Route: Südwestgrat

Vom Basislager in ca. 5000 m Höhe erreicht man den Südwestgrat, im Gegensatz zu den allermeisten anderen Routen auf Himalaya-Gipfel, ohne eine Gletscherüberquerung. Zuerst geht es über Hänge mit zunehmender Neigung in zügiger und wenig schwieriger Kletterei an der Südseite des Berges über den Kamm einer Moräne (a) in Richtung des Südwestgrates. Auf diesem Weg besteht die Möglichkeit, zwischen 5200 und 5400 m Höhe ein Zwischenlager (b) einzurichten. Das wird besonders zu Beginn der Expedition zweckmäßig sein, weil der Weg zwischen Basislager und Lager 1 vor allem bei schlechten Verhältnissen, also zum Beispiel Neuschnee, sehr lang werden kann.

Der Hauptkamm des Südwestgrates wird bei etwa 5800 m Höhe erreicht. Kurz zuvor wird das Lager 1 (C1) errichtet. Von hier ab liegen nun etwa 500 bis 600 Meter Kletterei den fast waagerecht verlaufenden Grat (c) entlang vor uns. Dabei wird fast ausschließlich im Fels (Schwierigkeit II-V nach UIAA) auf der Gratkante oder knapp darunter an der rechten Seite geklettert. Der Granit ist sehr gut und bietet durchweg interessante und mit unter sehr ausgesetzte Kletterstellen.

Nach dem fast horizontalen Abschnitt treffen wir auf den sogenannten Yellow Tower (1). Hier erwartet uns eine Schlüsselstelle und zwar etwa eine Seillänge im VI. Schwierigkeitsgrat (UIAA). Oben auf dem Gelben Turm errichten wir auf einem sehr beengten Platz unser Hochlager 2 (C2). Von hier aus gelangt man über ein bis zu 60 ° steiles Eis- und Schneecouloir (2) auf der Südseite des Berges bis zum Grey Tower (3). Die erste Stufe des Grauen Turmes erfordert wieder schwierige Felskletterei, besonders an einem überhängenden Riß. Die Schwierigkeit ist wieder mit VI angegeben. Danach geht es über die zweite Stufe des Turmes, die von steilen Eis- und Schneehängen gebildet wird. Manchmal wird der Turm auch auf der linken Gratseite über eine Traverse umgangen (3).

Der nächste Abschnitt ist die sogenannte Mushroom-Ridge (4). Dieser Teil des Südwestgrates erhielt seinen Namen, weil die Buckel auf dem markanten Schneegrat irgendwie an Pilze erinnern. Die Mushroom-Ridge verbindet den Südwestgrat mit dem oberen Teil des Berges. Etwas oberhalb von der Stelle (5), wo der Pilzgrad auf die Gipfelpyramide trifft, wird auf einer relativ großen Schneeplattform das Camp 3 (C3) errichtet. In manchen Jahren gibt es allerdings Probleme mit Spalten beim Übergang auf diese Plattform, die dann irgendwie überklettert werden müssen. Diese Schneeplattform mit dem Hochlager 3 befindet sich auf dem Eisbalkon, der als "unterer Dablam" bezeichnet wird.


Der letzte Tag auf dem Weg zum Gipfel beginnt mit spannender Kletterei über steile Schnee- und Eishänge (1) bis max. 60 ° rechts an der "oberen Dablam" vorbei. Wenn wir an dem oberen Eisbalkon (Dablam) vorbei gestiegen sind, erwartet uns wieder ein Bergschrund (2). Manchmal ist er weit offen, in anderen Jahren wieder nicht. Wenn er überwunden ist, folgen die rinnendurchzogenen Schneefelder (3) welche die letzte Etappe auf dem Weg zum Gipfel darstellen. In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben über die Steilheit dieser Hänge. Sie schwanken zwischen 50 und 65°, sollten bei guten Verhältnissen aber kein Problem mehr darstellen. Der Gipfel selber wird von vielen Bergsteigern aus Respekt vor den religiösen Gefühlen der Sherpas nicht betreten. Man kann sich ihm aber problemlos bis auf wenige Meter nähern und darf sich dann sicher sein, dass es einem die Sherpas danken werden.

Bilder 2 und 3 mit freundlicher Genehmigung von Arnaud Clère