Die Zivilisation hat uns wieder, 01. und 02.09.2004
Die Stimmung, die während unserer nächtlichen Fahrt zurück in die norwegische Bergarbeitersiedlung Longyearbyen herrschte, könnte nur ein Maler richtig beschreiben. Zum Fotografieren aus dem Boot, war es viel zu dunkel. Langsam ist es vorbei mit den hellen Nächten hier. Seit dem 23. August geht nun auch in Spitzbergen die Sonne wieder unter. Besonders der Himmel sah gespenstisch aus. Die weiter entfernten Gipfel des westlichen Icefjordufers waren fast ganz verschwunden, nur auf wenigen lag ein seltsamer heller Schein. Auch die spiegelglatte Wasserfläche war in weiter Ferne an einer Stelle schlaglichtartig beleuchtet. Es sah aus, als würde dort unter Wasser ein gewaltiges Licht leuchten. Die steile Küste, an der wir fuhren, war von Nebelfetzen umwabert und hob sich schwarz aus dem Wasser ab, daß inzwischen aussah, wie geschmolzenes Blei. Die Landschaft um uns herum erschien völlig unwirklich, und wenn Mario nicht treu wie nun schon seit Wochen neben mir hergepaddelt wäre, dann würde ich mich wohl gefühlt haben, wie in meinem eigenen Traum.
Doch irgendwann ist jeder Traum vorbei. Jäh war die Steilküste mit den hier so charakteristischen Rillenbergen zu Ende, und die Adventbay öffnete sich, an deren gegenüberliegenden Ufer die Lichter Longyearbyens leuchteten. Eine Stunde nach Mitternacht liefen wir auf den Strand des kleinen Ortes auf. Nach 32 Tagen, fast genau 500 Paddelkilometern und ungezählten Kilometern Lastentragen auf der Landbrücke waren wir nun wieder in Sicherheit.
Wir sind schon ein bißchen schmaler geworden und auch sonst hat es wohl ein paar Veränderungen mit uns gegeben.
Ehe wir unsere Boote entladen und uns eine Unterkunft gesucht hatten, war der Großteil dieser Nacht schon vorbei, daß es sich für mich nicht mehr lohnte, ins Bett zu gehen. Wir hatten am Mittwoch auch soviel zu tun, daß Müdigkeit gar nicht aufkommen konnte. Zuerst brachten wir die hier geliehene Ausrüstung zurück und kümmerten uns dann um unsere Boote und die anderen Dinge, wie dry suit, spray skirt, life jackets sowie Neoprenschuhe und -handschuhe, die wir ja an den hiesigen Kajakverein verkaufen wollen. Alles mußte gereinigt und getrocknet werden. Denn am Nachmittag hatten wird den Besichtigungstermin ausgemacht. Kajaks sind hier übrigens sehr begehrt, und wir haben über eine Anzeige in der Zeitung ein halbes Dutzend Kaufinteressenten auf Anhieb gefunden. Doch der Kajakverein nimmt beide Boote und die gesamte Ausrüstung und zahlt dafür auch mehr, als wir zu hoffen gewagt hätten.
Der stellvertretende Vorsitzende, Jakob Orheim, war platt, als er Ausrüstung und Boote sah. Wir sind natürlich sehr vorsichtig mit allem umgegangen. Er konnte sein Glück kaum fassen, daß er nun zwei fast nagelneue Expeditionskajaks samt Überlebensausrüstung sein eigen nennen konnte, und wir waren natürlich auch sehr froh darüber, daß wir völlig entspannt unsere gesamte Ausrüstung gut verkauft hatten. Da wurde es nun Zeit, einen kleinen Zwischenstopp im Barents-Pub einzulegen und auf die Tour und unser gutes Geschäft mit Herrn Orheim anzustoßen und eine Pizza zu essen. Es dauerte auch nur zwei Drinks, bis wir wußten, daß wir genug hatten. Ich wollte schließlich noch die beiden letzten Etappen in Worte fassen und an unseren Webmaster senden.
Der Vertrag mit dem Kajakverein beinhaltet auch eine Klausel, daß wir in den nächsten beiden Jahren unsere Kajaks zum Vorzugspreis dort ausleihen können.
Am heutigen Donnerstag hatten wir den obligatorischen Termin beim Gouverneur. Sich hier zurückzumelden, ist genauso eine Pflicht, wie die Genehmigung vor der Abfahrt zu beantragen und die nötige Sicherheitsausrüstung, wie zum Beispiel eine Waffe, nachzuweisen. Diese Formalitäten sind hier seit einigen Jahren unumgänglich, will man nicht eine saftige Strafe riskieren. Anschließend sind wir in die Universität, um die beiden Chefs des hiesigen Kajakvereins, Stefan Claes und Jacob Orheim zu treffen. Es wurde zu erst gespeist in der Studentenkantine und dann ganz förmlich der Kaufvertrag aufgesetzt und unterschrieben. Ganz nebenbei haben wir dann auch noch die nördlichste Universität der Welt besichtigt, die ja hier in Longyearbyen steht und wo speziell auf die Arktis ausgerichtete Fachgebiete gelehrt werden. Der Rest des Tages vergeht, wie auch schon der gestrige, mit Arbeit an der Aktualisierung der Arktishomepage.