Über den Wolken

Ich bin ab sofort kein Fan mehr von Busfahrten in fremden Ländern. 16 Stunden eingefercht mit vier Franzosen, zwei Fahrern, einem mit Maschinenpistole bewaffneten Soldaten, Christoph und einem Haufen Gepäck in einem kleinen Kleinbus, haben meiner Freude am Busfahren gar nicht gut getan.

20 Stunden von Skardu nach Islamabad waren also deutlich untertrieben. Wir sind am zweiten Busfahrtag um 5 Uhr morgens gestartet und trafen gegen 21 Uhr in unserem Hotel in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein. Doch dafür gestaltete sich der gestrige Tag nach dieser unerquicklichen Fahrt wider erwarten freundlich, und es herrschte in Islamabad nicht mehr so eine Affenhitze wie bei unserer Ankunft im Juni.

Morgens um sechs fing ich an, unsere sieben Tonnen noch einmal in den finalen Zustand umzupacken. Unser Gepäck für den Flieger musste exakt 60 Kilo wiegen. Der Rest sollte in die Tonnen. Außerdem brauchte ich noch ein paar Dinge aus den Tonnen, denn in wenigen Tagen geht es schon wieder in die Alpen zu unserer alljährlichen Vorbereitungstour für den Nepaltrip im kommenden Jahr.

Um zehn Uhr sollte alles fertig sein, einschließlich der neuen Packlisten. Pünktlich stand das Auto unserer Agentur vor der Tür, welches uns und die Tonnen abholen sollte. In der Agentur wurden wir sehr herzlich empfangen. Ein frisch gebackener Kuchen stand für uns bereit. Während wir Kuchen aßen und nebenbei die Packlisten und die Adressaufkleber für die Tonnen ausdruckten, traf auch schon der Aircargomann ein. Die Papiere wurden ausgestellt, anschließend gab ein Feilschen um den Preis. Innerhalb von ein paar Minuten habe ich 500 Euro gespart. Man ist hier nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, die „reichen“ Europäer übers Ohr zu hauen. Alles in allem war die Geschichte mit dem Cargo in zwei Stunden erledigt.

Hunzas

Gestern Abend bei den "Hunza Guides" zu Hause. Das letzte Essen in Pakistan war mit Abstand das Beste. Gestört hat nur, dass diejenige, die dieses wunderbare Essen gemacht hat, nicht dabei sein durfte.

Anschließend ging es zum Debriefing. Hier geschah etwas sehr außergewöhnliches. Es wurde sich ganz kurz gefasst. So kurz, dass es mir schier die Sprache verschlug. So etwas hatte ich ja überhaupt noch nicht erlebt. Wir kamen in der Zentrale der pakistanischen Mountaineering Association an, gingen hinein und setzten uns. Drei Sekunden später erschien der entsprechende Mensch, reichte uns die Hand. Dann sah er eine halbe Minute lang die mitgebrachten Papiere durch und fragte, ob wir etwas zu sagen oder anzuregen hätten. Wir verneinten. Daraufhin unterschrieb er an zwei Stellen in den Papieren. Anschließend stand er auf, reichte uns die Hand, verabschiedete sich und verschwand. Das ganze Debriefing hatte keine zwei Minuten gedauert. Sehr sympathisch. Vielleicht ist das der erste Schritt, diese überflüssige Aktion ganz abzuschaffen.

Anschließend hatten wir plötzlich sogar Zeit für ein Mittagessen, eine Dusche und einen Minieinkaufsbummel.

Am Abend waren wir beim Chef unserer Agentur zum Essen eingeladen. Seine Frau hatte für uns gekocht. Leider bekamen wir sie nicht zu Gesicht, um uns für das tolle Essen zu bedanken. Frau zu sein in Pakistan stelle ich mir in höchstem Maße unerfreulich vor.

Man hatte für uns Bier und Wodka (in Pakistan verboten) herangeschafft, und wir redeten vor allem über neue Pläne und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Offensichtlich wurde mein Potential, Kunden für die Agentur heran zu schaffen, deutlich überschätzt. Trotzdem ist mir der eine oder andere Gedanke gekommen, denn eines steht fest: Pakistan ist ein wunderschönes und sehr aufregendes Land, vor allem, wenn man sich für Berge interessiert. Und ich hatte nie das Gefühl, dass wir bedroht seien oder irgend etwas nicht unter Kontrolle wäre.

Wir sind nur sehr freundlichen Männern begegnet, die Frauen, die wir zu Gesicht bekamen, kann man sozusagen an einer Hand abzählen. Das ist allerdings wirklich extrem hier. Und was ganz wichtig war, unsere Agentur “Hunza Guides” hat absolut professionell gearbeitet. Man kann die logistische Leistung gar nicht hoch genug einschätzen. Der Transport, das Essen, die Formalitäten im Vorfeld usw. wurden sehr zuverlässig gehändelt. Ich bin außerordentlich zufrieden, ja geradezu begeistert. Meine bisherigen Erfahrungen hier ließen das nicht unbedingt erwarten. Eigentlich kann ich Pakistan als Reiseziel nur empfehlen.

Wir sitzen also jetzt wirklich im Flieger nach Frankfurt. Es war ein hartes Stück Arbeit, es pünktlich hier rein zu schaffen. Das Abenteuer ist also vorbei. Bleibt mir jetzt nur noch, darüber nachzudenken, wie ich es irgendwie hin bekomme, das Ganze positiv zu sehen. Derzeit ist es eindeutig noch so, das mit abnehmender Distanz zu Leipzig, die Frustration über den Misserfolg zunimmt.

Doch jetzt freue ich mich erst einmal auf zu Hause.

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5 Antworten

  1. Gisela Schade sagt:

    Lieber Dr. Rieck
    gespannt habe ich mit meinen Kindergartenkindern Ihr neues Abenteuer verfolgt. Die Fotos in der LVZ wurden angeschaut und ich habe von ihrem Besuch vor 2 Jahren in der Kita erzählt.
    Herzlichen Glückwunsch zur gesunden Rückkehr für Sie und ihren Partner.
    Mein Mann und ich freuen uns sehr auf einen neuen Vortrag.
    Beste Grüße Gisela & Werner Schade & die“Rabenkinder“

  2. Georg sagt:

    Hallo Olaf,
    kann Deine Frustration gut verstehen. War trotzdem spannend Eure Tour zu verfolgen und die interessanten Texte zu lesen.

    Lass es Dir gut gehen.

    Viele Gruesse aus dem Norden
    Georg

  3. Hans-Peter sagt:

    Hallo Olaf und Christoph,

    Glückwunsch zur gesunden Heimkehr und danke für die tollen Berichte! Auch wenn ich Euren Frust verstehen kann, der Erfolg ist der Abstieg! Der Gipfelerfolg ist die Krönung, seine Schwester die Tragödie. Der seid Ihr mit viel Kraft, Ausdauer und Cleverness aus dem Weg gegangen! Ihr werdet wieder angreifen. Ich drücke Euch schon jetzt die Daumen.

    Grüße aus Thüringen

    H-Peter

  4. Dieter sagt:

    Es waren spannende Tage, ihr da am Berg und ich hier am Computer.Schade das es nicht bis zum Gipfel ging, aber es gibt Dinge die kann der Mensch nicht beeinflussen.Ich bin froh das ihr gesund auf dem Heimweg seit.Auf ein Neues,Olaf und Christoph, herzliche Grüße aus Sachsen!

  5. Isolde Schietinger sagt:

    Hallo Olaf,
    Vielen Dank für die Berichte eurer Expedition, bin oft am PC gesessen und habe sie gespannt verfolgt. Auch wenn euch der Gipfel nicht vergönnt war obwohl man es konditionell drauf hatte, denk an deine nächsten Ziele, wo immer sie dich hinführen werden.In diesem Sinne machs gut und komm gut nach Hause.

    Grüße aus dem Schwabenland
    Isolde

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