Der magische Ort - 19.03.2006
Nach zehn Monaten bin ich schon wieder im Basislager des Mount Everest.
Doch diesmal nur, um es meinen Gästen zu zeigen. Es ist für viele
Nepalbesucher ein wichtiges Ziel. Niemand ist da, die Saison hat noch
nicht begonnen. Es ist beinahe gespenstisch ruhig und einsam. Zumindest
ich empfinde das so. Als ich das letzte Mal hier war, standen an dieser
Stelle über 800 Zelte, in denen fast tausend Menschen campierten. Von
überall dudelte Musik, klingelten Telefone oder sangen Sherpas. Täglich
kamen Yakkarawanen an. Und fast jeden Tag wurde das Camp von Helikoptern
angeflogen. Klingt nicht so sehr nach Bergromantik! Die gab es am
Everest auch nicht. Ein Helikopter war es auch, der mich bei unserem
gestrigen Besuch im Everestbasecamp am meisten ins Grübeln gebracht hat.
Als ich im letzten Jahr am Everest war, ist ein Helikopter dort
abgestürzt. Doch als ich ihn mir ansehen wollte, konnte ich ihn nicht
finden. Er war verschwunden. Nur ein paar Rotorblätter lagen noch an der
Absturzstelle. Ob man ihn wieder instand setzen konnte?
Das Wrack des russischen Hubschraubers markiert das
Basislager auf der Südwestseite des Mount Everest.
Auch das berühmte Wrack des ersten russischen Helikopters, welches schon
zehn Jahre im Basislager des Everest liegt, gab Rätsel auf. Man hatte es
vom Kopf wieder auf die Füße gestellt und vollkommen auseinander
genommen. Ich stellte mir vor, wie russische Mechaniker aus dem alten
Wrack Teile ausgebaut hatten, um damit den anderen wieder flott zu
machen. Russischen Helikopterpiloten traue ich nämlich alles zu. Aber es
war nicht so, wie ich inzwischen weiß. Man hat den zweiten Hubschrauber
in seine Einzelteile zerlegt und ins Tal getragen und bei der
Gelegenheit auch alles brauchbare vom ersten mitgenommen.
Auf dem Kalar Pattar waren wir natürlich auch. Er ist mit Sicherheit der
meistbesuchte Aussichtspunkt in der Khumburegion. Von dem knapp
5700 m hohen Aussichtspunkt ist die Gipfelpyramide des Everest,
leider nur die obersten 900 Meter, gut zu sehen. Viel beeindruckender
präsentiert sich der fast 8000 Meter hohe Nuptse mit seiner Westflanke.
Doch die sieht der Besucher genauso gut von seiner Lodge im 5200 Meter
hoch gelegenen Gorak Shep.
Der eigentliche Kalar Pattar ist genau 5545 Meter hoch.
Heute jedoch wird er in nördlicher Richtung umgangen, um noch ein Stück
weiter auf eine Graterhebung steigen zu können, die schon zum 7145 Meter
hohen Pumo Ri gehört. Er ragt im Hintergrund auf.
Morgen geht es nun wieder hinunter ins Tal nach Namche Basar. Ich werde
vorausgehen, weil ich noch einen Tag dort brauche, um die Ausrüstung zu
trocknen und wieder sauber zu machen. Am 23. März fliegen wir nach
Kathmandu zurück, womit dann auch der zweite Teil der Reise beginnt. In
Kathmandu stehen nämlich die Behördengänge für die Expedition zur Ama
Dablam an. Und welche Gefühle bei dem Gedanken daran aufkommen, weiß
jeder, der die Everest-News gelesen hat. Aber ich will ja gelassener
werden. Und Gelassenheit kann einer wie ich auf nepalesischen Behörden
gut trainieren.
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