Maoisten! 30.03.2006
Eigentlich wollte ich ja nach Namche zurückkehren und in Ruhe die
Expeditionsausrüstung ordnen und in Lasten verpacken, welche von den
Yaks getragen werden können. Doch ich fand, daß ich ein paar Tage Urlaub
vertragen könnte und es vielleicht besser ist, wenn ich in Kathmandu
bin, wenn die anderen eintreffen.
Inzwischen bin ich 14 mal nach Nepal zurückgekehrt. Fast drei Jahre habe
ich hier verbracht, aber ich war noch nie in der anderen bedeutenden
Gebirgsregion, in welcher die beiden Achttausender Dhaulagiri und
Annapurna liegen. Einst war dieses Gebiet das am meisten besuchte
Nepals. Doch dies hat sich jetzt grundlegend geändert. Jetzt herrschen
hier die Maoisten. Die nepalesische Regierung hat jeden Einfluß
verloren. Anfangs war ich unentschlossen, ausgerechnet jetzt das erste
Mal hierher zu kommen. Ich habe inzwischen so vieles über die Maoisten
gehört, meistens weniger Gutes. Doch dann war gerade das der Grund für
den Entschluß, den Versuch zu wagen und später gemeinsam mit Ralf und
Dieter in Namche zu packen. Ich wollte mir selbst ein Bild machen von
der gegenwärtigen Situation und den Gebaren der Maos.
Doch das erste, was mich hier beeindruckt hat, waren nicht die Maoisten,
sondern die beeindruckenden Ausblicke auf phantastische Berge, wie den
großartigen Dhaulagiri, malerische Dörfer und ganz besonders die
wunderbaren Bergurwälder, durch die lange Strecken unseres Weges geführt
haben.
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Bergurwald auf dem Weg nach Ghorepani |
Der Achttausender Dhaulagiri |
Und wir sind fast niemandem begegnet. Lakpa war sehr verwundert, wie
wenig hier los ist, weil gerade jetzt Ende März zur Rhododendron-Blüte
normalerweise besonders viele Touristen hier sein müßten. Doch die
wenigen Ausländer die noch kommen, besuchen jetzt das Khumbu, welches
nach wie vor maoistenfrei ist. Und das sind meist Deutsche und
Japaner.
Da ich mir nur fünf Tage Zeit genommen habe, aber viel sehen will,
womöglich, um auch hierher Gäste zu führen, gehen wir sehr weit. Heute
am ersten Tag sind wir zwölf Stunden und fast drei Tagesetappen
gelaufen. Und wir haben die Grenze zu der von den Maoisten
kontrollierten Region überschritten. Also sind wir ihnen auch begegnet.
Es gab keinen klassischen Kontrollpunkt, keine Kalaschnikows und keine
finsteren Guerillas. Ein schüchterner Mann vom Stamme der Gurung näherte
sich Lakpa, als wir in Ghorepani, unserem Tagesziel, angekommen waren
und kündigte den maoistischen Kämpfer an. Er würde von uns jetzt Geld
einfordern. Lakpa wurde ein wenig nervös. Da er mich kennt, bat er mich
dringend, meinen Mund zu halten. Er meinte, daß sie zu allem fähig
seien. Ich versprach es, doch nur, wenn er Fotos vom dem Mao und mir
machen würde. Er solle höflich fragen, ob das möglich sei.
Maoist und ich im kultivierten Meinungsaustausch
Der Kämpfer kam nur mit einem Quittungsblock bewaffnet und bat mich in
meine Lodge. Wir setzten uns, und er begann mir in gutem Englisch einen
Vortrag zu halten, weshalb er mir Geld abknöpfen müsse und warum der
König und die Regierung schlecht seien. Dann schrieb er umständlich eine
Quittung aus. Ich zahlte umgerechnet 13 Euro. Dann gab mir die Hand und
das wars. Wesentlich bedrohlicher kamen mir da die unzähligen bis an die
Zähne bewaffneten Soldaten auf der siebenstündigen Busfahrt von
Kathmandu nach Pokhara vor. Die vielen Straßensperren konnte ich schon
gar nicht mehr zählen.
Soweit so gut. Die Touristen merken die Maos zumindest hier also kaum
und brauchen sich wohl keine Sorgen zu machen. Doch das ist nur die
halbe Wahrheit. Die Menschen leiden sehr wohl unter den Maos, denn die
Touristen bleiben aus. Auf ihren Hauswänden heißen sie die
kommunistischen Kämpfer zwar willkommen, doch sie wissen, was sie ihnen
verdanken.
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Kaum eine Hauswand ohne diese Versicherungen. |
Viele können die Kredite für ihre neu gebauten Herbergen nicht
zurückzahlen. Wir sahen häufig Bauruinen. Die Menschen sind
eingeschüchtert. Und hier erscheint mir die ganze Sache noch sehr
moderat. Als ich im Jahre 2003 von Jiri nach Namche gelaufen bin,
ebenfalls durch eine von den Maos kontrollierte Region, da war die
Situation noch wesentlich präkerer, die meisten Herbergen geschlossen
und die Leute sehr deprimiert. Anstatt zahlende Touristen, mußten die
Gastwirte hier ganze Horden von nichtsnutzigen Maos verköstigen, die
viel aßen, aber nichts taten, außer große Reden zu schwingen. Außerdem
zwangsrekrutierten die Maos die halbwüchsigen Söhne der Leute. Sie
wurden einfach mitgenommen. Und das tun sie hier in der Annapurna-Region
auch. Es ist für die Menschen eine unsägliche Plage.
Wir marschieren morgen weiter. Und wenn sich uns ein Mao in den Weg
stellt, dann hole ich meine Quittung hervor oder die nächsten 13 Euro.
Und in ein paar Wochen fahre ich zurück in die Heimat und ärgere mich
nicht über die Wohlstandsprobleme bei uns in Deutschland. Doch die
Menschen hier müssen in Nepal bleiben und um ihre Söhne fürchten, die
täglich in einem sinnlosen Bürgerkrieg sterben.
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