Das erste Hochlager steht, 17.04.2006
Man könnte die Motivation der Alpinisten auch als Auftrieb bezeichnen.
Er bewegt Bergsteiger dazu, ihrer Passion nachzugehen und auf Berge zu
klettern. Und wenn dieser Auftrieb besonders groß ist, dann können sie
es gar nicht erwarten, endlich loszulegen. Gleich am ersten Tag unseres
Aufenthaltes hier im Basislager sind Ralf, Dieter und Lakpa
losmarschiert, um Lasten zum Lager 1 hinaufzuschaffen. Ich hab gestern
darauf verzichtet, weil es hier unten im Basislager noch soviel zu tun
gab. Die Ankunftsnews mußte verfaßt, andere Post geschrieben und
beantwortet, unser Lager mit den Logos der Sponsoren verziert werden und
noch manches andere mehr.
Doch heute war auch ich nicht mehr zu halten. Kurz nach 8.00 Uhr haben
sich Lakpa und ich auf den schier endlosen Weg ins Lager 1 gemacht.
Dabei gelangten wir von der Westseite auf die Südseite des Berges. Es
ist nicht von ungefähr üblich, anfangs zwischen dem Basecamp und dem
ersten Hochlager noch ein Zwischenlager anzulegen, um nicht schon in den
ersten Tagen zuviel Kraft zu verpulvern. Doch wir alle sind bestens
akklimatisiert, weil wir ja tatsächlich im Everest-Basislager waren, um
uns an die Höhe optimal anzupassen. Deshalb verzichteten wir auf ein
solches Lager und gingen gleich die 1200 Höhenmeter bis hinauf zum
traditionellen Platz für das richtige Lager 1, welches auf einer Höhe
von 5740 Metern liegt.
Ein völlig neuer Blick auf den Berg tut sich auf: Die
Südwand der Ama Dablam! Das Lager 1 liegt genau zwischen meinem Kopf und
meinem Rucksack auf der kleinen Zacke.
Doch dieser Aufstieg hat es in zweierlei Hinsicht in sich. Einerseits
sind die 1200 Höhenmeter wirklich kein Pappenstiel, wenn der Rucksack
schwer ist. Der Weg ist sehr weit und führt im oberen Bereich fast
ausschließlich über ziemlich häßliches Geröll. Vier bis fünf Stunden
dauert der Aufstieg bis dort hinauf. Doch beschwerlich ist das
Bergsteigen in der Höhe immer. Die andere Hinsicht ist die
entscheidende! Der Aufstieg bietet phantastische neue Ausblicke auf die
Ama Dablam. Die Südwand präsentiert sich und mit ihr ein überwältigendes
Panorama der sie umgebenden Gipfel. Diese Bergsichten haben mich für die
Strapazen mehr als belohnt.
Und die nächste überaus positive Überraschung war das Camp selbst. Wie
ein Adlerhorst liegt es wenige Meter unterhalb des Grates, der hinauf
zum Gipfel führt. Wenige Schritte nur, und man kann hinunter ins
Basislager schauen. Deshalb ist die Funkverbindung zum Basecamp
hervorragend. Die gesamte weitere Aufstiegsroute liegt dort oben vor
uns, und wir konnten sie aus geringer aber sicherer Distanz genauestens
in Augenschein nehmen.
Lakpa und Olaf beim Anlegen des Depots.
Durch die beiden Aufstiege gestern und heute haben wir schon am zweiten
Tag am Berg Nahrung und Brennstoff für eine Woche, drei Zelte, 400 Meter
Seil sowie sämtliche Felshaken, Eisschrauben und Friends dort oben im
ersten Hochlager. Übermorgen, also am 19. April werden Lakpa und ich
hinaufziehen und mit dem Einrichten der Route beginnen. Ein Zelt haben
wir übrigens noch nicht aufgestellt, zu groß ist die Gefahr, daß die
Vögel das Zelt zerstören, weil sie Nahrung darin vermuten. Wie groß ihre
Zerstörungskraft sein kann, weiß ich noch vom Gasherbrum 1995, wo sie unser
Lager 1 auf 6000 Metern fast vollständig zerlegt haben.
Jetzt bleibt uns nur, auf gutes Wetter zu hoffen, welches ja in den
letzten Tagen zwar zu Wünschen übrig ließ, aber doch stabil und ohne
Schnee gewesen ist. Das schlimmste, was uns hier an diesem Berg
passieren kann, ist starker Schneefall. Alles andere können wir
irgendwie überstehen. Doch Schnee in den schwierigen Kletterpassagen
oben zwischen Lager 1 und Lager 3 kann alles zunichte machen. Aber der
alte Mönch versprach uns ja die Gunst der Mutter mit dem Amulett!
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