Die ersten Meter am Grat - 24.04.2006

Es war noch viel unangenehmer als ich mir das in meinen Alpträumen ausgemalt habe. Fast 11 Stunden mußten wir uns durch den Schnee kämpfen. Beim ersten Aufstieg waren Lakpa und ich nach nicht mal vier Stunden im Camp 1. Diesmal allerdings herrschte stockfinstere Nacht, als wir dort oben eintrafen. Alles war tief verschneit, und so mußten wir erst einmal wenigstens provisorisch eine Zeltplattform freischaufeln. Ein Zelt stand auch noch nicht, wir hatten es ja nur dort oben deponiert, wegen der Sorge, daß Vögel es auf Nahrungssuche kaputtmachen würden. Und nach dem Zeltaufbau kam dann die unvermeidliche Kocherei.


Der Aufstieg zum Lager 1: Ein unbarmherziger Kampf gegen den Schnee und die Hitze.

Wir waren am nächsten Tag noch dermaßen von dem Aufstieg erschöpft, daß an den geplanten Einstieg in die Gratroute in Richtung des zweiten Hochlagers nicht zu denken war. Stattdessen bauten wir unser Hochlager aus. Das war aber fast anstrengender, als das Klettern, weil gleich kubikmeterweise der Schnee von zwei Plattformen geschaufelt werden mußte. Die Schneeschipperei sowie der Aufbau bzw. das anständige Verankern der beiden Zelte nahm fast den ganzen Sonnabend in Anspruch. Jetzt allerdings haben wir auch ein sehr schönes und sicheres Lager dort oben, wo wir bequem alle vier Zuflucht finden können.


Mein Zelt in 5800 m Höhe direkt am Aufstiegsgrat mit Blick nach Westen auf Tramserku und Kangtenga.

Am Abend haben wir dann noch die Ausrüstung sortiert, die wir am nächsten Tag mit in die Route nehmen wollten. Ab Lager 1 geht die schwierige Kletterei los. Es ist zumindest theoretisch nötig, die etwas mehr als 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel mit einer fest installierten Fixseilstrecke zu versichern. Würde man jedesmal frei klettern, um die Lasten für die höheren Lager hinauf zu transportieren, wäre das Risiko eines tödlichen Fehltrittes einfach zu groß. Also muß eine Fixseilstrecke aufgebaut werden. Das kostet natürlich Zeit, Kraft, eine gewaltige Menge an Material und die ersten Kletterer gehen natürlich auch ein höheres Risiko ein, weil sie im Vorstieg mit dem Risiko eines Absturzes die Seile am Grat fixieren müssen.

Gestern war also der große Tag, an welchem Lakpa und ich das erste Mal und in diesem Jahr auch als erste überhaupt den verschneiten Südwestgrat der Ama Dablam in Augenschein nahmen. Die ersten 200 Meter ging es noch ungesichert rechts der Gratschneide in tiefem Schnee voran. Hier half der Schnee sogar. Dann wurde das Gelände schwieriger, und wir begannen zu klettern. Lakpa übernahm in der ersten Seillänge den Vorstieg. Er kletterte schnell und sicher. Obwohl uns der viele Schnee zu schaffen machte, kamen wir schneller voran, als wir erwartet hatten. Nach drei Stunden hatten wir die 200 Meter Fixseil, die wir bei uns hatten, nahezu installiert. Wir hätten gut die doppelte Strecke an diesem Tag geschafft, doch unser Material ging zur Neige. Wir mußten umkehren.


Lakpa beim Abstieg an den soeben installierten Seilen.

Da es noch relativ früher Nachmittag war, als wir wieder im Lager 1 eintrafen, entschlossen wir uns spontan, noch am selben Tag ins Basislager abzusteigen, um noch einmal einen Ruhetag einzulegen und dann weiteres Material hinaufzutragen. Wenn das Wetter hält, werden Lakpa und ich also morgen am Dienstag wieder aufsteigen. Ralf und Dieter sind heute hinauf zum Lager 1 marschiert, um ihre Kletterausrüstung dort zu deponieren und eine oder zwei Nächte auf der neuen Höhe zu verbringen, um anschließend für das anstehende Versichern der weiteren Route fit zu sein. Ab morgen werden wir dort oben also alle gemeinsam sein um mit vereinten Kräften die Route voranzutreiben. Bleibt zu hoffen, daß das Wetter hält und wir alle gesund im Camp 1 eintreffen.