arcadia    


Wir beginnen ohne Rast den Rückweg, 16. und 17.08.2004

Wir erwachten nach unserer Nacht auf Verlegenhuken noch immer im Sonnenschein. Immer noch lag das Eismeer glatt wie ein Spiegel da. Und wieder will ich ehrlich sein. Uns war nicht wohl bei dem Gedanken, wie weit wir hier oben von allem und jedem entfernt waren. Deshalb entschlossen wir uns schweren Herzens, weil wir natürlich gerne noch geblieben wären, nun schon den dritten Tag in Folge eine Mammutetappe anzugehen.


Auf diesem Bild erkennt man Grohuken, das ist das nordwestliche Ende der Wijdebay und links davon die Öffnung des Fjordes in das Eismeer.

Wir wollten die 50 Kilometer von gestern wieder zurück paddeln. Ohne Verzögerung brachen wir auf. Allerdings saß ich inzwischen keine drei Minuten mehr im Boot und hatte dann solche Rückenschmerzen, daß ich es unter normalen Verhältnissen keine weitere drei Minuten ausgehalten hätte. Und Mario hockte auch nur noch mit ziemlich verkniffenem Gesicht in seinem Boot. Aber was man sich nicht alles einbildet! Ich hab wiedermal erfahren, daß wir viel mehr aushalten können, als wir glauben.

Gleich unterhalb von Verlegenhuken liegt die Halbinsel Bangenhuk. Die Namen sind hier Programm. Dort steht eine historisch sehr interessante Jägerhütte, die wir uns natürlich auch ansehen wollten. Denn in der Bangenhukhytta, die zwar nicht mehr für Überwinterungen genutzt wird, hat sich die fast einhundert Jahre alte originale Inneneinrichtung erhalten. Hier konnten wir uns ansehen, unter welchen Verhältnissen die Trapper Anfang des vorigen Jahrhunderts die Polarnacht 900 Kilometer vom Nordpol entfernt verbracht haben.

Es ist schon ziemlich unvorstellbar, was für ein Charakter nötig ist, um hier drin über einhundert Tage totale Finsternis zu ertragen ohne verrückt zu werden. Wir vertrödelten jedenfalls eine Menge Zeit in dieser Hütte und trugen uns natürlich auch in das uralte Hüttenbuch ein. So erreichten wir unser Ziel heute nicht ganz, was uns unweigerlich schon wieder ein schlechtes Gewissen verschaffte. Man braucht nur ein einziges Mal im Leben im Norden Spitzbergens bei Gegenwind gepaddelt zu sein mit erstarrten Händen, über die ich manchmal die Kontrolle verlor. Dann würde man verstehen, warum wir andauernd Gewissensbisse hatten, wenn wir gutes Wetter ungenutzt verstreichen ließen. Wir hatten die Lektion der Insel gelernt. Wer sich hier etwas vorgenommen hat, der muß es durchziehen auf Biegen und Brechen, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Eine zweite bekommt er womöglich nicht mehr.