Askole-Pajiu, 30.6.-2.7.01

30.06.01

Heute stand unsere erste Trekkingetappe auf dem Programm. Von Askole aus sollte es entlang dem Braldu-Fluß nach Jola gehen. Die Lagerplätze zwischen den einzelnen Trekkingetappen stehen im Grunde genommen fest, denn nur an wenigen Stellen gibt es Trinkwasser und genügend ebene Flächen, um einige Zelte aufzustellen. Die Strecken zwischen diesen einzelnen Plätzen, die teilweise künstlich angelegt sind, werden als "stages" bezeichnet und die Bezahlung der Träger erfolgt nach der Anzahl der zurückgelegten "stages".

Von Askole nach Jola sind es zwei dieser "stages" von jeweils reichlich zehn Kilometern Länge. Nicht zuletzt deshalb heißt es zeitig aufbrechen, denn je weiter man in der morgendlichen Kühle kommt, desto weniger schwitzt man in der Mittagshitze an steilen Anstiegen und langen staubigen Pfaden.

Heute steht vor dem Aufbruch jedoch noch eine langwierige Prozedur an, nämlich das Wiegen und Einteilen der Trägerlasten. Obwohl die Lasten alle bereits auf exakt 25kg getrimmt wurden, müssen alle Tonnen vor den Augen der Träger nochmals gewogen werden und erst dann geht es an die Verteilung. Zusammen mit der spanischen Expedition, die mit uns gemeinsam den Weg zum Gasherbrum-Basislager in Angriff nimmt, sowie mit unserer Trekkinggruppe haben wir die stattliche Zahl von 160 Trägern. Ein nicht unerheblicher Teil davon ist nur dazu bestimmt, das Essen für die Träger zu transportieren. Salman Ali, unser Sirdar, beginnt bereits 5.30 Uhr mit dieser Aufgabe, doch ehe er schließlich als allerletzter selbst Askole in Richtung Jola verlassen kann, ist es fast Mittag.

Zu dieser Zeit sind wir längst unterwegs und kommen im breiten Tal des Braldu-Flusses zügig voran. Links und rechts säumen phantastische Berge und kühne Felsnadeln den Weg. Kaum vorstellbar, daß dies erst der Anfang ist und die Kulisse nun von Tag zu Tag phantastischer wird.

Am Ende zieht sich der Weg dann ganz schön in die Länge, denn eine neu erbaute Brücke, die die früher hier erforderliche Seilbrücke ersetzt, zwingt zu einem Umweg von fast einer Stunde. Zwischen 14 und 18 Uhr erreichen schließlich alle Jola, wo wir uns für die Nacht in unseren Zelten einrichten.

01.07.2001

Die heutige Tagesetappe ist fast genauso lang, wie die gestern absolvierte. Zusätzlich steht noch eine abenteuerliche Flußdurchquerung auf dem Programm, ehe wir unser Tagesziel Pajiu erreichen werden.

Zeitiger Aufbruch ist also wieder angesagt, doch da wir Christians Geburtstag ausgiebig mit einem großen Mandelstollen feiern, dauert das Frühstück etwas länger. Immerhin sind 6 Uhr trotzdem alle unterwegs.

Die Träger haben einen sehr unterschiedlichen Laufrhythmus und finden sich dann grüppchenweise zusammen. Ab und an legen sie eine Pause ein und kochen innerhalb weniger Minuten aus etwas trübem Flußwasser in einer verbeulten Blechdose auf einem winzigen Feuer aus einigen dürren Zweigen einen Tee. Wir verlassen uns lieber auf das früh in die Trinkflaschen gefüllte Wasser. Davon braucht man allerdings eine ganze Menge, denn in der trockenen Luft, die um die Mittagszeit trotz der Höhe durchaus +30 Grad heiß ist, schwitzt man ganz erheblich und verliert so auch reichlich Flüssigkeit.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause erreichen wir die Stelle, an der ein größerer Seitenzufluß des Braldu zu queren ist. Eine Brücke oder ähnliche Hilfen gibt es dazu nicht, also sind Hosen hochkrempeln und durchwaten angesagt. Das Wasser reicht an den tiefsten Stellen gut bis übers Knie und hat ganz erhebliche Strömung. Kein Wunder, daß nicht alle das Abenteuer ohne ein kühles Bad überstehen. Bei denen, die unfreiwillig abtauchen, ist leider auch unser Eierträger. Fast 300 sorgfältig verpackte Hühnereier, unser gesamter Expeditionsvorrat für die nächsten sieben Wochen, sind anschließend hinüber. Nur zehn Stück überleben den heftigen Sturz und den Abtrieb im strudelnden Flüßchen. Zum Glück versprechen uns die Spanier, brüderlich zu teilen, so daß das Frühstücksomelett erst einmal gesichert ist...

Als wir den Lagerplatz in Pajiu erreichen, ist hier schon eine Menge los. Da alle Expeditionen an diesem Ort traditionell einen Ruhetag einlegen, haben wir die einen Tag vor uns gestarteten Österreicher eingeholt. Außerdem begegnen wir zwei kleinen Trekkinggruppen und einer koreanischen Expedition, so daß auf den wenigen schattigen Zeltplätzen unter den letzten Bäumen auf dieser Route ziemliches Gedränge herrscht. Trotzdem finden wir noch genügend Platz für unsere Zelte und richten uns häuslich ein. Da morgen ein Ruhetag angesagt ist, machen wir es uns richtig gemütlich. Am Abend feiern die Träger ein großes Fest, tanzen und singen zum Rhythmus der Trommeln, die in diesem Fall aus leeren Benzinkanistern bestehen.

Kurz nachdem 22 Uhr alle in den Zelten verschwunden sind, beginnt es zu regnen, was für willkommene Abkühlung sorgt und die im Freien übernachtenden Träger unter ihre Plastikplanen treibt.

02.07.2001

Der traditionelle Rast- und Ruhetag in Pajiu dient nicht nur der Erholung, sondern vor allem der Vorbereitung für die weiteren Tagesetappen, die von morgen Mittag an vollständig auf Gletschern verlaufen. Bereits am frühen Morgen beginnt die Verteilung der Lebensmittelrationen, die pro Träger aus reichlich 1kg Mehl sowie Salz, Zucker, Tee, Öl, Linsen und einer Packung Streichhölzern besteht. Dazu gibt es noch einen Anteil Fleisch, der von drei frisch geschlachteten Ziegen stammt und streng nach System aufgeteilt wird. Jeder bekommt einen gerechten Anteil des in viele hundert Stücke gehackten Ziegenfleisches.

Anschließend beginnt die Haltbarmachung der Vorräte, und so wird den ganzen Tag Brot gebacken, Fleisch gebraten, Linsen vorgekocht und Tschapatis auf Vorrat bereitet. Man sieht den Trägern die Freude über die erhaltenen Rationen förmlich an, und sie sind zu Scherzen aufgelegt und stets fröhlich. Die ganze Verteilung geht auch ohne Streit über die Bühne, eine Tatsache, die uns ob der komplizierten Angelegenheit doch etwas überrascht.

Wir nutzen den Tag zum Fotografieren, Waschen, Wäsche waschen, Lesen, Ausschlafen und Tagebuch schreiben. Besonders letzteres ist bei vielen die Hauptbeschäftigung, denn bisher blieb kaum genug Zeit, die Fülle der Erlebnisse der letzten Tage zu Papier zu bringen.

Morgen soll uns die dritte Marschetappe nach Urdukas führen, vorbei am gewaltigen Masherbrum und den kühnen Trango-Türmen. Und mit Sicherheit werden auch da die Fotoapparate wieder heißlaufen.


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