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Endlich besseres Wetter! Wir setzen alles auf eine Karte, 13. und 14.08.2004

Nach der stürmischen Fahrt den Austfjorden entlang, war unsere Kraft und unser Mut gerade zu Ende an einer alten aber noch intakten Überwinterungshütte eines Jägers. Wir wußten schon, daß es diese Hütte gab, wollten aber nur ein paar Fotos machen und dann weiterfahren. Denn norwegische Jäger, die auf Spitzbergen außerhalb der Siedlungen überwintern, schätzen in ihrer selbstgewählten Abgeschiedenheit Besuch nicht so sehr. Übrigens gibt es im nächsten Winter in Spitzbergen nur zwei Trapper, die offiziell überwintern und sich dabei ausschließlich von der Jagd ernähren dürfen. Es ist ihnen nur verboten Polarbären zu schießen.


Die Hütte wurde im 18. Jahrhundert von russischen Mönchen aus Schwemmholz errichtet, später dann erweitert. Sie wird auch heute noch jedes Jahr für Überwinterungen genutzt.

Wir gingen also an Land und wurden von dem alten Jäger und seinem Gehilfen sogleich auf einen Kaffee eingeladen. Auch wurde uns ein windgeschützer Lagerplatz angeboten. Da wir beide fix und fertig nach der Gegenwindpaddelei waren, nahmen wir das Angebot an, in der Hoffnung, morgen in aller Frühe wieder verschwunden zu sein. Doch daraus wurde nichts, denn der starke Nordwind hielt auch fast den ganzen nächsten Tag an. Freitag, der Dreizehnte wurde also zu einem unfreiwilligen Ruhetag mehr. Wenigstens konnte da nicht so viel passieren. Und wir hatten die Gelegenheit, den Trapper und den jüngeren Gehilfen, der auch etwas Englisch sprach, bei ihrem Tagwerk zu beobachten.


Die Fleischvorräte werden wegen der Eisbären auf einem solchen Gerüst aus Schwemmholz gelagert. Es bietet einen gewissen Schutz vor den Bären, die wegen des verlockenden Geruchs ständig bei der Hütte aufkreuzen.

Wir haben an diesem Tag auch eine längere Tour zu Fuß auf einen in der Nähe liegenden Hügel unternommen und viel fotografiert, weil es zwar ein extrem windiger, aber dafür sonniger Tag war. Am Abend wollten wir zeitig schlafen gehen, in der Hoffnung dann am kommenden Tag wenigstens gut voranzukommen. Wie immer dauerte es bei mir ziemlich lange mit dem Schlafen, wegen der Tagebuchschreiberei. Doch plötzlich, während ich so in meinem Schlafsack lag und schrieb, stellte jemand den Wind ab, als ob er einen Hebel umgelegt hätte. So etwas habe ich bisher nur in Spitzbergen erlebt. Ich überlegte keinen Augenblick und weckte den armen Mario. Der war zwar nicht so begeistert, sah aber rasch, daß ich es sehr ernst meinte. Wir packten zusammen und gingen genau um 23.30 Uhr also noch am Freitag den Dreizehnten in die Boote.


Die Verhältnisse waren urplötzlich traumhaft günstig, und wir redeten uns ein, daß dies ein Zeichen sei. Jetzt oder nie!

Mittels GPS konnten wir genau unsere Geschwindigkeit bestimmen. Wenn wir ruhig und gleichmäßig paddelten, erreichten wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwas über sechs Kilometer pro Stunde. Mario fragte mich immer mal danach. Als wir die erste Stunde hinter uns hatten und ich ihm die zurückgelegte Strecke mitteilte, sagte er halb im Spaß, halb im Ernst, daß wir dann ja schon in 20 Stunden die noch fehlenden 120 Paddelkilometer hinter uns hätten. Und wir beide beschlossen ohne Kompromisse, diese Gelegenheit des guten Wetters, Sonnenschein und Flaute ist eine wahrhaft seltene Paarung auf dieser Insel, bis zum Umfallen zu nutzen. Wir wollten diese 20 Stunden durchpaddeln und legten uns einen Plan zurecht. Wenn wir immer nach zwei Stunden 10-20 Minuten Pause machten, nach vier Stunden dann eine längere Pause, in der wir auch kochen wollten, dann wieder nach zwei Stunden eine kurze Pause und so weiter, bis wir am Nordkap angekommen wären. Wie weit würden wir wohl kommen? Könnten wir es vielleicht wirklich bis hoch schaffen? Wie lange bliebe das Wetter stabil? Der Luftdruck war unverändert hoch. Wieviel Kraft hatten wir? Wieviel wären wir in der Lage auszuhalten?


Wir paddelten in dieser Nacht und am folgenden Tag bis zur völligen Erschöpfung und waren fast 40 Stunden auf den Beinen.