Meine Zeit in Kathmandu geht zu Ende - 29.03.2006

Man stelle sich Berlin vor. Plötzlich Stromausfall, große Teile der Stadt sind betroffen. Alles bricht zusammen, weil aber auch gar nichts mehr funktioniert. Mitten bei der Arbeit stürzen unangekündigt die Rechner in den Büros ab, es gibt kein Geld mehr auf den Banken, der Nahverkehr kommt völlig zum Erliegen, die Verkehrsampeln funktionieren nicht und in den fensterlosen Kaufhäusern wird es mit einem Mal stockfinster. Genau das passiert zur Zeit in Kathmandu und zwar täglich. Gegen 19.00 Uhr, in den Geschäften herrscht gerade Hochbetrieb, wird jeden Tag der Strom abgeschaltet, bis tief in die Nacht hinein. Meist gibt es noch eine zweite Abschaltung am Vormittag für mehrere Stunden, mitten zur Geschäftszeit der Behörden.

Auch in der Hauptstadt Nepals gibt es Computer und Verkehrsampeln und auch hier können die Touristen nur bei Licht einkaufen. Es ist auch hier eine Zumutung für die Menschen, die Hälfte des Tages keinen Strom zu haben. Und doch stimmt der Einwurf, daß das in Kathmandu etwas ganz was anderes sei als in Berlin! Nicht weil hier etwa der Strom aus der Steckdose nicht gebraucht würde, sondern weil die Menschen damit umgehen müssen, und es auch können. Sie tun das mit einer beneidenswerten Gelassenheit. Nur leider verzögert diese Tatsache die ohnehin schon quälend langsamen Prozesse auf den Behörden weiter und der Grad meiner Gelassenheit läßt noch zu wünschen übrig. Jetzt dauern einzelne Vorgänge gleich ganze Tage, wie gestern der Besuch im Informationsministerium, wo ich das Satellitentelefon angemeldet habe oder heute das sogenannte Briefing für die Ama Dablam- Expedition, also die persönliche Unterweisung durch den Verbindungsoffizier und einen Mitarbeiter im Ministerium für Tourismus und Luftfahrt.


Die feierliche Permitübergabe im Ministerium. Von li.n.re. Sekretärin, Sekretär, ich, Offizier im Ministerium, offizieller Verbindungsoffizier unserer Expedition, Lakpa.

In der sogenannten Immigrationoffice, wo ich die Verlängerung meiner Aufenthaltserlaubnis zu beantragen hatte, war ich vorgestern der einzige Kunde. Was bin ich doch für ein Glückspilz dachte ich mir! Dies würde nun mal ganz fix über die Bühne gehen. Zuerst mußte ein sehr langes Formular ausgefüllt werden. Um das zu bekommen, brauchte ich nicht anstehen! Anschließend sollte an der Kasse bezahlt werden. Dort erhält man eine Quittung. Abermals kam ich sofort dran, weil ich noch immer in der ganzen Behörde der einzige Bittsteller war. Dann mußte ich an den dritten Schalter, um dort die Quittung und meinen Paß abzugeben, in welchen der Aufkleber geklebt werden sollte, auf dem die Verlängerung des Visas verzeichnet ist. Hinter diesem dritten Schalter saßen vier Personen, die meinen Paß entgegennahmen. Ich mußte wieder keine Minute warten, um den Paß loszuwerden. Aber jetzt kommts! Ich sollte in zwei Stunden wiederkommen, meinen Paß abzuholen. Da kam nur ein kleiner Aufkleber rein mit einer Unterschrift des Immigration Officers und einem Datum, bis zu dem mein Visum verlängert ist. Niemand war da außer mir. Der Vorgang dauert 20 Sekunden! Doch erst in zwei Stunden sollte ich wiederkommen. Mit der Regelmäßigkeit einer Schweizer Uhr ging ich alle zehn Minuten in das Büro und fragte nach meinem Paß. Er lag unberührt auf dem Tisch des teetrinkenden Offiziers. Ich konnte beide sehen! Mein Fall wäre noch nicht bearbeitet, antwortete man mir. Nach zwei Stunden nahm der völlig entspannt aussehende Mann meinen Paß, klebte den Aufkleber hinein, schrieb seinen "Wilhelm" darunter und gab ihn der Dame, mit der er seinen Tee genommen hatte. Diese überreichte ihn mir mit einem durchaus freundlichen Lächeln.

Wenn ein Nepali das tagtäglich erlebt, dann wundert es mich nicht mehr, daß ihm Stromausfälle noch lange nichts anhaben können. Da muß schon was anderes passieren. Nur bin ich eben kein Nepali.