Trainings- und Vorbereitungstour Pfingsten 2001

Zu unserer letzten Trainingstour vor dem Expeditionsstart am 20. Juni hatten wir eine gemeinsame Eis- und Skitour in den Zillertaler Alpen geplant, zu der wir uns am Freitag, den 1. Juni mit zwei Autos von Leipzig und Dresden aus auf den Weg machten. Vereinbarter Treffpunkt war für Samstag früh 4 Uhr die 5. Kehre der Pfitscherjochstrasse - Ausgangspunkt fuer den Zustieg zur Hochferner-Biwakschachtel, von der aus wir die Nordwände von Hochferner (3463m) und Hochfeiler (3510m) angehen wollen - beides klassische Eisanstiege im mittleren Schwierigkeitsgrad.

  

Ralf, Christian und Markus - unsere "Skifahrer" an den Gasherbrums - wollten nach Durchsteigung der Wände zusätzlich eine Skiabfahrt ueber den Weisskarferner anschliessen, um noch ein paar Abfahrtskilometer zu sammeln, doch es sollte alles ganz anders kommen... Als Markus und Christian Samstag früh gegen 3 Uhr die Pfitscherjochstrasse hinauffahren, ist zunächst mal schon an der 4. Kehre Schluss - Reste einer riesigen Lawine versperren die teilweise abgerutschte Schotterpiste. Das bedeutet zwar lediglich eine Verlängerung des Anmarschweges um etwa 45 Minuten, doch als unsere drei Leipziger, die in den Pfingststau am Brennerpass geraten sind, erst gegen 6 Uhr an der Pfitscherjochstrasse eintreffen, liegen wir plötzlich schon fast drei Stunden hinter unserem Plan...

 

Als wir die Biwakschachtel schliesslich erreichen, ist es so natürlich zu späet, um in eine 1000-Meter-Wand einzusteigen. Kurzerhand disponieren wir um und begnügen uns mit dem deutlich niedrigeren Hochsteller (3097m), der über einen einfachen Grataufstieg zu erreichen ist. Leider hüllen uns die eigentlich erst für Sonntag angekündigten Wolken schon ein, bevor wir den Gipfel erreichen, so dass Lydia, Ralf und Olaf umkehren. Christian und Markus, die mit ihren Tourenski schneller sind, gehen weiter und erreichen über den ausnehmend brüchigen Grat den Gipfel. Eine zügige Skiabfahrt über fast 500 Höhenmeter bringt sie zurück zur Biwakschachtel. Am späten Nachmittag werden die Wolken immer dichter und es beginnt zu schneien. Trotzdem bleiben wir optimistisch und stellen die Wecker für den nächsten Tag auf 2.45 Uhr. Der Blick aus der Biwakschachtel am Sonntagmorgen verheisst jedoch nichts Gutes, und so beschliessen wir, erst einmal abzuwarten. Wie sich schon kurz darauf herausstellt, ein sehr kluger Entschluss, denn innerhalb weniger Stunden sind bei dem mittlerweile herrschenden Schneegestöber reichlich 10cm Neuschnee gefallen. Was bleibt uns anderes übrig, als den Tag in der Biwakschachtel auszusitzen? Wenigstens nutzen wir die Zeit, um unsere Theoriekenntnisse auf dem Gebiet der Spaltenbergung etwas aufzufrischen. Als sich am späten Nachmittag noch immer keine Besserung abzeichnet, scheint eine Durchsteigung einer der geplanten Nordwände kaum noch möglich - zu viel Neuschnee ist inzwischen gefallen. Da hier also nicht mehr viel zu holen ist, steigen wir 17 Uhr kurzentschlossen ab zu unseren Autos. Dort wollen wir das weitere Vorgehen vom Radiowetterbericht abhängig machen. Übereinstimmend berichten alle Sender von Temperatursturz und Schneefall bis hinunter auf 1500m. Damit haben sich für die Nichtskifahrer die Chancen auf eine sinnvolle Tour fast erledigt und die Leipziger Fraktion mit Lydia, Ralf und Olaf beschliesst daher, noch am gleichen Abend die Heimreise anzutreten.

Da die Wetterprognosen für den Pfingstmontag jedoch eigentlich gar nicht so schlecht sind, wollen Christian und Markus es nach Möglichkeit doch noch mit einer Skitour versuchen. Nach eingehenden Beratungen und taktischem Abwägen entscheiden sie sich für die Ortlergruppe. Dort sollte das von Süden kommende schöne Wetter wohl als erstes ankommen und mit etwas Glück könnte man sicher auch eine Tour erwischen, auf der die Ski nicht gar so weit hoch getragen werden müssen, ehe die geschlossene Altschneedecke beginnt. Im Schneegestöber kurven sie also mit Sommerreifen über den Jaufenpaß ins benachbarte Vinschgau hinüber und schließlich das Tal nach Sulden am Fuße des Ortlers hinauf. Als sie es sich eine Stunde vor Mitternacht zur kurzen Nachtruhe auf dem Parkplatz im Auto bequem machen, ist draußen von schönem Wetter keine Spur. Schneefall und dicke graue Wolken lassen eigentlich keinen großartigen Optimismus aufkommen, doch der Glaube an den Wahrheitsgehalt der Radiowetterprognose hilft weiter. 4.15 Uhr ist aufstehen angesagt. Noch immer hüllen dichte graue Wolken die Massive von Ortler und Vertainspitze ein, doch immerhin blinken schon ein paar vereinzelte Sterne zwischen den Wolken hindurch. Also wird zum Aufbruch gerüstet und 5.25 geht es los in Richtung Schaubachhütte. Die ersten zweihundert Höhenmeter müssen die Ski am Rucksack getragen werden, doch dann erlauben Altschneereste bereits das Anschnallen. Schon nach einer Stunde liegt die Hütte in Reichweite und lassen erste Sonnenstrahlen die majestätische Königsspitze in frischem Weiß erstrahlen. Vorbei an der Hütte geht es über den Eisseepaß zur Casatihütte und weiter in Richtung Monte Cevedale. Ziel der Tour ist es, möglichst weit hinauf zu kommen und möglichst viele Höhenmeter zu machen. Dies soll einen sogenannten Höhenreiz schaffen und sich so in den ersten Tagen unserer Expedition in Pakistan positiv auswirken. Zügig geht es also weiter und nur die Filmpausen, in denen Markus die Videokamera bedient, verzögern das Vorankommen. 11.20 Uhr stehen Christian und Markus schließlich auf dem Gipfel des Monte Cevedale, 3769m hoch. Eine schöne Abfahrt führt auf der Südseite wieder ein ganzes Stück hinunter, ehe mit den beiden Zufallspitzen (3757m, 3687m) die nächsten Gipfel erstiegen werden. Bis auf 10 Meter am felsigen Grat können die Ski immer dranbleiben, und die abschließende Abfahrt über die nördliche Steilflanke der Zufallspitzen bietet im harten Firn auch skitechnisch noch eine willkommene Trainingseinheit für die geplante Abfahrt vom Gasherbrum II. Weiter unten, auf den flacheren Hängen des Gletschers, lockt unberührter Pulverschnee zu einer echten Traumabfahrt. Und das am 4. Juni, also eigentlich schon mitten im Sommer!

 

Zwar beinhaltet der lange Rückweg vorbei an der Casati- und Schaubachhütte noch so manchen Gegenanstieg und am Ende auch einige matschige Altschneepassagen, doch die Freude an der gelungenen Tour nach den Wetterkapriolen des Pfingstwochenendes ist den beiden nicht mehr zu nehmen. Glücklich und geschafft nach 2400 Höhenmetern in Aufstieg und Abfahrt erreichen sie kurz nach 15 Uhr ihr Auto und fahren zurück nach Hause. Und im Dauerregen irgendwo auf der bayerischen Autobahn reden sie noch immer von den traumhaften Schwüngen hoch oben am Cevedale im unberührten Pulverschnee...

 

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