so daß die beiden den Entschluß, im Basislager zu bleiben, nicht bereuten.

Stattdessen verbrachten wir alle den Tag mit verschiedenen Verrichtungen im Basislager. Christian bastelte wie fast jeden Tag irgendwie an unserer Elektronik herum, die von allen anderen Expeditionen im Camp übrigens sehr bewundert wird. Schließlich sind wir die einzigen, die ohne Generatorlärm und nur aus einigen wenigen Solarzellen einen beeindruckenden Technikpark betreiben: Satellitentelefon, Laptop, Videokamera, Digitalkamera, Walkman, EKG-Gerät und Funkgeräte beziehen ihren Strom aus Christians mysteriösen Schaltkoffern. Sogar elektrisches Licht gibt es im Mannschaftszelt, im Küchenzelt und im Zelt unseres Verbindungsoffiziers, der auf dieses Privileg sehr stolz ist. Die drei Energiesparlampen sorgen für angenehmes Licht ohne den Gestank der Gas- oder Kerosinlampen oder das Risiko umfallender Kerzen. Alle anderen beneiden uns darum.

Lydia kümmerte sich in ihrer "Sprechstunde" um die Wehwehchen aller möglichen Leute hier im Basislager, die Bauingenieurfraktion mit Ralf und Markus werkelte an ihren Zeltplätzen und Olaf folgte dem Beispiel. Am Abend zeigte sich der Himmel dann urplötzlich wieder wolkenlos und klar, und so ging es zeitig in die Schlafsäcke, denn Christian und Markus wollten morgen endlich Lasten ins Lager 1 schaffen.

14.07.

Wieder standen die Wecker der "Walter Brothers" auf 1.30 Uhr und diesmal schien das Wetter halbwegs passabel, auch wenn dichte Wolken hoch oben zumindest keinen strahlenden Sonnentag verhießen. Also schnell aus der Wärme des Schlafsacks in die eiskalten Klamotten geschlüpft und zum Frühstück rübergerannt, zu dem täglich Thermoskannen mit heißer Milch, Tee und Milchtee bereit stehen. Doch schon nachdem der erste Teller Cornflakes vertilgt war, begann es draußen zu schneien und innerhalb weniger Minuten hatte sich das Wetter zu einem handfesten Schneetreiben bei ca. 50 Meter Sichtweite entwickelt. Wiederum schien es nichts mit einem Aufstieg zu werden, doch so leicht wollten Markus und Christian nicht aufgeben, und so warteten sie geschlagene zwei Stunden auf Wetterbesserung, ehe sie resigniert wieder in die Schlafsäcke krochen. Damit war nun schon der zweite Versuch fehlgeschlagen, doch bekanntlich sind aller guten Dinge drei.

Und wie zum Hohn schien mit dem ersten Tageslicht gegen 6.00 Uhr erneut die Sonne von einem nur wenig bewölkten, strahlend blauen Himmel. Da nun wieder ein Tag im Basislager anstand, stürzten wir uns voller Elan auf die anstehenden Aufgaben, die dann am späten Vormittag alle erledigt waren. So luden wir für den Nachmittag die spanische Expedition zum Kaffee ein und verbrachten einige Stunden damit, zuerst ihnen und dann dem Verbindungsoffizier die Spielregeln des Kartenspiels UNO beizubringen, um dann in einem fort von ihnen darin geschlagen zu werden. Auch ansonsten gibt es in unserem Basislager immer genügend Abwechslung, denn durch unser Satellitentelefon und die Möglichkeit zum E-mail-Versand sind wir hier das Kommunikationszentrum schlechthin und Ukrainer, Italiener, Kasachen, Briten, Chilenen, Basken, Schweizer, Franzosen, Deutsche, Pakistanis und Russen kommen regelmäßig vorbei, um Nachrichten in die Heimat abzusenden oder ein paar wenige Worte über die teure Verbindung mit den Lieben daheim zu wechseln. Um nicht ständig das Telefon in Betrieb nehmen zu müssen, denken wir nun bereits über die Einführung von "Öffnungszeiten" unserer "Public Call Office" nach.

Das Wetter hat sich zum Abend hin stabilisiert, und so hoffen wir alle auf gutes Wetter für den entscheidenden dritten Versuch, den morgen also Markus und Christian starten wollen. Ralf, Olaf und Lydia sollen dann einen Tag später folgen, und so wollen wir um einen Tag versetzt Lager 2 und vielleicht gar schon Lager 3 errichten.


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