Die Mutter mit dem Amulett
Die 6856 m hohe Ama Dablam befindet sich im Khumbu Himal nur wenige Kilometer südlich des Mount Everest. Sie ist ein phantastischer und völlig freistehender Berg, den viele Bewunderer für den schönsten der Welt halten. Besonders auffällig sind zwei lange Grate, welche das in westlicher Richtung gelegene Mingbo-Tal, einschließen. Wegen dieser Grate und den beiden Ausläufern eines Hängegletschers, die so aussehen, wie ein von den Frauen der Sherpas getragener Doppelanhänger, nennen die Sherpas diesen Gipfel "Ama Dablam", was so viel heißt, wie die "Mutter mit dem Amulett".
Der Blick nach Osten. Rechts der Südwestgrat, links der Nordwestgrat, welche die Westwand und das Mingbotal einschließen.
Die Erstbesteigung ist auf das Jahr 1961 datiert. Kein geringerer als Edmund Hillary, der die Ama Dablam eigentlich für unbesteigbar hielt, doch später sein Urteil auf "ungeheuer schwierig" revidierte, war der Leiter dieser Expedition. Eigentlich diente das Unternehmen wissenschaftlichen Zwecken und befaßte sich mit physiologischen Untersuchungen zur Höhenkrankheit und Akklimatisation. Eine Besteigungsgenehmigung für den Berg gab es nicht. Während einer längeren Abwesenheit Hillarys und ohne seine Zustimmung erreichten am 13. März Michael Ward (GB), Wally Romanes und Michael Gill (NZ) sowie Barry Bishop (USA) nach sehr steiler Fels- und Eiskletterei über den Südwestgrat den Gipfel. Dieser Aufstieg galt zu dieser Zeit als eine der schwierigsten Klettereien im gesamten Himalaya. Allerdings kratzte diese Besteigung an Hillarys bis dahin makellosem Image bei den Sherpas, hatten seine Bergsteiger doch den heiligsten ihrer Gipfel entweiht.
Die Ama Dablam von Süden. Die Südwand mit ihren charakteristischen Riffelungen. Schräg von rechts unten ansteigend der Südostgrat.
Erst 1979 wagten sich das zweite Mal Alpinisten an die Ama Dablam. Allerdings gleich mit drei Paukenschlägen. Im Mai durchstieg Jeff Lowe im Alleingang die stark zerfurchte Südwand und im Herbst gelang einer französischen Expedition der Aufstieg über den sehr schwierigen Nordostgrat. Zur gleichen Zeit mit den Franzosen kletterte ein neuseeländisches Team in der Westwand, als ein großes Stück des Hängegletschers die Wand herunterdonnerte. Einer der Bergsteiger war sofort tot, drei andere, darunter der Sohn von Edmund Hillary, wurden schwer verletzt und doch unter dramatischen Umständen aus der Wand gerettet.
Wir schauen direkt auf den Nordostgrat, links davon befindet sich die Ostwand, rechts im Schatten die Nordwestwand.
1985 kamen zwei weitere Routen hinzu. Eine gemischte Gruppe aus den USA und Spanien bestieg erstmals den Südostgrat (auch Lagunak-Grat genannt) und nur einen Monat später erfolgte die spektakuläre Durchsteigung der Ostwand im Alpinstil durch die Amerikaner Carlos Buhler und Michael Kennedy. Die beiden Bergsteiger folgten der gebogenen Schnee- und Eisrippe in der Mitte der Wand.
Blick auf die Nordwestwand, eingebettet zwischen Nordwest- und Nordostgrat. Diese Wand ist die steilste und schwierigste Wand der Ama Dablam.
Egal auf welcher Route man die Ama Dablam in Angriff nimmt, überall sind steile Fels- und Eispassagen zu überwinden. Und immer wird die Besteigung dieses Berges auch ein ganz besonderes Erlebnis sein, ist doch "Die Mutter mit dem Amulett" im Herzen des Solu-Khumbu-Massivs sicher einer der großartigsten Berge der Welt.
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